Naturfreund*innen im Gespräch
YANNICK KIESEL | Kooptiertes Mitglied des Bundesvorstandes der NaturFreunde Deutschlands (NFD) & Mitwirkender an der Resolution „Naturfreunde für den Frieden“ im Rahmen der NFI-Jahreskonferenz 2024.
Yannick, du engagierst dich seit einigen Jahren für die Naturfreunde – aktuell auch als Mitglied des Bundesvorstandes der NFD. Wie hat dein Engagement begonnen?
Mein Engagement bei den NaturFreunden hat im Jahr 2017 begonnen. Ich habe mich um ein Praktikum beim Berliner Landesverband bemüht und durfte dann auch gleich mit einem internationalen Projekt in Zusammenarbeit mit unserer algerischen Partnerorganisation A.T.L.E.D. starten.
Als dann im Jahr 2019 die erste NaturFreunde Friedenswanderung „Frieden in Bewegung“ geplant wurde, durfte ich diese hauptamtlich als Projektkoordinator leiten. Dies mache ich immer noch in ehrenamtlicher Funktion im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands.
Die nächste Friedenswanderung findet übrigens im kommenden Jahr statt (3. bis 22. Mai 2025). Leider habe ich erst relativ spät zu den NaturFreunden gefunden und dadurch eine aktive Zeit in den Jugendstrukturen des Verbands verpasst, was ich bis heute sehr schade finde.
Die Friedenswanderungen sind ein beeindruckendes Beispiel für das friedenspolitische Engagement der NFD. Was bedeutet Frieden für dich persönlich? Und was motiviert dich dazu, dich bei den Naturfreunden gerade für dieses Thema stark zu machen?
Frieden hat für mich viele Facetten. Zuallererst bedeutet es für mich aber Kommunikation, Austausch, voneinander lernen, sich gegenseitig zuzuhören. Das klingt vielleicht erstmal ein wenig naiv oder vereinfacht. Aber damit beginnt es, damit beginnen Prozesse des Friedens, der Versöhnung, der Rücksichtnahme. Wir leben in einer Gesellschaft, die uns lehrt, dass wir alles verlieren können, dass irgendwo jemand sitzt, der uns unser Eigentum, unsere Freiheit unsere Strukturen wegnehmen oder zerstören möchte, der imaginäre Feind gegen den wir uns verteidigen müssen. Anstatt diese voreingenommene Position immer wieder zu vertreten, sollten wir mehr aufeinander hören, unsere gegenseitigen Interessen verstehen und auf den Gemeinsamkeiten aufbauen. Dies gilt sowohl für die lokale und persönliche Ebene, aber auch für den internationalen Kontext in dem Staaten immer wieder ihre Souveränität als Grund für Austritte aus internationalen Abkommen vorschieben, anstatt nach Lösungsmöglichkeiten und Kompromissen zu suchen.
Die Friedenswanderung soll so eine Plattform der Kommunikation bieten. Eine Plattform, auf der sich Menschen austauschen können, zuhören können und gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen. Besonders in den heutigen Konflikten gibt es so viele Ebenen der Komplexität. Es gibt keine einfachen Schwarz-Weiß Lösungen mehr, wie uns viele Populist*innen weismachen möchten und das macht vielen Menschen Angst, auch mir. Trotzdem darf uns das nicht entzweien oder entmutigen und die Friedenswanderung kann eine Möglichkeit sein, diesen Austausch wieder in die Gesellschaft zu tragen, in die Kommunen, die wir bewandern, zu den Bürgermeister*innen, die wir besuchen, und vor allem zwischen den Menschen, die daran teilnehmen. Über die letzten beiden Friedenswanderungen 2021 und 2023 sind so viele Kontakte zwischen NaturFreund*innen, Aktivist*innen und anderen Beteiligten entstanden, die bis heute bestehen, auch teilweise über nationalstaatliche Grenzen hinweg.
Für viele Naturfreundegruppen ist es schwierig, junge Menschen zu finden, die bereit sind, in ihrer Freizeit ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Neue Mitglieder sehen die Naturfreunde oft vor allem als Freizeitverein, der Services wie Zugang zu Kletterhallen, Berghütten oder eine günstige Freizeitunfallversicherung bietet. Die traditionellen Werte der Naturfreunde wie Solidarität & Internationalität spielen dabei kaum eine Rolle. Wie siehst du als junger Mensch diese Entwicklung? Und wie würdest du darauf reagieren?
Ich sehe diese Entwicklung sehr kritisch. Wir befinden uns in einer Zeit der Individualisierung. Die Gemeinschaft tritt in den Hintergrund und die eigene Persönlichkeit, das Individuelle an jeder Person, wird hervorgehoben. Die eigene Selbstpräsentation auf den Sozialen Medien unterstützt so eine Entwicklung natürlich. Individualisierung heißt aber auch Selbstorganisation. Engagement findet nicht mehr in Verbänden oder Organisationen statt.
Auch der Aktivismus wird viel individueller, sei es durch die vereinfachte Möglichkeit zu spenden oder die Möglichkeit auch als Einzelperson oder Kleingruppe (ohne einen Verband im Hintergrund) Demonstrationen oder Veranstaltungen zu besuchen oder gar zu organisieren. Auch aktivistische Formen werden flexibler, wie wir es bei Fridays for Future gesehen haben. Wenn es zudem um Aktivitäten, wie z.B. Wandern geht, sagen sich jungen Menschen, wenn ich wandern will, brauche ich keinen Verband, ich öffne die Komoot-App, lade mir zwei, drei Freund*innen ein und wandere los. Die Verbände verlieren dadurch langsam ihren Sinn und werden, wie die Frage ja schon suggeriert, nur noch für ihre Services und Vergünstigungen genutzt. Diese sind natürlich auch wichtig und können für uns der Türöffner sein, um Menschen in den Kontakt mit den NaturFreunden zu bringen. Es liegt dann aber an uns, diese an uns zu binden, ihnen unsere Werte zu vermitteln und diese Form einer Gemeinschaftsmöglichkeit wieder in den Vordergrund zu rücken.
In der heutigen Zeit ist es schwierig, junge Menschen zu binden. Sie sind oft unterwegs, um zu studieren, reisen, um die Möglichkeiten zu nutzen, die es für die Generationen davor nicht gab. Wir als NaturFreunde-Ortsgruppen sind aber in gewissem Maße von einer bestimmten Sesshaftigkeit abhängig. Dies können junge Menschen oft nicht einbringen bzw. leisten. Für viele Ortsgruppen hat sich daher der Blick in Richtung junger Familien gedreht, die sich vielleicht gerade auch in den Orten und Städten neu orientieren. Hier ist das gegeben, was bei jungen Menschen fehlt, Sesshaftigkeit und der Wunsch nach Anschluss. Nichtsdestotrotz muss der Blick auf die jungen Generationen gerichtet werden. Die Zusammenarbeit mit der Naturfreundejugend ist dementsprechend essenziell für uns als Erwachsenenverband. Auch die Möglichkeit Übergänge zu schaffen, die jungen Menschen aus der Jugendarbeit auch im Erwachsenenverband einzubinden, ihnen Freiräume zu geben, Neues entwickeln zu lassen und sich auch neuen Ideen nicht zu verschließen.
Für die NaturFreunde geht es nun darum eine Form der Mitgliedschaft zu entwickeln, die junge Menschen wieder begeistert, sozusagen ein Mix aus Anreizen, flexiblen Strukturen, um sich zu engagieren, und der Vermittlung unsere Werte wie Solidarität und Internationalität. Ich denke auch unser internationaler Blick kann helfen, jungen Menschen zu zeigen, dass sie sich bei der NaturFreunde-Arbeit nicht nur auf die Ortsgruppen fokussieren müssen, sondern Aktivismus und Engagement bei uns auch in einem internationalen Kontext möglich ist.
Wenn du in die Zukunft blickst: Wo siehst die größten Herausforderungen und Chancen für die Naturfreunde in Deutschland wie auch als internationale Bewegung?
Ich denke eine große Herausforderung der NaturFreunde, egal ob in Deutschland oder allen anderen Ländern wird die Frage nach dem Sinn sein. Wozu brauchen wir die NaturFreunde (noch)? Was gibt uns dieser Verband? Wofür opfern wir die unzähligen Stunden? Dies ist eine Frage, die wir für uns alle persönlich beantworten sollten, denn wir alle haben verschiedene Gründe, NaturFreund oder NaturFreundin zu sein. Die Frage müssen wir aber auch als Ortsgruppen, als Verband insgesamt beantworten.
Daran baut sich unsere Außendarstellung auf. Für was stehen wir? Welche Zielgruppen sprechen wir an? Ich denke hierbei ist es auch wichtig auf „best practice“ Beispiele zugreifen zu können. In Deutschland z.B. haben wir die Kampagne „100.000“ gestartet, um langfristig das Ziel der 100.000 Mitglieder zu erreichen. Dazu haben wir eine Plattform geschaffen, in der Ortsgruppen ihre Aktionen, um Mitglieder zu gewinnen, mit anderen NaturFreund*innen teilen können. So entsteht ein Austausch und wir können voneinander lernen. Ein weiteres sehr gutes Beispiel sind unsere Freund*innen aus den Niederlande von NIVON, die es geschafft haben, in den letzten Jahren ihre Mitgliederzahl zu verdoppeln. Ich kann nur raten, dort mal vorbeizuschauen und zu sehen, wie es dort gemacht wird.
Zum Abschluss würde ich gerne noch sagen, warum ich NaturFreund bin. Hier sehe ich auch unsere Chance. Denn dies sind unsere Werte. Werte der Unterstützung, der Solidarität. In einer Welt, die sich hoch individualisiert, birgt sich auch die Gefahr der Vereinsamung. Menschen sind auf sich allein gestellt, sollen die Ellenbogen ausfahren, um in unserer Gesellschaft zu überleben und erfolgreich zu sein. Unsere Antwort darauf ist ein klares Nein.
Wir bieten den Menschen eine Gemeinschaft, die sich austauscht, die sich streitet, die sich aushält, die gemeinsam Projekte erschafft, Bildungsarbeit leistet oder einfach nur da ist, wenn man sozialen Austausch sucht. Die Individualisierung der Gesellschaft wird irgendwann den Punkt erreichen, wo auch der Drang nach Gemeinschaft wieder stärker gesucht wird, und dann werden wir da sein. Es ist wichtig unsere Angebote aufrecht zu erhalten, denn wir werden weiterhin gebraucht. Ich bin mir sicher, dass sich in den nächsten Jahren vieles ändern wird. Sei es Ortsgruppen, die verschwinden, Häuser, die sich vielleicht nicht mehr lohnen.
Aber es wird auch wieder neue Gruppen geben, neue Formen der Verbandsarbeit, neue Angebote und Ideen. Ich denke dieser Verband muss in Zukunft die Balance zwischen Erneuerung und Tradition finden. Genau hierfür ist es wichtig uns gemeinschaftlich die Frage zu stellen „Welcher Verband möchten wir sein, jetzt und in Zukunft?“.
(Oktober 2024)
MONIQUE WINTZ & EVELINE GABORIT | Mitglieder der Naturfreunde Colombes (Frankreich) und aktiv in der NFI-Themengruppe Klimagerechtigkeit
Würdet ihr euch bitte vorstellen ?
Monique: Seit 12 Jahren bin ich Mitglied der Naturfreunde von Colombes. Meine ersten Kontakte mit der Natur waren meine Spaziergänge in der ländlichen Umgebung in meinem Departement Orne in der Normandie. Am Ende meiner Schulzeit war ich gezwungen, nach Paris zu gehen, um dort eine Arbeit zu finden, die meiner Ausbildung entsprach, zunächst als Steno- und Schreibkraft, dann als Sekretärin.
Eveline: Ich wurde in einem kleinen Dorf am Atlantik in der Vendée in eine Bauernfamilie hineingeboren. Ich kam nach Paris, um dort zu arbeiten, zunächst als Angestellte, dann arbeitete ich als Friseurin. Jetzt bin ich im Ruhestand. Ich biete mein Wissen als Freiwillige in einer Tagesstätte für Menschen in prekären Lebenslagen an.
Wie kam es dazu, dass ihr euch den Naturfreunden angeschlossen habt? Was motiviert euch, euch aktiv in der Gruppe zu engagieren? Welche spezifischen Aktivitäten stehen in eurer Gruppe im Vordergrund?
Eveline: Ich bin seit 1999 Mitglied der "Amis de la Nature de Colombes". In meiner Freizeit wollte ich umweltfreundliche Aktivitäten in der Natur ausüben und Menschen treffen, die diese Freizeitgestaltung mit mir teilen. Unsere Gruppe bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten: Wandern, Nordic Walking, Schneeschuhwandern, Gartenarbeit in den Gemeinschaftsgärten, kulturelle Aktivitäten, regelmäßiger Austausch mit unseren Naturfreund*innen aus Frankenthal, der Partnerstadt von Colombes in Deutschland …
Monique: Ich habe den Verein 2012 dank Martine Laizé, unserer Vorsitzenden, kennengelernt und bin ihm beigetreten. Sie war damals, so wie ich, Mitglied des Verwaltungsrats des "Maison des Jeunes et de la Culture" (Haus der Jugend und der Kultur) in Colombes. 2019 erfuhr ich, dass die NFI im Jänner 2020 zum zweiten Mal eine zweiwöchige Reise in die "Landschaft des Jahres 2018/2020 - Senegal/Gambia" organisierte. Fünf Mitglieder unserer Naturfreundegruppe nahmen daran teil und wir waren insgesamt 34 europäische Naturfreund*innen. Während dieser Reise wurde mir die Bedeutung des Klimas und all seiner Folgen wirklich bewusst. Wir waren bei Workshops über bessere Öfen anwesend, die weniger Holz benötigen und damit die Wälder entlasten und darüber hinaus den senegalesischen Frauen Arbeit abnehmen. Wir besuchten auch Schulen, wo sich zu meiner Überraschung die Schülerinnen und Schüler bereits mit der globalen Erwärmung beschäftigten und in verschiedene Aktionen eingebunden waren.
Die Naturfreunde von Colombes haben sich durch ihr proaktives Engagement für Klimagerechtigkeit innerhalb des Naturfreunde-Netzwerks hervorgetan. Ihr beide engagiert euch aktiv in der Themengruppe Klimagerechtigkeit der NFI und unterstützt die Evaluierung der von den afrikanischen Naturfreunden vorgeschlagenen Projekte. Was bedeutet Klimagerechtigkeit aus eurer Sicht und was motiviert euch, euch dieser Sache anzunehmen?
Monique: Klimagerechtigkeit bedeutet, gleiche Chancen für Nord und Süd im Kampf gegen den Klimawandel zu ermöglichen. Meine Motivation ist einfach menschlich. Und vor allem kann ich mir nicht vorstellen, dass wir auf Weltfrieden hoffen können, wenn ein großes Ungleichgewicht zwischen den Ländern des Nordens und des Südens besteht.
Eveline: Klimagerechtigkeit bedeutet, die Ungleichheiten zwischen den Ländern des Nordens und des Südens zu verringern, denn die Unterschiede sind eklatant. Die Länder des Südens leiden unter den Folgen des Klimawandels, obwohl sie weniger Verantwortung für die globale Umweltverschmutzung tragen. Mein Engagement entstand, als ich das internationale Netzwerk entdeckte. Es ist wunderbar zu sehen, wie Reisen unseren Horizont erweitern und unser Engagement für den Naturschutz stärken kann. Ich nahm mit einer Gruppe von etwa 15 Naturfreund*innen aus Colombes und anderen Sektionen an Reisen teil, wir besuchten unsere afrikanischen Naturfreund*innen in Algerien und zweimal in Senegal und Gambia. Diese Erfahrungen verdeutlichten die Herausforderungen, vor denen die lokalen Gemeinschaften in diesen Regionen stehen, sowie die Bedeutung der internationalen Unterstützung insbesondere durch Initiativen wie den Naturfreunde-Klimafonds.
Die Naturfreunde von Colombes haben bereits einstimmig beschlossen, die neue Kampagne der NFI "1 Euro für Klimagerechtigkeit" zu unterstützen, die sich an Naturfreundegruppen richtet. Diese Initiative ermutigt jedes Mitglied der Naturfreunde des Globalen Nordens, einen Euro pro Jahr an den Klimafonds der Naturfreunde zu spenden. Wie habt ihr eure Gruppe davon überzeugt, sich der Kampagne anzuschließen, und wie kann die NFI andere Naturfreundegruppen/-sektionen und nationale Organisationen dafür gewinnen, diesem Thema in ihren Agenden Priorität einzuräumen?
Monique: Auf der Generalversammlung unseres Vereins erzählte unsere Präsidentin, die am Kongress der Naturfreunde Internationale teilgenommen hatte, von dieser Kampagne. Diejenigen, die bereits an Reisen nach Afrika teilgenommen hatten, bestätigten den Nutzen dieser Kampagne.
Eine Informationskampagne für alle Naturfreund*innen in Frankreich einzurichten, scheint mir unerlässlich zu sein. Um sie zu sensibilisieren und zu überzeugen, sollten wir meiner Meinung nach auch einige Zeilen über die Situation in Frankreich einbauen, damit sich die Menschen von diesem globalen Problem betroffen fühlen. Diese Kommunikation fällt in den Bereich des Nationalen Büros. Es würde für die Veröffentlichung und Verbreitung sorgen. Das Bewusstsein für diese Herausforderungen ist entscheidend für die Zukunft!
Eveline: Bei unserer Generalversammlung erinnerten wir unsere Mitglieder an das Ziel des Klimafonds.
Wir erläuterten die vom Klimafonds finanzierten Initiativen und die Projekte in afrikanischen Ländern. Es wurde vorgeschlagen, sich der internationalen Kampagne der Naturfreunde "1 Euro für Klimagerechtigkeit" anzuschließen und sich mit einem jährlichen Beitrag von 1 Euro pro Mitglied zu beteiligen. Dies wurde einstimmig angenommen.
Es gilt, die Solidarität in den Vordergrund zu stellen – einen Tag im Jahr der Großzügigkeit unter den Naturfreund*innen zu widmen, ist eine Gelegenheit, das Bewusstsein zu schärfen.
Mit Blick auf die Zukunft: Was sind eurer Meinung nach die größten Herausforderungen, denen sich die Naturfreunde Colombes und die internationale Naturfreundebewegung insgesamt in den nächsten zehn Jahren stellen müssen?
Eveline: In Colombes geht es vor allem um den Schutz der Artenvielfalt und die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts in unserer Stadt mit 90 000 Einwohner*innen. In der Metropole Paris müssen wir uns an die Folgen von Trockenheit und Hitze in dieser dicht besiedelten Stadt anpassen und unsere Lebensqualität erhalten. Auf globaler Ebene ist die Verschmutzung der Erde, der Luft und der Ozeane ein großes Umweltproblem, ein Problem für die Zukunft unseres Planeten, unsere Gesundheit ist bedroht.
Monique: Die Themen für die nächsten zehn Jahre, die mit unserem Verein und der NFI diskutiert werden müssen, sind diese: Fortsetzung der Waldbewirtschaftung, um die Wüstenbildung zu stoppen (Baumpflanzungen), Fortsetzung der Aufforstung von Mangrovenwäldern (große Kohlenstoffsenke). Zum Thema Dürre und/oder Überschwemmungen: Die Städte müssen ihre Infrastruktur anpassen – insbesondere an steigende Wasserstände (Gletscherschmelze), die Küstenerosion und die Überflutung von Küstengebieten zur Folge haben; die Wiederaufbereitung von Abwasser hauptsächlich für die Bewässerung von Anbauflächen.
(April 2024)
MAMADOU MBODJI | Vize-Präsident der NFI
Mamadou, angesichts deiner beeindruckenden 13-jährigen Amtszeit als Vizepräsident der NFI bist du zweifellos ein bekanntes Gesicht in der Naturfreunde-Gemeinschaft. Kannst du uns etwas über den Beginn deines Weges mit den Naturfreunden erzählen? Was hat dich anfangs gereizt und was motiviert dich nach all den Jahren immer noch?
Es ist in der Tat eine große Ehre und ein immenses Privileg, seit 2011 dabei zu sein. In all diesen Jahren habe ich immer wieder versucht, ein Bindeglied zwischen den Naturfeunden im Norden und denen im Süden zu sein, um die internationale Solidarität zu stärken.
Meine Verbundenheit mit der Natur wurde mir quasi in die Wiege gelegt, aber ich muss zugeben, dass mein eigentlicher Aktivismus Anfang der 1990er-Jahre begann, als ich voller Verdruss den schwindelerregenden Verlust der Artenvielfalt wahrnahm und den Naturfreunden Senegals beitrat, die bereits hervorragende Aufklärungsarbeit leisteten und praxisbezogene Aktionen durchführten.
Seitdem ist es mir ein Anliegen, mich weiterhin für einen lebenswerteren Planeten für heutige und zukünftige Generationen einzusetzen.
Derzeit leitest du eine wichtige Initiative des Naturfreunde-Klimafonds, das Baumpatenschaft-Projekt. Kannst du uns Näheres darüber erzählen – über die Ziele, die Herausforderungen und die erwarteten Ergebnisse?
Vor dem Hintergrund des Verlusts an Biodiversität, der auf die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung zurückzuführen ist, unterstützt dieses Projekt die Bindung von CO2 und leistet somit einen Beitrag zum Klimaschutz. Das Projekt hat die Wiederaufforstung unseres Landes mit Obstbäumen zum Ziel, um die Ernährungsqualität der Familien zu verbessern und ihnen gleichzeitig eine Einkommensquelle zu verschaffen. Es sollten alle ländlichen Gemeinden, die unter dem Biodiversitätsverlust leiden, von den Wiederaufforstungsmaßnahmen profitieren – insofern ist der Bedarf an einer Ausweitung der Aktion groß. Wenn dieses Projekt erfolgreich zu Ende geführt wird, profitieren der Globale Norden und der Globale Süden gemeinsam davon, dass unsere natürlichen Ressourcen für zukünftige Generationen bewahrt werden.
Als Ergebnis des NFI-Kongresses 2023 und unserer Resolution zur Förderung von Klimagerechtigkeit lädt die Kampagne "1 Euro für Klimagerechtigkeit" die europäischen NaturFreunde-Mitglieder ein, sich an unseren Klimafondsprojekten zu beteiligen und diese kontinuierlich zu unterstützen. Einige haben bereits ihr Interesse bekundet, während andere noch darüber nachdenken. Welche Botschaft möchtest du an die Naturfreunde in Europa richten, insbesondere an diejenigen, die sich noch im Entscheidungsprozess befinden?
Zunächst einmal ist diese großartige Initiative sehr zu begrüßen, da sie die finanziellen Kapazitäten des Klimafonds zur Durchführung von partizipativen Projekten für die afrikanischen Naturfreunde-Mitglieder stärkt.
Die Lage ist ernst, denn die drastischen Auswirkungen der Klimakrise haben den wirtschaftlichen Aufschwung des afrikanischen Kontinents – der für diese Fehlentwicklung nicht verantwortlich ist – nachhaltig beeinträchtigt. Eine auf Solidarität basierende Klimagerechtigkeit ist ein Hoffnungsschimmer für alle gefährdeten Gemeinschaften im Globalen Süden. Hier und jetzt zu handeln, ist eine moralische Pflicht für alle, sonst werden die Folgen niemanden verschonen.
Mit Blick auf die Zukunft und auf deine Rolle bei den Naturfreunden Senegal und in der internationalen Naturfreundebewegung: Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Herausforderungen für beide Organisationen in den nächsten zehn Jahren?
Globale Zusammenhänge sehen und lokal handeln sollte das Leitmotiv sein, denn die Herausforderungen für unseren Planeten sind enorm. Wenn wir die Treibhausgasemissionen in den Industrieländern deutlich reduzieren und nachhaltige Alternativen zur Anpassung an die Umweltauswirkungen für die Länder des Globalen Südens umsetzen, werden wir einen großen Sprung nach vorn gemacht haben.
Unsere Aufgabe auf lokaler Ebene ist es, weiterhin im Dienste der Gemeinden und Ökosysteme zu arbeiten, und auf internationaler Ebene sollten wir nie aufhören, solidarische Handlungen für den globalen Frieden zu setzen.
(März 2024)
CHRISTIAN FACCHETTI | Präsident Naturfreunde Italien (GIAN)
Christian, herzlichen Glückwunsch zur erneuten Wahl zum Präsidenten der Naturfreunde Italien. Würdest du dich bitte kurz vorstellen?
Ich liebe die Berge, reise und wandere gerne. Seit meiner Kindheit fühle ich mich sehr zu allen Aspekten der Natur hingezogen und zu der Frage, wie man sie wirklich erleben kann. Dies führte zu einem starken Interesse an indigenen Völkern, zu denen ich einige Reisen unternommen habe, um ihren Ansatz zur Erhaltung der Natur besser zu verstehen.
Du bist schon lange bei den Naturfreunden aktiv. Was hat dich dazu bewogen, bei den Naturfreunden mitzumachen, und was motiviert dich?
Ich bin seit 1996 Mitglied bei den italienischen Naturfreunden. Am Anfang hat mich die Möglichkeit gereizt, meine Freizeit an sehr schönen Orten in den Bergen zu verbringen, zu reisen und jedes Mal neue Leute kennenzulernen. Nach ein paar Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich etwas tun sollte, um den nächsten Generationen die gleichen Möglichkeiten zu bieten, die ich hatte ... So wurde ich ein immer aktiveres Mitglied, bis mir 2014 die Präsidentschaft des italienischen Verbandes übertragen wurde. Was mich motiviert hat und weiterhin motiviert, ist die Möglichkeit, durch unsere Bewegung Widerstand zu leisten und gegen ein kapitalistisches System zu kämpfen, das Ungerechtigkeit und soziale Spaltung fördert und glaubt, dass die Natur nur eine Quelle von Ressourcen ist, die so weit wie möglich ausgebeutet werden muss.
Die Naturfreunde Italien sind eine der aktivsten Naturfreunde-Organisationen, wenn es um spezifische Themen wie Gewässerschutz oder Solidarität mit anderen Organisationen, wie den bosnischen Naturfreunden, geht. Was sind die Prioritäten Ihrer Organisation für die nahe Zukunft?
“Srebrenica – City of Hope“ ist ein romantisches Projekt, das von Jahr zu Jahr konkreter wird. Den Anstoß gab ein Mann – Irvin Mujcic –, der den Ruf seines missbrauchten Landes spürte und beschloss, sich um es zu kümmern. Es wurde bereits viel getan, aber es bleibt noch viel zu tun, und GIAN wird dieses Projekt auch weiterhin unterstützen.
Gleichzeitig werden wir in den nächsten zwei Jahren einen Großteil unserer Energien auf den Wasserschutz konzentrieren, da unsere lokalen Gruppen in diesem Bereich sehr aktiv geworden sind: Vor kurzem haben wir eine sehr interessante und fruchtbare Zusammenarbeit mit der lokalen Naturfreund-Gruppe aus der Steiermark in Österreich begonnen, die zur Finanzierung eines Erasmus+-Projekts mit einem dritten portugiesischen Partner geführt hat.
Die Naturfreunde-Klimafonds-Vision für 2030, die eine Spende von 1 Euro pro europäischem Mitglied und Jahr an den Naturfreunde-Klimafonds vorsieht, wurde bereits von den Naturfreunden Italien übernommen. Was ist eure Motivation dahinter und wie kann die NFI andere Naturfreunde-Gruppen und nationale Organisationen besser motivieren, dem Thema eine höhere Priorität auf ihrer Agenda zu geben?
Ich finde den NFI-Klimafonds wirklich großartig!! Im Laufe der Jahre hat der Klimafonds viele sehr nützliche Projekte zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels finanziert. Er ist nicht nur eine konkrete Antwort, die unsere Bewegung auf die Krise unserer Zeit geben kann. Wenn man sich anschaut, wie Projekte ausgewählt, überwacht und entwickelt werden, er ist er auch eine Erfolgsgeschichte darüber, wie mit einem klugen Einsatz von wenig Geld, mit der Konzentration auf intelligente Ideen und die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften tolle Ergebnisse erzielt werden können. Und das ist wesentlich, um das Ziel zu erreichen. GIAN wird den Klimafonds ab 2024 mit einem jährlichen Beitrag von 1 Euro pro Mitglied unterstützen: Wenn wir jetzt nicht anfangen ... wann dann?
Die Naturfreunde Italien sind auch sehr aktiv bei der Initiierung verschiedener Austauschdialoge und grenzüberschreitender Workshops zu gemeinsamen Themen, wie zum Beispiel mit den Naturfreunden Österreich. Hast du Ideen, wie die NFI die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gruppen, den Erfahrungsaustausch und gemeinsame Kampagnen wie die Global Naturefriends Days besser fördern und unterstützen könnte?
Ich denke, es ist wichtig, gemeinsame Themen zu identifizieren, zu denen sich lokale Gruppen verschiedener Verbände treffen wollen und können, um Wissen, Konzepte oder Erfahrungen auszutauschen. Für die Naturfreunde Italien war es der Schutz des Wassers als Gemeingut, der uns dazu veranlasste, Partner zu suchen, mit denen wir eine informelle Arbeitsgruppe zur Förderung von Kooperationen und Projekten gegründet haben.
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für die weltweite Naturfreundebewegung und die Naturfreunde Italien in den nächsten 10 Jahren?
Die größte Herausforderung, vor der wir stehen, ist sicherlich die Anpassung an den Klimawandel. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die großen außereuropäischen Ökosysteme (insbesondere die Regenwälder) durch die unkontrollierte Ausbeutung ihrer enormen Ressourcen zur Befriedigung des europäischen Konsums zu verschwinden drohen, während wir uns für den Aufbau eines nachhaltigeren Europas einsetzen.
(Februar 2024)
ANDREAS SCHIEDER | Vorsitzender der Naturfreunde Österreich
Andreas, du wurdest mit 100 % der Delegiertenstimmen beim NFÖ-Kongress im Juni 2023 als Vorsitzender der Naturfreunde Österreich wiedergewählt. Herzlichen Glückwunsch! Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was motiviert dich besonders für deine Tätigkeit?
Ich bin schon seit langer Zeit Mitglied der Naturfreunde (seit 2001) und schätze das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Naturfreundefamilie sehr. Mit anderen Gleichgesinnten, mit Freundinnen und Freunden und mit meiner Familie in der Natur unterwegs zu sein, zu Fuß, auf dem Rad oder auf Skiern – für mich gibt es keine schönere Freizeitbeschäftigung. Faszinierend und motivierend für meine ehrenamtliche Arbeit als Vorsitzender der Naturfreunde empfinde ich, dass durch das Wirken des Vereins die alpine Infrastruktur geschaffen und erhalten wird, damit möglichst viele Menschen die Natur in Gemeinschaft erleben können.
Die Naturfreunde Österreich sind mit mehr als 160.000 Mitgliedern die größte Mitgliedsorganisation der Naturfreunde Internationale. Wo siehst du eure Stärken und Herausforderungen für die zukünftige Arbeit?
Wie gesagt, die Naturfreunde wollen das gemeinschaftliche Erleben der Natur möglich machen. Dafür erhalten wir die notwendige alpine Infrastruktur (Schutzhütten und Wanderwege) und betreuen diese auch in meist ehrenamtlicher Arbeit. Außerdem steht der Sicherheitsgedanke in der Organisation an erster Stelle. Daher bietet die Naturfreunde-Akademie Kurse und Ausbildungen für mehr Sicherheit am Berg an und auch für viele nicht-alpine Sportarten.
Die größte Herausforderung in den nächsten Jahren wird die Auseinandersetzung um den Erhalt unserer natürlichen Lebensräume, die vom Klimawandel genauso wie von der Übernutzung durch Massentourismus und Landwirtschaft bedroht sind. Wo es keine intakte Natur mehr gibt, müssen wir auch nicht mehr über den Zugang und das Recht zur Nutzung reden.
Viele Menschen denken bei den Naturfreunden ausschließlich an eine Freizeit- und Wanderorganisation. Für die nationalen Verbände der Naturfreunde hat die politische Arbeit einen unterschiedlichen Stellenwert, die Themen reichen von Friedens- und Sozialpolitik bis hin zum freien Zugang zur Natur. Was sind Deine Schwerpunkte für die politische Arbeit der Naturfreunde Österreich?
Seit dem Bestehen der Naturfreunde Österreich, also seit 1895, geht es uns darum, jedem und jeder den Zugang zur Natur als Erholungszweck zu ermöglichen. So etwas gibt es in Österreich erst seit 1975, seitdem ist im Forstgesetz der Zugang für jeden und jede in einem Gesetz niedergeschrieben. Leider wird der freie Zugang zur Natur in vielfältiger Weise behindert. Liebhaber*innen der Natur treffen immer häufiger auf „Betreten verboten!“-Schilder. Nicht selten fallen auch hohe Parkplatzgebühren an, um überhaupt in den Wald zu gelangen. Auch das Sammeln von Pilzen steht immer wieder zur Diskussion. Der freie Zugang zu Seen ist ebenfalls vielfach im wahrsten Sinne des Worts verbaut. Daher ist es die Aufgabe der Naturfreunde, für dieses Recht weiterhin zu kämpfen und immer wieder aufzuzeigen, dass es Problemfelder gibt – ganz aktuell läuft die Kampagne „Berg frei!“ zum Thema Wegerecht und Betretungsrecht.
Neben dem Wege- und Betretungsrecht ist natürlich der Umweltschutz ein wichtiger Aspekt der Arbeit der Naturfreunde. Skigebietserweiterungen waren in den letzten Jahren immer wieder medial groß diskutiert. Die Naturfreunde Österreich haben sich hier klar als Umweltschutzorganisation und Hüterin schützenswerter Gebiete positioniert. Außerdem versuchen wir Antworten auf wichtige Fragen, wie zum Umgang mit neuen Energiequellen, zu Lenkungskonzepten, zur Verbauung der Natur usw. auszuarbeiten und in die Diskussion einzubringen.
„Klimagerecht in die Zukunft“ war das Motto des XXV. Kongresses der Naturfreunde Internationale am 7. Oktober 2023 in Spital am Pyhrn. Die Ideale der Bewegung wie die internationale Solidarität zu fördern und einen konkreten Beitrag – zum Beispiel mit dem Naturfreunde Klimafonds – dazu zu leisten, sind zentrale Ziele der internationalen Arbeit der Naturfreunde. Wie wichtig ist deiner Meinung nach das internationale Engagement für eine Bewegung wie die Naturfreunde?
Gegen die Klimakrise hilft nur internationale Kooperation, kein Land kann alleine etwas dagegen ausrichten. Gleichzeitig sind auch die Verantwortung und die Möglichkeiten und Ressourcen, etwas dagegen zu tun, extrem ungleich verteilt. Der Globale Norden verursacht ein Zig-faches an Emissionen und im Globalen Süden sind die Folgen vielfach mehr zu spüren. Allein deshalb ist es unsere Pflicht, uns auch international zu vernetzen und gemeinsam Antworten und Lösungsvorschläge zu erarbeiten und dann auch umzusetzen. Die Naturfreunde Internationale geht hier mit gutem Beispiel voran mit dem angesprochenen Klimafonds, mit Baumpflanzaktionen in Afrika oder mit Vorschlägen für einen nachhaltigen Tourismus.
Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt sind zentrale Herausforderungen für die EU-Politik, an der du als Mitglied des Europäischen Parlaments mitwirkst. Während diese Themen zu Beginn der aktuellen Regierungsperiode hohe Priorität hatten und der europäische Green Deal engagiert vorangetrieben wurde, scheint dieses Engagement nun angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine wieder zu verpuffen. Was ist deiner Meinung nach nötig, um zu einer engagierten europäischen Klima-, Umwelt- und Naturschutzpolitik zurückzukehren?
Man sieht jetzt eben deutlich, für wen der Schutz unserer Natur ein wirkliches Anliegen ist, und für wen es von Beginn an ein reines Lippenbekenntnis war. Die nächsten Jahre werden entscheidend, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Dafür brauchen wir die politischen Mehrheiten und deswegen hoffe ich, dass sich möglichst viele bei den kommenden Europawahlen für Parteien entscheiden, die sich wirklich für unsere Natur und unseren Planeten stark machen. Und viele Menschen engagieren sich nicht nur bei Wahlen, sondern das ganze Jahr über für den Natur- und Umweltschutz und für den Zugang zur Natur, zum Beispiel bei den Naturfreunden Österreich oder anderswo. Und auch das ist ein starkes Zeichen an die Politik, ernst zu machen mit dem Kampf gegen den Klimawandel.
Jänner 2024
RON MANUEL-BENEKER | Geschäftsführer von Nivon (Naturfreunde Niederlande)
Ron, stell dich bitte kurz vor!
Ich bin Ron Manuel-Beneker, verheiratet mit Marja Beneker-Manuel. Wir sind beide in Amsterdam geboren und aufgewachsen, haben zwei Töchter und einen Sohn und leben jetzt auf dem Lande. Nach einer Ausbildung im Finanz- und Rechnungswesen arbeite ich seit 10 Jahren als Controller/Schatzmeister und Geschäftsführer von Nivon.
Wie bis du zu den Naturfreunden gekommen und was waren und sind deine persönlichen Gründe für dein Engagement? Was sind deine Visionen für die Zukunft der Naturfreunde-Bewegung?
Ich bin 2013 zu Nivon gekommen, als ich auf der Suche nach einer anderen Arbeitsstelle war. Zu dieser Zeit war ich Geschäftsführer einer sozialen Wohnungsbaugesellschaft in der Nähe von Amsterdam. Mit meinem Wissen über Immobilien und Finanzen war es wirklich ein kleiner Schritt.
Mein größtes Ziel war es, alle Sozialwohnungen des Vereins nachhaltig zu gestalten. Das Ziel ist immer noch dasselbe, nur die Art der Immobilien hat sich geändert. Ich glaube, dass Nivon noch eine große Zukunft hat, wir können etwas bewirken. Wir können Menschen mit unseren Wanderungen, Naturfreundehäusern und Campingplätzen usw. verbinden, und das alles bei minimalen Kosten.
Euer Team ist klein und es gibt auch viele Freiwillige. Was sind aus deiner Sicht die Gründe und Vorteile dieses Systems? Und welche Herausforderungen bringt es mit sich?
Das Nivon-Sekretariat (Hauptbüro) unterstützt unsere 3.000 Freiwilligen, die sämtliche von Nivon geplanten Aktivitäten durchführen. Das Hauptbüro führt selbst keine Aktivitäten durch. Ein großer Vorteil dieses Systems ist, dass die Kosten niedrig bleiben können, so dass die Teilnehmer/Nivon-Mitglieder nichts dafür bezahlen müssen.
Frauen in Führungspositionen sind im Naturfreunde-Netzwerk immer noch in der Minderheit. Was ist deiner Meinung nach notwendig, um überholte Denkweisen zu ändern und Frauen eine stärkere Stimme bei den Naturfreunden zu geben, sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene?
Bei Nivon ist es meiner Meinung nach schon lange gelungen, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Die Präsidentin unseres Vorstands ist eine Frau (Mieke Minkes) und auch eine meiner Vorgängerinnen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in unseren Ortsgruppen und Arbeitsgruppen ist 50/50, es sind also keine zusätzlichen Anstrengungen erforderlich. Setzen wir einfach unsere gute Arbeit fort.
Der Kampf gegen den Klimawandel und der Beitrag zur Klimagerechtigkeit gehören zu den Hauptthemen der internationalen Naturfreundebewegung, und viele nationale Verbände nehmen die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Aktivitäten bereits wahr. Wie gehst du mit diesem Thema um?
Es ist nicht schwierig, die SDGs (Sustainable Development Goals, UN-Nachhaltigkeitsziele) zu leben. Sie sind in unserer DNA, davon bin ich überzeugt!
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für Nivon und die weltweite Naturfreundebewegung in den nächsten zehn Jahren?
Unser Hauptziel für die nächsten zehn Jahre ist es, die Verbindung zu unseren Freiwilligen aufrechtzuerhalten, die das Rückgrat unserer Organisation sind und ohne die wir nicht existieren können. Sie verbreiten unsere Botschaft und machen die ganze Arbeit!
November 2023
HANNELE PÖLLÄ | Präsidentin von Suomen Retkeilyliitto ry (Naturfreunde Finnland)
Hannele, wir gratulieren dir zur Wahl zur Präsidentin von Suomen Retkeilyliitto ry im April 2023. Stell dich bitte kurz vor!
Ich bin 68 Jahre alt. Ich bin jetzt im Ruhestand und habe zuvor in verschiedenen Industrieunternehmen in den Bereichen Marketing, Kommunikation und Finanzberichterstattung gearbeitet. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder und einen Enkelsohn.
Was sind deine Ziele für die nächsten Jahre? Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben? Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen? Wie haben sich deine Aufgaben und Tätigkeitsbereiche verändert?
Ich möchte – zusammen mit meinen Kolleg*innen im Verband – eine lebendige, kommunikative Einheit aufbauen, zu der man leicht Zugang findet und die für neue Mitglieder attraktiv ist.
Mein Ziel ist es dabei auch, unsere Organisation bekannter zu machen, sodass wir mehr Einfluss auf Belange des Natur- und Umweltschutzes und der Outdoor-Aktivitäten haben können.
Was meinen Führungsstil betrifft, so möchte ich offen sein und Diskussionen und Beteiligung fördern. Gleichzeitig erwarte ich, dass die Dinge vorangehen und erledigt werden. Die größten Herausforderungen liegen in der Verwaltung unserer Finanzen und in unserer Fähigkeit, unsere Aktivitäten zu modernisieren. Zuvor war ich für die internationale Zusammenarbeit und die Kommunikation der Suomen Retkeilyliitto zuständig, nun leite und unterstütze ich die Entwicklung unseres gesamten Verbandes. Ich bin sehr gespannt darauf, was wir erreichen können.
Du hast dich viele Jahre für die Naturfreunde engagiert. Wie bist du zu den Naturfreunden gestoßen und was war deine persönliche Motivation für dein Engagement?
Ich habe mich bei den Naturfreunden engagiert, als Suomen Retkeilyliitto eine Person suchte, die die Beziehungen zur NFI koordiniert. Ich wollte ein sinnvolles Hobby haben, nachdem ich mich aus dem Berufsleben zurückgezogen hatte, und die Koordination der internationalen Zusammenarbeit war genau das Richtige zu dieser Zeit. Nachdem ich in multinationalen Unternehmen gearbeitet hatte, war es interessant, mit der NFI zusammenzuarbeiten, die in vielen Ländern tätig ist.
Welche Aspekte der internationalen Naturfreundearbeit findest du besonders wichtig? Magst du ein besonders schönes Erlebnis schildern?
Das Gemeinschaftsgefühl ist für mich sehr wichtig. Wir bei den internationalen Naturfreunden teilen dieselben Werte, und es war großartig zu sehen, wie sich Menschen in verschiedenen Ländern für gemeinsame Ziele einsetzen, obwohl das politische und kulturelle Umfeld unterschiedlich ist. Die unterstützende und freundliche Atmosphäre bei den Naturfreunden erstaunt mich jeden Tag aufs Neue. Für mich stehen die Natur und die Umwelt im Mittelpunkt, denn wir brauchen sie zum Leben und zur Erholung. Der Klimaschutz und eine nachhaltige Lebensweise sind eigentlich selbstverständlich, erfordern aber ständige Aufmerksamkeit. In Finnland ist Suomen Retkeilyliitto nicht so sehr in der Innenpolitik aktiv, aber wir geben unsere Meinung zu verschiedenen Entwicklungen – z.B. in der Forstwirtschaft – aus unserer Sicht als Trekkinggemeinschaft ab.
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für die Naturfreunde Finnland und die weltweite Naturfreundebewegung in den nächsten zehn Jahren?
In Finnland ist die Altersstruktur unserer Bewegung ein großes Problem. Es ist schwierig, junge Menschen zu gewinnen, die individuell wandern und ihre eigenen Communities online haben. Unsere Aktivitäten hängen von Freiwilligen ab, und es ist wichtig, den positiven Geist aufrechtzuerhalten und sie zu motivieren. In der weltweiten Naturfreunde-Bewegung könnte die Herausforderung darin bestehen, Aktionen und Aktivitäten zu konzipieren, bei denen verschiedene Mitgliedsorganisationen einfach und effektiv zusammenarbeiten können und dieselben Ziele und Anliegen verfolgen.
(September 2023)
MADELEINE MEIER & SEBASTIAN JAQUIÉRY | Co-Präsident*innen der Naturfreunde Schweiz
Erstmals in der bald 100-jährigen Geschichte der Naturfreunde Schweiz wird der Verband von einem Co-Präsidium geführt: von Madeleine Meier und Sebastian Jaquiéry. Im Interview sprechen die beiden über ihre Arbeitsschwerpunkte, über ihre Visionen und über Frauen in Führungspositionen.
Bitte stellt Euch kurz vor!
Madeleine: Mein Name ist Madeleine Meier, ich bin 67 Jahre alt und lebe mit meinem Partner in Luzern. Beruflich habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der kantonalen Verwaltung gearbeitet, war daneben auch politisch aktiv in der sozialdemokratischen Partei und als Mitglied des Stadtparlamentes von Luzern. Heute bin ich neben meinem verstärkten Engagement für die Naturfreunde einmal pro Woche als Freiwillige im Schreibdienst für Flüchtlinge tätig, diesen Sommer mache ich interessante Erfahrungen als Freiwillige im Friedhofscafé, das von befreundeten Theologinnen betrieben wird. Mir gefällt es, zusammen mit anderen etwas zu machen, sich gegenseitig anzuregen und es gut zu haben miteinander. Ansonsten interessiert mich die weite Welt und alles, was mit ihr zu tun hat.
Sebastian: Mein Name ist Sebastian Jaquiéry. Ich bin 40 Jahre alt, Vater von drei kleinen Kindern und seit 2016 im Vorstand der Naturfreunde Schweiz. Vor wenigen Tagen bin ich mit der Familie in Pristina, Kosovo, angekommen. Meine Frau Sarah hat hier eine Stelle für das Schweizer Außendepartement angetreten. Ich werde mich um den Haushalt kümmern und die Kinder beim Englischlernen unterstützen – sie gehen hier ab September in eine englischsprachige Schule. Daneben habe ich Zeit, um mich für die Naturfreunde einzusetzen.
Seit Juni 2023 steht Ihr gemeinsam an der Spitze der Naturfreunde Schweiz. Herzliche Gratulation! Wo seht Ihr Eure Stärken und zukünftigen Arbeitsschwerpunkte?
Madeleine: Gute Ideen gemeinsam weiterentwickeln und dadurch anreichern, sich in den Vorgehensweisen ergänzen und in der Umsetzung bestärken. Mir ist eine systematische Arbeitsweise wichtig, zudem bringe ich vielfältige berufliche und persönliche Erfahrungen ein. Etliche Arbeitsschwerpunkte purzeln gegenwärtig nur so auf uns nieder (auch selber angestoßene), da wird es nun wichtig sein zu priorisieren, dies mit Blick auf die finanziellen und personellen Ressourcen. Im Vordergrund steht derzeit eine Strategieentwicklung und daraus resultierende Projekte, es beschäftigten uns aber auch das Mitgliederwesen oder die Ausgestaltung der Aktivitäten.
Sebastian: Ich sehe mich als kreativen Kopf, der gerne neue Dinge anpackt. Zudem ist mir die Zusammenarbeit auf gemeinsame Ziele hin wichtig. Gemeinsam bewegt man immer mehr. Dieses Potenzial will ich auch für die Naturfreunde Schweiz freisetzen – dass wir uns im Verband neue, gemeinsame Ziele setzen und gemeinsam darauf hinarbeiten.
Wie seid Ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen? Und was sind Eure Visionen für die Zukunft der Naturfreunde-Bewegung?
Madeleine: Mit den Naturfreunden bin vor etwa 30 Jahren in Kontakt gekommen. Dass sie aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind, war für mich ein wesentlicher Grund für den Beitritt. Jetzt geht es darum, der Naturfreunde-Bewegung eine noch stärkere Stimme im Umwelt- und Klimaschutz zu verleihen. Es ist allgemein bekannt, dass die Gestaltung der Freizeit ein wesentlicher Faktor in Bezug auf die Umweltbelastung darstellt. Die Naturfreunde bieten attraktive und umweltschonende Alternativen. Mit ihrem Weiterbildungsangebot können sie dazu beitragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen, damit dann auch Taten folgen.
Sebastian: Mein Engagement für die Naturfreunde begann 2016 mit einem Zivildienst-Einsatz. Hier entdeckte ich eine spannende Organisation mit einer großen Vergangenheit, die in der Schweiz aber kaum mehr in der Öffentlichkeit sichtbar war. Das wollte ich unbedingt ändern. Seither arbeite ich als Mitglied des nationalen Vorstands darauf hin, dass die Naturfreunde Schweiz auf allen Ebenen wieder mehr wahrgenommen werden. Wenn ich mir die Herausforderungen unserer Zeit vor Augen führe, sehe ich da ein großes Potenzial für unsere Bewegung: Wir müssen den Zusammenhalt fördern und uns den Fliehkräften entgegenstellen, die unsere Gesellschaften spalten wollen. Nur mit vereinten Kräften gelingt es, globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu stoppen. Zudem können die Naturfreunde vorleben, dass man auch mit weniger Dingen glücklich sein kann – vielleicht glücklicher als in unserer heutigen Überflussgesellschaft.
Frauen in Führungspositionen sind bei den Naturfreunden nach wie vor in der Minderheit. Was braucht es Eurer Meinung nach, um überholte Denkmuster zu verändern und Frauen eine stärkere Stimme bei den Naturfreunden zu geben, sowohl national als auch lokal?
Madeleine: Bei den Naturfreunden Schweiz sind die Frauen in den Sektionspräsidien ganz klar in der Minderheit (33%), hingegen nähern sie sich bei den Sektionsvorständen der Parität an (46%). Der nationale Vorstand wird von einem Drittel Frauen besetzt. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Frauenanteil auf beiden Ebenen erhöhen können, indem wir bei Neubesetzungen von Leitungsgremien konsequent auf Frauen setzen, bis das Ziel erreicht ist (zum Beispiel ca. 50:50). Den Sektionen können wir das natürlich nicht aufdrängen, wir können aber bei jeder Gelegenheit sensibilisieren und mit gutem Beispiel vorangehen. Schließlich wäre auf Stufe der NFI zu überlegen, wie im Namen der Organisation die Naturfreundin aufscheinen könnte. Naturfreund*in? Naturfreundin/Naturfreund, anderes?
Sebastian: Das ist eine gute Frage, auf die ich gerade keine Antwort habe. Unmittelbar bin ich einfach sehr froh, dass in unserem Vorstand drei herausragende Frauen Einsitz haben – keine Selbstverständlichkeit angesichts des aktuellen Wettbewerbs um weibliche Talente.
Was sind Eurer Meinung nach die größten Herausforderungen in den nächsten 10 Jahren – für die Naturfreunde Schweiz und für die internationale Naturfreundebewegung?
Madeleine: Wie können die Naturfreunde/Naturfreundinnen die Bedürfnisse der Mitglieder und potenziellen Mitglieder mit einem schonenden Freizeitverhalten in Einklang bringen? Wie schaffen wir es, in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft die Freude an gemeinschaftlichen Aktivitäten und Erlebnissen nicht nur zu erhalten, sondern zu steigern? Gelingt es uns, diese Werte auch jüngeren Menschen zu vermitteln? Das sind spannende und anspruchsvolle Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen wollen.
Sebastian: Sich weiter zu erneuern, gemeinsame Ziele zu definieren und zu verfolgen und wieder zu wachsen. Aber wir schaffen das!
(Juli 2023)
JUAN GARCÍA DEL RÍO | Präsident von Esperanta Naturamikaro
Juan, bitte stell dich kurz vor!
Ich bin Juan García del Río, geboren vor 57 Jahren in Andalusien, wo ich auch heute noch lebe. Ich habe einen Abschluss in Rechtswissenschaften. Seit Langem gilt mein Interesse der Ökologie und dem Klimawandel.
Juan, wir gratulieren dir zur Wahl zum neuen Präsidenten von Esperanta Naturamikaro ! Was sind deine Ziele für die nächsten Jahre ?
Vielen Dank für die Glückwünsche ! Die Hauptziele unseres (staatlich anerkannten) Vereins werden sein, an Initiativen für nachhaltigen und solidarischen Tourismus teilzunehmen, unserer Stimme Gehör zu verschaffen (in Spanisch und Esperanto, das den Respekt für regionale Sprachen symbolisiert) und unsere Ideale zu verwirklichen.
Die Corona-Pandemie hat uns alle getroffen. Viele Mitgliedsverbände haben Probleme mit der Instandhaltung/Renovierung der Naturfreundehäuser und Corona hat zu einem Verlust von Einnahmen geführt. Wie hat Esperanta diese Zeit überstanden und das eigene Haus verwaltet?
Die Zeit war für alle sehr schwierig. Aber die Menschen haben verstanden, dass man anders leben muss, mehr im Einklang mit der Natur. Wir konnten uns besser arrangieren als andere und sogar expandieren, nicht nur in der Esperanto-Gemeinschaft.
Der Kampf gegen den Klimawandel und der Beitrag zur Klimagerechtigkeit gehören zu den Schlüsselthemen der internationalen Naturfreundebewegung und viele nationale Verbände nehmen bereits die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Aktivitäten wahr. Wie geht ihr mit diesem Thema um?
Zunächst muss das Bewusstsein der Menschheit angesprochen werden, nicht nur das der Regierungen. Und das wird möglich sein, wenn in der Weltwirtschaft eine minimalistische und auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Haltung akzeptiert wird.
Was werden deiner Meinung nach die größten Herausforderungen der nächsten zehn Jahre sein – für Esperanta und die internationale Naturfreundebewegung?
Es wird ein Bemühen um Kontinuität geben, das vor allem auf internationaler Ebene die Entwicklung vom Modell einer Parallelbewegung zu nationalen Arbeiterbewegungen hin zu einem Modell eines transnationalen und partizipativen Netzwerks berücksichtigen muss. Ein Netzwerk, das hilft, alternative Lebensstilmodelle zu verwirklichen: Das ist für Esperantosprachige klar, aber vielleicht sind wir auf der iberischen Halbinsel generell zu spät dran. Berg frei!
(Mai 2023)
MAMADOU SYLLA | Co-Vorsitzender IYNF
Mamadou, erzähle uns sein wenig von dir!
Ich komme aus dem Senegal und bin nun schon seit einigen Jahren Mitglied der Naturfreunde Senegal. Ich wurde in einem kleinen Dorf im Norden Senegals geboren, wo wir das Land bewirtschafteten, um uns zu ernähren. Ich wuchs in einer Großfamilie im afrikanischen Sinne auf, mit liebevollen Eltern und vielen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkeln, die immer da waren, um mich zu unterstützen. Sie können sich vorstellen, wie es in so einer Familie zugeht ...
Einige Jahre lang habe ich bei meinen Großeltern im Dorf gelebt, die mir so viel über das Leben und die Natur beigebracht haben. Bei uns wird Alter mit Weisheit in Verbindung gebracht; wenn jemand interessante Dinge sagt, wird er gefragt, ob seine Großeltern ihn erzogen haben. Ich hatte das Glück, bei meinen Großeltern aufzuwachsen und von ihrer immensen Weisheit und Liebe zu profitieren. Ich habe gelernt, das Land zu lieben und die Bedeutung der Gemeinschaft zu verstehen. Dank ihnen habe ich mein Engagement für die Gemeinschaft entwickelt, was einen Großteil dessen ausmacht, wer ich heute bin. Anschließend zog ich zu meinen Eltern nach Dakar, um dort meine Sekundarschulbildung fortzusetzen. Dort traf ich auf eine dynamische und leidenschaftliche Schulgemeinschaft – dort war ich auch zum ersten Mal bei Aktivitäten mit den Naturfreunden dabei, die sehr schnell zu einem Teil von mir geworden sind.
Ich habe eine große Leidenschaft für Sport, Musik und gute Literatur. Außerdem verbringe ich gerne Zeit mit meinen Freund*innen und meiner Familie und engagiere mich ehrenamtlich für Dinge, die mir am Herzen liegen. Manchmal habe ich, wie jede*r andere auch, das Bedürfnis, mir Zeit für mich zu nehmen, in der Natur Kraft zu tanken und die Sonne zu genießen, indem ich zum Beispiel sehr früh aufstehe und unter den Bäumen spaziere oder an den Strand gehe, um den Sonnenuntergang zu genießen. Ich bin von Natur aus sehr neugierig und liebe es, jeden Tag neue Dinge zu entdecken. Ich liebe es zu lernen, sei es durch das Lesen von Büchern, durch Gespräche mit anderen Menschen oder durch das Ausprobieren von Dingen, die ich noch nicht kenne. So viel zu mir …
Wie bist du mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen? Und was ist deine Vision für die Zukunft der Naturfreundebewegung?W
Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich von den Naturfreunden erfuhr. Es war mein bester Freund, ein echtes Vorbild an Engagement für mich, der mir von ASAN (Association Sénégalaise des Amis de la Nature, Naturfreunde Senegal) erzählte, als wir uns in der Universitätscafeteria zum Mittagessen anstellten. Er schlug mir vor, mich den Naturfreunden anzuschließen und ihnen beim Aufbau einer Naturfreunde-Gruppe an der Hochschule von St. Louis zu helfen. Ich war bereits in humanitären Organisationen aktiv – und sagte gleich zu. Es war eine weitere Gelegenheit für mich, mich mehr für unseren Planeten einzusetzen, neue Dinge zu lernen und engagierte Menschen zu treffen.
Und ich erinnere mich noch an meine erste Aktivität mit ASAN; es war ein Online-Austauschprogramm über nachhaltigen Tourismus zwischen Naturfreunden aus dem Senegal und – wenn ich mich richtig erinnere – aus Österreich. Wir tauschten uns während mehrerer Online-Sitzungen aus und teilten unsere Best Practices im Bereich Tourismus. Diese erste Erfahrung war für mich der Beginn eines großen Abenteuers. In der Folge nahm ich an zahlreichen Aufforstungskampagnen, internationalen Austauschprogrammen, Schulungen und anderen Programmen teil, die es mir ermöglichten, Erfahrungen zu sammeln und intellektuell und menschlich zu wachsen.
Auch unsere lokale Gruppe wuchs schnell und wir waren bald mit unserem Studium und unseren Umweltaktivitäten vollkommen ausgelastet. Aber das war nie eine Belastung für uns, denn wir hatten Spaß daran zu diskutieren, zu planen, zu koordinieren und zu versuchen, unsere Gesellschaft zu verändern. Und heute kann ich mit Stolz sagen, dass die Naturfreunde der Universität Gaston Berger eine der dynamischsten Natufreunde-Gruppen in Senegal sind.
Was die Zukunft der Naturfreundebewegung angeht, bin ich optimistisch. Immerhin haben wir mehr als ein Jahrhundert Geschichte, Kampf und positive Wirkung hinter uns. Heute sehe ich den Willen und das Engagement der Mitglieder der Bewegung, und das erfüllt mich mit Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten. Ich bin davon überzeugt, dass die Naturfreunde auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Erhaltung unserer Umwelt und unseres Zusammenlebens spielen werden. Dank unseres kollektiven Engagements und dem gemeinsamen Handeln können wir unseren Planeten für zukünftige Generationen erhalten.
Du bist der neu gewählte Co-Vorsitzende der Internationalen Naturfreundejugend IYNF. Was hat dich dazu bewogen, diese Verantwortung zu übernehmen? Was sind deine Ziele und welche Maßnahmen planst du für deine Amtszeit?
Die Wahl zum Co-Vorsitzenden der IYNF ist eine unglaubliche Ehre für mich und eine Gelegenheit, einer Organisation zu dienen, die eine so reiche Geschichte hat. Ich erinnere daran, dass die Naturfreunde auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken können und dass die IYNF seit über 43 Jahren besteht. Das ist so gewaltig, dass ich mich manchmal eingeschüchtert gefühlt habe. Dennoch bin ich entschlossen, diese Verantwortung mit Hingabe und Gewissenhaftigkeit zu übernehmen und eng mit meinen Kolleg*innen im Präsidium und im Sekretariat zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Ich habe mich schon immer für die Natur und den Schutz unserer Umwelt begeistert und bin davon überzeugt, dass wir alle eine Rolle bei der Erhaltung unseres Planeten spielen müssen. Ich habe nicht gezögert, diese Rolle zu übernehmen, denn es ist eine Gelegenheit, noch mehr zu einer Sache beizutragen, die mir sehr am Herzen liegt. Als die Naturfreunde Senegal mir vorschlugen, mich für den Vorsitz zu bewerben, habe ich nicht gezögert. Dass sie mich gewählt haben, ist ein Ausdruck für das Vertrauen, das sie mir persönlich und auch dem Engagement der ASAN für die Jugend entgegenbringen.
Ich habe bereits mit ehemaligen Präsidiumsmitgliedern bei verschiedenen Projekten zusammengearbeitet; die, die ich kenne, sind dynamische und inspirierende Menschen, und ihr Engagement und ihr Fachwissen ermutigen mich noch mehr. Auch meine Kolleg*innen im neuen Präsidium sind unglaublich erfahrene Menschen, was sich in ihren vielfältigen Werdegängen widerspiegelt. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam Großes erreichen werden, und ich freue mich darauf, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen. Das Sekretariat ist ebenfalls sehr kompetent und erfahren, und ich weiß, dass wir auf seine Unterstützung zählen können, damit wir erfolgreich sind. Ich bin nicht allein, so viel ist klar.
Mein Wunsch als Co-Vorsitzender ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsorganisationen der IYNF zu stärken, Ressourcen bereitzustellen und Schulungen anzubieten, die ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen. Ich möchte, dass alle Mitgliedsorganisationen von der Expertise dieses Netzwerks profitieren und ermutigt werden, gemeinsam an der Bewältigung der globalen Umweltherausforderungen zu arbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch eine enge und radikale Zusammenarbeit gemeinsam große Ziele erreichen können. Wir haben die großartige Möglichkeit, unser Wissen, unsere Erfahrungen und unsere Ressourcen zu teilen, um unsere gemeinsame Mission, unseren Planeten zu schützen, voranzutreiben. Ich bin davon überzeugt, dass wir, wenn wir strategisch und zielgerichtet zusammenarbeiten, bedeutende Veränderungen bewirken können. Es ist mir eine Ehre, Teil dieses Abenteuers zu sein.
Wie nehmen die Jugendlichen in deinem Land, in Senegal, den Klimawandel wahr und inwiefern sind sie davon betroffen? Empfinden sie eine Ungerechtigkeit aufgrund des Klimawandels? Gibt es spezielle Aktionen, an denen sie sich beteiligen?
Senegal ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Die Jugendlichen sind sich dessen bewusst, weil sie die Folgen tagtäglich zu spüren bekommen – wie die Überschwemmungen, die regelmäßig Stadtteile von Dakar und anderen Städten betreffen, wie die Küstenerosion vor allem in der Region Saint Louis, wie die Versalzung der Böden und die Dürre ... Deshalb setzen sich junge Senegales*innen immer wieder dafür ein, ihren Gemeinden auf vielfältige Weise zu helfen, sei es durch konkrete Aktionen, Aufklärungsarbeit oder unternehmerische Projekte. Junge Senegales*innen sind besorgt über den Klimawandel und engagieren sich auf allen Ebenen, sei es durch Aktivismus, Unternehmertum oder wissenschaftliche Forschung. Leider sind nicht alle in den Medien präsent. Vor allem aber sind die Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels nicht gerecht verteilt, weder finanziell noch technisch oder strukturell.
Ich sage es heute ganz offen: Wir befinden uns in einer politischen Konstellation, die es jungen Menschen nicht unbedingt erlaubt, ihre Wut über die Untätigkeit im Klimabereich zum Ausdruck zu bringen. Auch die Medien sind nicht unbedingt daran interessiert, die Botschaften der jungen senegalesischen Aktivist*innen zu verbreiten. Vielleicht ist das der Grund, warum wir keine international bekannte senegalesische Greta Thunberg haben. Für eine*n Aktivist*in aus einem Land im Globalen Norden ist es leichter, sich Gehör zu verschaffen als für eine*n Aktivist*in aus einem Land im Globalen Süden. Aber wir versuchen, die Dinge mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu ändern. Die senegalesische Jugend leistet heute einen enormen Beitrag zur globalen Klimabewegung. Man muss sich nur die Anzahl der Umweltorganisationen im Senegal ansehen und die Aktionen, die dort Tag für Tag stattfinden. Wir warten nicht darauf, dass man uns vor den Folgen des Klimawandels rettet, die wir täglich erleben. Wir stehen an vorderster Front des Kampfes, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene.
Du hast die NFI auf der COP 27 in Sharm el-Sheikh vertreten. Was hat das für dich bedeutet? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Die Ergebnisse der Konferenz waren eher enttäuschend. Hat dich das zu weiteren Aktivitäten motiviert? Mit welchen Projekten bist du "nach Hause" gekommen?
Wenn man bedenkt, wie schwierig es für junge Menschen, vor allem aus den Ländern des Südens, ist, Zugang zu internationalen Gremien zu erhalten, kann ich mich glücklich schätzen, dass ich an der COP 27 in Ägypten teilnehmen durfte. Dies war möglich dank der NFI, die mich nominiert hat, und der LDYC (Loss and Damage Youth Coalition), die meinen gesamten zweiwöchigen Aufenthalt finanziert hat. Es war sowohl bereichernd als auch anstrengend, hin- und hergerissen zwischen den Verhandlungen, den Veranstaltungen, den späten nächtlichen Briefings, den Last-Minute-Besprechungen und den Demonstrationen. Es war kein Zuckerschlecken, aber es war wichtig für mich, dabei zu sein und meine Stimme mit der von Tausenden junger Menschen zu erheben, um pragmatische und effektivere Entscheidungen zu fordern.
Leider fehlt es unseren Politiker*innen an Mut und politischem Willen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Alles wird nur halbherzig und in einem extrem langsamen Tempo erledigt. Der Klimawandel ist ein globaler Notfall, der auch als solcher behandelt werden muss. Wir haben die Lösungen, aber den führenden Politiker*innen fehlt der Wille. Als die Covid-Pandemie ausbrach, wurde alles getan, um sie einzudämmen. Bei der Ökologie wird leider alles halbherzig gemacht. Wir haben mehr als zwei Jahrzehnte gebraucht, um in Paris ein solides Abkommen zu erzielen, und heute stellen wir fest, dass wir vom 1,5-Grad-Ziel weit entfernt sind, einfach weil wir nicht das Richtige getan haben. Ebenso haben wir Jahrzehnte gebraucht, um ein Versprechen für einen Entschädigungsfonds für Verluste und Schäden durch den Klimawandel einzurichten – und wir werden noch für seine operationelle Umsetzung auf der COP 28 kämpfen müssen. Und leider könnte es noch Jahre dauern, bis die ersten Gelder aus dem Fonds bei den Opfern der Klimakrise ankommen. Währenddessen bereichern sich die Lobbys für fossile Brennstoffe nach wie vor auf Kosten der Bevölkerung. Überschwemmungen und Wirbelstürme zerstören weiterhin Häuser, Kulturen und wirtschaftliche Aktivitäten und fordern Tausende von Menschenleben.
Als Aktivist bin ich noch motivierter als je zuvor, mir Gehör zu verschaffen. Ich tue weiterhin das, was ich schon immer getan habe: Ich fordere von den Politiker*innen, dass sie dem Volk Rechenschaft ablegen und das tun, was für das Volk richtig ist.
Dank der Fridays-for-Future-Bewegung erheben immer mehr junge Menschen ihre Stimme und fordern verantwortungsbewusstes Handeln, sowohl von den politischen Entscheidungsträgern als auch von der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Dennoch passiert nicht viel, um den menschengemachten Klimawandel zu verlangsamen und unser Wirtschaftssystem in Richtung Nachhaltigkeit umzugestalten. Was muss getan werden, damit sich etwas ändert? Und wie können NGOs wie die Naturfreunde dazu beitragen?
Heute ist klar, dass wir auf allen Ebenen handeln müssen, sowohl individuell als auch kollektiv. Jede Person hat die Pflicht, ihre soziale Verantwortung zu hinterfragen. Wir müssen unsere Produktions- und Konsummuster ändern, den Sinn unseres täglichen Handelns hinterfragen und auf höchster Ebene unser kapitalistisches Wirtschaftsmodell reformieren, das auf Wachstum um jeden Preis ausgerichtet ist. Der Kapitalismus ist zerstörerisch und muss aufgegeben werden.
Bei ASAN haben wir schon früh erkannt, wie wichtig es ist, junge Menschen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Wir haben zahlreiche Programme für Schüler*innen entwickelt, um sie zu informieren und zu sensibilisieren, da der senegalesische Bildungsplan ökologische Probleme nur am Rande behandelt. Außerdem arbeiteten wir mit Älteren an Programmen zur Pflanzung von Obstbäumen, um zu zeigen, dass es möglich ist, die Lebensmittel, die wir konsumieren, verantwortungsvoller auszuwählen und anzubauen.
Was wir brauchen, ist eine Synergie der individuellen und kollektiven Kräfte. Heute spielen NGOs wie die Naturfreunde eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Welt. Sie agieren auf verschiedenen Ebenen, bei der Bewusstseinsbildung, beim Aufbau von Kapazitäten, um uns beim ökologischen Wandel zu unterstützen, beim Aktivismus und bei der wissenschaftlichen Forschung. Jede*r hat eine wichtige Rolle zu spielen. Es ist wie eine Kette, in der jedes Glied wichtig ist, kein Glied darf schwächeln.
(April 2023)
JANA CIVANOVA | Präsidentin OTI Slovakia
Jana, würdest du dich bitte vorstellen!
Ich komme aus Nitra, dem Geburtsort von OTI (Outdoor Training and Inclusion). Als Grundschullehrerin engagiere ich mich im Rahmen meiner Arbeit für die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Ich bin eine große Hundeliebhaberin und organisiere auch einen Club für Kinder nach der Schule, in dem sie mit unseren pelzigen Hundefreunden interagieren können!
OTI SLOVAKIA wurde bei der Jahreskonferenz am 15. Oktober 2022 als Partnerorganisation der NFI aufgenommen. Wie seid ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen und was war eure Motivation, dem internationalen Netzwerk der Naturfreunde beizutreten?
Auf der Suche nach Berghütten in Österreich für ein schönes Wanderwochenende für unsere Mitglieder haben wir das unglaubliche internationale Netzwerk der Naturfreunde entdeckt. Unsere gemeinsamen Werte und Ziele haben uns dazu inspiriert, unsere Leidenschaft weiter zu verfolgen und uns dieser bemerkenswerten Gemeinschaft anzuschließen!
Was bedeutet es für euch – als eine der jüngsten und kleinsten Mitgliedsorganisationen der NFI –, Teil der internationalen Naturfreundebewegung zu sein? Wie werden die traditionellen Werte der Naturfreunde von euren Mitgliedern wahrgenommen? Wie beteiligt ihr euch am internationalen Netzwerk und was sind eure Erwartungen?
Bei OTI gehen wir über herkömmliche Wanderabenteuer hinaus und kombinieren sie mit erkenntnisreichen Erfahrungen und Erlebnissen, um das Verständnis der Teilnehmer*innen für wichtige Themen wie den Klimawandel, den Verlust der Artenvielfalt und den nachhaltigen Tourismus zu stärken. Während wir das reiche Kultur- und Naturerbe der Slowakei erkunden, werden wir uns auch mit umweltfreundlichen Praktiken auseinandersetzen. Darüber hinaus genießen unsere Mitglieder den Vorteil, im Rahmen des renommierten Programms Erasmus+ Sport an internationalen Schulungen teilnehmen zu können.
Apropos Erasmus: OTI SLOVAKIA hat bisher an mehreren EU-Erasmus+-Projekten teilgenommen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht und welche Perspektiven seht ihr für die zukünftige Zusammenarbeit mit Organisationen im Naturfreunde-Netzwerk?
Wir sind immer auf der Suche nach spannenden Möglichkeiten, unsere Jugend einzubinden und zu stärken. Deshalb haben wir die Erasmus+-Mobilitätsprogramme genutzt, um in der atemberaubenden Niederen Tatra neue Abenteuer zu erleben – letztes Jahr waren beispielsweise digitale Kräuterwanderungen und Azimutberechnungen der Hit! Unsere Leidenschaft für die Verbindung von nicht-formalen Aktivitäten mit Sport im Freien hat uns sogar dazu gebracht, internationale Sommercamps zu veranstalten, bei denen wir mit traditionellen Spielen und Tänzen dem Bewegungsmangel in unserem Alltag den Kampf ansagen!
In diesem Jahr werden wir in diesem Sinn weiterarbeiten. Wir werden uns auf die Sicherheit in den Bergen konzentrieren und insbesondere unsere weiblichen Mitglieder motivieren, ihren Erfahrungshorizont zu erweitern, indem wir sie ins Klettern einführen. Wir möchten andere NFI-Mitglieder ermutigen, jede Gelegenheit zu ergreifen, die sich ihnen bietet, insbesondere im Rahmen des belebenden Erasmus+ Sportprogramms.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft, in das Jahr 2033: Wo siehst du OTI SLOVAKIA in zehn Jahren? Was sind die Prioritäten eurer Organisation? Was ist deine Vision, was reizt dich und welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen?
Im Jahr 2023 wurde unsere Mission zur Verbesserung der slowakischen Wanderwege gestartet! Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der das Markieren von Wanderwegen eine äußerst beliebte Freiwilligentätigkeit unter Jugendlichen ist. Als Teil dieses Ziels streben wir in den nächsten zehn Jahren an, mindestens 20 zertifizierte Bergführer*innen ausgebildet zu haben – und damit mehr Menschen in die Natur zu bringen, indem sie die Natur erkunden und dort Abenteuer erleben können.
(März 2023)
Doris Banspach | Leiterin der Fachgruppe International der Naturfreunde Deutschlands
Doris Banspach engagiert sich seit vielen Jahren im Rahmen partnerschaftlicher Initiativen mit Naturfreunde-Organisationen aus dem Globalen Süden. Im Gespräch erzählt sie über die Gründe für ihr Engagement, ihre Prioritäten und ihre Visionen.
Doris, du bist seit vielen Jahren für die Naturfreunde aktiv. Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was waren und sind deine persönlichen Beweggründe für deinen so engagierten Einsatz?
Ich bin als 18-Jährige auf eine Gruppe von engagierten Menschen getroffen, die in unterschiedlichen Organisationen oder Verbänden schon verankert waren: Natur- und Umweltschutzbewegungen, Gewerkschaften, Dritte-Welt-Initiativen. Bei Wanderungen zu Naturfreundehäusern ist uns die Satzung der Naturfreunde in die Hände gefallen und wir haben festgestellt, dass in diesem Verband alle unsere unterschiedlichen Interessen und Themen verankert sind. So gründeten wir eine Ortsgruppe und haben uns von Anfang an vor allem mit lokalem Natur- und Umweltschutz (Heckenpflanzungen, Amphibienschutz, Nistkästen) und mit globalen Themen beschäftigt. Es war die Zeit der Apartheid in Südafrika, der Bürgerrechtsbewegungen in Mittelamerika. Über eine Freundschaftsinitiative in El Salvador hatten wir die Möglichkeit, direkt mit den Menschen dort in Kontakt zu treten. Dadurch entwickelte sich mein Interesse und mein Engagement für die Länder des globalen Südens.
Welche Themen liegen dir bei der internationalen Naturfreundearbeit besonders am Herzen? Gibt es eine besonders schöne Erfahrung, die du mit uns teilen möchtest?
Die Vernetzung auf internationaler Ebene bietet für die europäischen Naturfreund*innen die unglaublich tolle Chance, den Blick über das eigene Umfeld hinaus zu richten. Die Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in den Ländern des Globalen Südens bietet dann gleichzeitig auch die Möglichkeit, die eigene Lebenswirklichkeit zu hinterfragen, das eigene Handeln einzuordnen im Zusammenhang mit einem Beitrag zu einer gerechteren Welt. Die schönsten Erlebnisse hatte ich immer wieder durch die persönlichen Begegnungen, z.B. mit den Naturfreund*innen im Senegal, mit den jungen Menschen von Just Act in Gambia. Ich habe sehr viel mitgenommen, um die Situation in den Ländern des Globalen Südens besser zu verstehen, und ich habe gleichzeitig viel von den Menschen über ihre Kultur lernen können.
Klimagerechtigkeit ist ein zentrales Thema sowohl für eure Fachgruppe als auch für die NFI. Mit dem Naturfreunde Klimafonds (verlinken) bieten wir allen Naturfreund*innen die Möglichkeit, mit einer Spende Projekte der afrikanischen Naturfreunde zu ermöglichen, die einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit leisten und die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. Ein Beispiel sind die Obstbaumpflanzungen in Dörfern im Senegal und in Gambia, die du auch selbst im Rahmen von Naturfreunde-Reisen besucht hast. Was ist dein Eindruck von diesen Projekten?
Bei meinen ersten Reisen mit den Naturfreund*innen im Senegal standen oft Obstbaumpflanzungen im Vordergrund. Die Bäume wurden außerhalb der Dörfer gepflanzt. Die Naturfreund*innen im Senegal mussten dann die Erfahrung machen, dass die Bäume zu weit weg von den Lebensumgebungen der Menschen waren, dort nicht immer überlebten. Später entwickelte sich die Strategie, die Bäume direkt in der Nähe der Wohnhäuser der Menschen zu pflanzen, so dass diese Bäume besser betreut werden konnten und der direkte Nutzen für die Bewohner*innen greifbarer wurde. Dieses Konzept hat sich bewährt und dadurch, dass die senegalesischen Naturfreund*innen die Pflanzungen regelmäßig besuchen, entwickeln sie sich gut.
Wir sehen leider, dass es immer schwieriger wird, Mitglieder zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit zu bewegen. Viele sind sehr gerne bei unseren Aktivitäten mit dabei. Dennoch fällt der Schritt, sich selbst aktiv einzubringen, schwer, selbst wenn es nicht an den zeitlichen Ressourcen hakt. Was braucht es deiner Meinung nach, um unsere Mitglieder zu diesem Schritt zu motivieren?
Das eigene Handeln ist zunächst die beste Werbung, um Menschen anzusprechen, sie zu motivieren, sich zu engagieren. Gute Beispiele vorleben und den Menschen, die etwas tun möchten Wertschätzung entgegenbringen, sind dabei wichtige Aspekte.
Um mehr junge Menschen anzusprechen, sollten die Älteren den jungen Menschen immer wieder die Chance geben, ihre Ideen einzubringen. Die Alten müssen auch von den Jungen lernen wollen. Neugierig bleiben zu wollen, das sollte die Basis für alle Naturfreund*innen sein. Und das ist die Stärke der Naturfreund*innen: Die persönliche, wertschätzende Atmosphäre innerhalb der Gruppen bietet die wichtige Grundlage für nachhaltiges Engagement.
(Jänner 2023)
Claudia Mazzocco | Co-Leiterin der Naturfreunde Schweiz
Seit 1. Juli 2022 ist Claudia Mazzocco die neue Co-Leiterin der Naturfreunde Schweiz. Die bisherige stellvertretende Geschäftsleiterin, Verantwortliche für Marketing- und Kommunikation, wird so dem bisherigen Geschäftsleiter Ramon Casanovas gleichgestellt. Im Interview erzählt Claudia von ihren Vorstellungen und Plänen.
Frauen in Führungspositionen sind leider in vielen Naturfreundeorganisationen die Ausnahme. Die Naturfreunde Schweiz geben hier, wie zum Beispiel auch die NaturFreunde Deutschland, ein gutes Vorbild ab. Was braucht es deiner Meinung nach, um alte Denkmuster zu ändern und Frauen innerhalb der Naturfreunde eine stärkere Stimme zu verleihen – sowohl auf hauptamtlicher Ebene als auch innerhalb der Ortsgruppen?
Die Naturfreunde Schweiz verzeichnen schon heute einen Frauenanteil von 53% und 46% unserer Sektionen werden von Präsidentinnen geführt. Wie das in anderen Naturfreundeverbänden aussieht, kann ich nicht beurteilen. Solche Statistiken sind jedoch wichtig, um die Struktur des eigenen Verbandes zu kennen. Wenn vorwiegend Männer die Vorstände besetzen oder den Großteil der Mitgliedschaften ausmachen, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Frauen sind nebst ihren beruflichen Verpflichtungen öfters mit der Betreuungsarbeit von Kindern und Angehörigen beschäftigt. Gibt es Angebote für Mütter und ihre Kinder? Gibt es Funktionen, welche zeitlich beschränkt oder niederschwellig zu stemmen sind? Und werden Frauen in der visuellen und schriftlichen Kommunikation der Verbände und Sektionen auch persönlich angesprochen? Oder findet man auf den Werbemitteln und Webseiten nur Wanderer und Schneeschuhläufer abgebildet, und wird nach neuen Tourenleitern und Präsidenten gesucht? Potenzielle Präsidentinnen und Schneeschuhläuferinnen müssen erstmal eingeladen werden, um sie überhaupt für unsere Bewegung zu gewinnen.
Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben? Wo siehst du persönlich die größten Herausforderungen? Wie haben sich deine Aufgaben verändert?
Die Geschäftsstelle der Naturfreunde Schweiz ist ein kleines Team mit fünf Angestellten, welche unter sich insgesamt 3,4 Vollzeitäquivalente aufteilen. Daneben beschäftigen wir regelmässig ein bis zwei Zivildienstleistende, welche uns im Rahmen ihres Einsatzes jeweils für drei bis sechs Monate im IT- und Administrationsbereich unterstützen. Das erfordert von uns allen sehr viel Selbstständigkeit und Eigenverantwortung in unseren Aufgabenbereichen. Wir sind dabei stark aufeinander angewiesen und müssen uns aufeinander verlassen können. Das bedeutet auch, dass wir alle über unsere Kernbereiche hinaus mitdenken, unsere Inputs einbringen und einander bei diversen Aufgaben unterstützen müssen. Diese Kultur stellt hohe Anforderungen an uns alle, gibt uns aber auch große Freiheit in unserer Arbeitsgestaltung und die Chance, unsere Prozesse fortwährend anzupassen und auszubauen.
All unsere Verpflichtungen im Überblick zu behalten und mit knappen personellen und finanziellen Ressourcen den Bedürfnissen von über hundert Sektionen, siebzig Naturfreundehäusern und etlichen Partnerorganisationen sowie den Ansprüchen des Zentralvorstandes gerecht zu werden, sind eine wahre Challenge. Diese Herausforderung kennt jede Verbandsleitung. Aufgrund unserer vernetzten Arbeitsweise und der flachen Hierarchie hat sich in meiner persönlichen Arbeit nichts Grundlegendes verändert. Ich fühle mich jedoch mehr in die Pflicht genommen sicherzustellen, dass alles rund läuft.
Die Naturfreunde haben auf nationaler und regionaler Ebene sehr vielfältige Schwerpunkte. Viele Gruppen organisieren Aktivitäten für ihre Mitglieder und betreiben Naturfreundehäuser. Ein zentrales Thema ist auch die politische Arbeit für die Anliegen der Naturfreunde – von Natur- und Umweltschutz bis hin zum Einsatz für Frieden und Menschenrechte. Wo liegen deine persönlichen Prioritäten?
Mir ist es wichtig, die Werte der Naturfreunde-Bewegung nicht nur vermehrt nach außen zu tragen, sondern auch in unseren Sektionen und Häusern tiefer zu verankern. Die umweltpolitische Arbeit des Landesverbandes nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Wir stellen jedoch fest, dass die meisten unserer Sektionen überwiegend im Freizeitbereich aktiv und wenig politisch sind. Diese beiden Arme des Umweltengagements auf nationaler und der Gestaltung von Freizeitaktivitäten im Outdoorbereich auf lokaler Ebene zusammenzuführen, ist mir ein großes Anliegen.
Was werden deiner Einschätzung nach die größten Herausforderungen in den nächsten 10 Jahren sein – für die Naturfreunde Schweiz und für die internationale Naturfreunde-Bewegung?
Alle vier Jahre wird in der Schweiz der freiwillige Einsatz zum Wohl von Mensch, Gesellschaft und Umwelt mit einer landesweiten Befragung erforscht. Der Freiwilligen-Monitor Schweiz bringt in Erfahrung, warum sich Personen inmitten einer monetär geprägten Welt ohne Lohn fürs Gemeinwohl einsetzen und so den Zusammenhalt und die Lebendigkeit der Gesellschaft fördern. Der letzte Freiwilligen-Monitor erschien 2020 und stellt erstens fest, dass die Anzahl freiwillig engagierter Personen stabil bleibt und nicht, wie oftmals angenommen, rückläufig ist. Zweitens beschreibt der Bericht, dass wer sich freiwillig engagiert, mit anderen Menschen etwas unternehmen und bewegen, sich dabei weiterentwickeln und seine Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen und erweitern will. Gemeinsam Spaß zu haben und die Pflege sozialer Kontakte spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Wege steht insbesondere die Schwierigkeit, Beruf, Familie und Freiwilligentätigkeit unter einen Hut zu bringen. Neben der Zeitknappheit führen aber auch mangelnder Teamgeist, eine überhandnehmende Bürokratie oder fehlende Anerkennung zum Ausstieg.
Für unsere Bewegung ist es unabdingbar, unsere Strukturen und Angebote diesen Gegebenheiten anzupassen – nicht mangels Freiwilliger, sondern um für Freiwillige attraktiv zu bleiben. Fragen, welche wir uns stellen müssen, sind beispielsweise wie viele Personen zur Führung einer Sektion in einem Vorstand wirklich nötig sind, wie deren Sitzungen attraktiver gestaltet werden und wie wir projektbezogene Einsatzmöglichkeiten schaffen. Was für eine Kultur herrscht? Werden neue Ideen aufgenommen oder hält man am Status quo fest? Sind unsere Sektionsvorstände und ihre Vereine geschlossene Gesellschaften oder haben sie den Mut, die Gestaltung neuer Projekte an neu eingetretene Mitglieder abzugeben? Ohne diese Offenheit, sich auf neues einzulassen, werden wir es auf lange Sicht schwer haben, Menschen für das Engagement unserer Anliegen zu begeistern.
Ein wichtiges Ziel der internationalen Naturfreunde-Arbeit ist es, die Werte unserer Bewegung, wie zum Beispiel internationale Solidarität, erlebbar zu machen und einen aktiven Beitrag zu leisten, etwa mit dem Naturfreunde KlimaFonds oder auch mit der Landschaft des Jahres im Grenzgebiet von Senegal und Gambia. Wie wichtig ist aus deiner Sicht internationales Engagement für eine Bewegung wie die Naturfreunde? Und wie können wir gerade jetzt wirkungsvoll zu mehr (internationaler) Solidarität beitragen?
Der NFI KlimaFonds ist ein großartiges Tool, um unseren Mitgliedern nicht nur die daraus finanzierten internationalen Projekte der Naturfreunde bekannt zu machen, sondern auch um ihnen das Thema der Klimagerechtigkeit, der Solidarität zwischen Nord und Süd, näherzubringen. Ich sehe die Arbeit des KlimaFonds als zentral im Aufbau dieses Bewusstseins. Wir versuchen den KlimaFonds vermehrt in unsere Projekte einzubauen und unsere Mitglieder über dessen Aufgabe, Rolle und Wirkung zu informieren. Beispielsweise spenden wir während der Vorweihnachtszeit beim Kauf ausgewählter Produkte aus unserem Webshop jeweils 5 CHF an den KlimaFonds. Wir wollen so dem jährlichen Weihnachtskonsum etwas entgegenhalten – langlebige, wertige Produkte, von welchen nicht nur die Beschenkten, sondern über den KlimaFonds auch Menschen in anderen Lebenssituationen, welche direkt vom Klimawandel betroffen sind, profitieren.
(Oktober 2022)
François Septier | Präsident der Naturfreunde Frankreich
François Septier wurde im Juni 2022 beim Kongress in Evian-les-Bains zum Präsidenten der Naturfreunde Frankreich gewählt. Im Interview erzählt er von seinen Plänen und den Beitrag der Naturfreunde zu mehr Klimagerechtigkeit.
François, wir gratulieren dir zur Wahl zum Präsidenten der Naturfreunde Frankreich! Was sind deine Ziele für die nächsten Jahre?
Ich bin seit 9 Jahren Mitglied der Natufreunde: zunächst in Saint Dié des Vosges, im Fotoklub der Naturfreunde, dann bei den Naturfreunden Val d'Orbey, wo ich als Verantwortlicher für die Instandhaltung der Berghütte des Lac Noir (Schwarzer See) zusammen mit Freiwilligen und Unternehmen die Anpassung an die Normen sowie die Verbesserung der Dienstleistungen und der Räumlichkeiten unserer Berghütte vorangetrieben habe.
Ich wurde auf dem Kongress in Evian im Mai 2022 zum Präsidenten gewählt und möchte meinen Beitrag zu einer gesunden Erneuerung unseres nationalen Verbandes im Dienste der Ortsgruppen sowie zur Stärkung unseres Engagements im Rahmen der NFI leisten.
Es erscheint mir besonders wichtig, unsere Bemühungen auf Folgendes zu konzentrieren:
- … auf die interne Kommunikation und die Verbindung zwischen der NFI, den NF Frankreich und den Ortsgruppen – damit sich jedes Mitglied bewusst wird, dass es einer Bewegung angehört, die über seine Ortsgruppe hinausgeht, und dass sein/ihr Mitgliedsbeitrag tatsächlich zur Umsetzung von Aktionen dient, die der Philosophie und der Werte unserer Bewegung entsprechen. Die Arbeit an diesem Bewusstsein muss natürlich auch über den nationalen Rahmen hinausgehen und insbesondere durch ein verstärktes Engagement innerhalb der NFI gefördert werden.
- … auf die externe Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit und auf Partnerschaften, um die Naturfreunde sichtbar zu machen.
- … auf die Entwicklung von Partnerschaften mit Akteuren, die in ähnlichen oder komplementären Bereichen tätig sind.
- … auf einem aktiven Mitwirken unserer Bewegung im Rahmen unserer Aktivitäten an einem respektvollen Umgang mit der Natur sowie am Schutz der natürlichen Umwelt und der Biodiversität.
Die Corona-Pandemie hat uns alle getroffen. Wie ist die Situation für die Naturfreunde Frankreich?
Die NF Frankreich hatten in den letzten Jahren mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber das vorherige Team hat versucht, die Verbindungen zur NFI aufrechtzuerhalten: Wir werden uns bemühen, unsere Präsenz und unsere Arbeit zu stärken. Es wird jedoch etwas Zeit brauchen, um unsere bundesweite Arbeit wieder in Gang zu bringen.
Die Naturfreunde Frankreich sind stark mit den Naturfreunden in Afrika verbunden – euer Engagement hat den Aufbau der Naturfreunde-Bewegung in Afrika maßgeblich unterstützt. Die Naturfreunde Frankreich engagieren sich in zahlreichen Projekten in Afrika und sind auch in der NFI-Arbeitsgruppe „Klimagerechtigkeit“ aktiv. Wie siehst du die Rolle und den Beitrag der Naturfreunde auf nationaler und internationaler Ebene zu mehr Klimagerechtigkeit und generell zu einer Transformation der Welt in Richtung Nachhaltigkeit (Agenda 2030)?
Wir haben das Projekt „Samen für unsere Insekten und Bäume für Afrika“ durchgeführt, wobei Betty Miclo die Aktion im Departement Haut Rhin leitete, die auf unserem Kongress in Evian 2022 in Anwesenheit von Manfred Pils, dem Präsidenten der NFI, vorgestellt wurde.
Diese (bescheidene) Operation schafft eine materielle und symbolische Verbindung zwischen unserem lokalen Engagement und dem internationalen Engagement der Bewegung. Wir würden uns freuen, wenn wir bei der Jahreskonferenz im Oktober ein paar Worte zu dieser Aktion sagen und einen (ebenfalls bescheidenen) Scheck offiziell überreichen könnten.
(September 2022)
Martial Kouderin | Geschäftsführer Centre Régional de Recherche et d'Education pour un Développement Intégré (CREDI-ONG)
Das Centre Régional de Recherche et d'Education pour un Développement Intégré (CREDI-ONG, Regionales Forschungs- und Ausbildungszentrum für integrierte Entwicklung) ist seit über einem Jahrzehnt Partnerorganisation (C-Mitglied) der NFI. Wie seid ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen und was hat euch dazu bewogen, euch in unserer Bewegung zu engagieren? Und was bedeutet es für euch, Mitglied der internationalen Naturfreundebewegung zu sein?
Bei unseren Recherchen über internationale Organisationen und Vereinigungen, die sich für Naturschutz und nachhaltiges Ressourcenmanagement einsetzen, sind wir im Internet auf die Naturfreunde Internationale (NFI) gestoßen.
Die Vision von CREDI-ONG besteht darin, sich für eine grünere und blauere Welt einzusetzen, in der die Menschen in Harmonie mit der Natur leben.
Vor dem Hintergrund unserer damaligen Initiative zum gemeinschaftlichen Ressourcenmanagement unter dem Titel „La vallée du Sitatunga“ („Sitatunga-Tal“) im Süden Benins fanden wir, dass die Naturfreunde-Bewegung es uns ermöglichen könnte, mit Organisationen in Kontakt zu treten, die sich für ähnliche Ziele einsetzen. Dabei wollten wir nicht nur von euren Erfahrungen lernen, sondern auch und vor allem unsere eigenen teilen.
Mitglied der NFI zu sein, bedeutet für uns, zu verstehen, dass die Lösungen für viele der größten Probleme unserer Zeit in der Natur zu finden sind und dass wir uns dafür einsetzen müssen, diese um jeden Preis zu schützen. Nur so können wir all das Positive, das sie bietet, ausschöpfen.
Wie hat sich eure Organisation in dieser Zeit entwickelt? Welche Projekte habt ihr durchgeführt und an welchen Projekten arbeitet ihr derzeit?
Zwei Jahre nach seiner Gründung im Jahr 2005 hat CREDI-ONG ein Projekt zur Schaffung eines gemeindeübergreifenden Naturparks mit dem Namen „La Vallée du Sitatunga“ initiiert. Dabei handelt es sich um eine Initiative zum gemeinschaftlichen Management natürlicher Ressourcen im Süden Benins mit dem Ziel, zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) beizutragen, das Benin 1992 ratifiziert hat. Dieses Projekt, das im Zusammenhang mit der neu gegründeten Aquakulturfarm für Experimente, Präsentationen und Schulungen für eine nachhaltige integrierte Landwirtschaft entstanden ist, hat mittlerweile die Oberhand über alle anderen Aktionen gewonnen und ist heute der Kristallisationspunkt unserer Arbeit.
Die Initiative „Sitatunga-Tal“ läuft kontinuierlich weiter und hat bereits einige wichtige Etappen durchlaufen. Sie nimmt uns angesichts der Tatsache, dass lokale und nationale politische Behörden in ihre Führung eingebunden sind und angesichts der damit verbundenen Herausforderungen, nach wie vor stark in Anspruch. Im vergangenen Jahr wurde in diesem Sinne ein Gemeindeverband gegründet, dessen Aktivitäten zur Entwicklung des Ökotourismus und zur Förderung Einkommen schaffender Maßnahmen für die örtliche Bevölkerung mehr als aktuell sind, weil sie auch den menschgemachten Druck auf die natürlichen Ressourcen deutlich verringern.
Ein Schwerpunkt unserer aktuellen Arbeit liegt auch bei der Umweltbildung für Jugendliche durch Austauschprogramme und Erlebnistouren. Es erscheint uns unerlässlich, uns für die Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung durch Projekte zur Entwicklung sozio-kommunaler Infrastrukturen einzusetzen, insbesondere für den Zugang zu Trinkwasser, für Verbesserungen im Schulwesen, die Förderung erneuerbarer Energien, die Abfallwirtschaft, für Empowerment der Frauen, ökologische Wiederherstellung von Ökosystemen usw.
Gehören die Förderung der Aquakultur und der Umweltschutz weiterhin zu euren Prioritäten? Wie seht ihr die Zukunft eurer Organisation. Was werden die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren sein?
Während die Förderung der Aquakultur aktuell in den Hintergrund gerückt ist, ist nun der Umweltschutz eher die Grundlage für die Aktionen von CREDI-ONG. Mit einer Fläche von über 80.000 ha bildet der gemeindeübergreifende Naturpark „Sitatunga-Tal“ das Hauptaktionsgebiet von CREDI-ONG. Für diesen Naturpark gibt es einen Raumordnungs- und Managementplan, der die großen Planungsachsen festlegt, um aus dieser Initiative ein "gemeindeübergreifendes Naturschutzmodell zu machen, das die Verbesserung des Zustands der natürlichen Ressourcen und die Nachhaltigkeit der Ökosystemdienstleistungen zum Wohle der Bevölkerung sicherstellt". Zu diesem Zweck soll daran gearbeitet werden, die Verwaltung des Parks zu stärken und die biologische Vielfalt und die Lebensräume zu erhalten, die natürlichen Ressourcen durch Tourismusentwicklung und Umwelterziehung in Wert zu setzen und gleichzeitig die Lebensbedingungen der vulnerablen Bevölkerungsschichten zu verbessern. Mit der Gründung des Gemeindeverbandes des Sitatunga-Tals positioniert sich CREDI-NGO nun als technische Struktur zur Begleitung der lokalen Gebietskörperschaften.
Mit seinem strategischen Plan 2019-2025 hat sich CREDI-ONG die schwierige, aber lobenswerte Aufgabe gestellt, einer Generation von Weltbürger*innen zum Aufstieg zu verhelfen, die in der Lage sind, innovative und lokale Lösungen für menschliche Entwicklung im Einklang mit der Natur zu planen und umzusetzen.
(April 2022)
Péniel Ngaba Kazou | Präsident von Centrafrique Action Verte Plus (Zentralafrikanische Republik)
Péniel, eure Organisation wurde bei der Jahreskonferenz der Naturfreunde Internationale am 23. Oktober 2021 als C-Mitglied (Partnerorganisation) aufgenommen. Wie seid ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen und was war eure Motivation, dem internationalen Netzwerk der Naturfreunde beizutreten?
Tatsächlich haben wir am 11. Februar 2021 über die Naturfreunde Frankreich Kontakt mit dem Netzwerk der Naturfreunde Internationale aufgenommen.
Da wir es als unseren Auftrag sehen, einen Beitrag zur Suche nach nachhaltigen Lösungen gegen die zunehmende Umweltverschmutzung und den Klimawandel sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene zu leisten, wünschen wir uns in diesem Rahmen einen Erfahrungsaustausch mit den Naturfreunden für den gemeinsamen Kampf gegen die globale Erwärmung.
Was sind eure Erwartungen? Und wie wollt ihr euch im Netzwerk einbringen?
Wir erwarten uns, dass wir uns mehr Wissen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die globale Erwärmung aneignen können – damit wir es im Umweltkontext unseres Landes anwenden können. Daher möchten wir uns in das Netzwerk einbringen, indem wir Mitglied werden und Synergien mit dem Netzwerk schaffen, etwa durch Ausbildungsworkshops, Konferenzen und Symposien zum Thema Umwelt.
Welche konkreten Aktivitäten hat ihr in den letzten Jahren durchgeführt? An welchen Projekten arbeitet ihr derzeit? Was sind die Prioritäten eurer Organisation?
Wir haben folgende Aktivitäten durchgeführt: Einsammeln von Plastiktüten an den Flüssen und am Oubangui-Fluss; Aufklärungsarbeit und Aufforstung mit Sträuchern in der Ombella M'Poko nach Waldbränden; Aufklärungsarbeit über die Verwendung von natürlichem Dünger aus Heu und Rinderdung auf landwirtschaftlichen Flächen.
Aktuell arbeiten wir an einem Projekt zur Sensibilisierung für „umweltschädliche Handlungen“ als Ursache des Klimawandels im Dorf Yamboro.
Die Schwerpunkte unserer Organisation sind: der Kampf gegen die Entwaldung, der Kampf gegen die zunehmende Umweltverschmutzung, der Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt und die Sensibilisierung für Umweltfragen.
Klimagerechtigkeit ist ein zentrales Thema in der internationalen Arbeit der Naturfreunde. Wir alle wissen, dass die Menschen in den Ländern des globalen Südens, die nur wenig zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen beitragen, viel stärker vom Klimawandel betroffen sind als beispielsweise die Menschen in den europäischen Ländern. Wie wirkt sich der Klimawandel auf das Leben der Menschen in deinem Land aus?
Die Auswirkungen des Klimawandels spüren die Menschen dadurch, dass Lebensmittel (Obst und Gemüse) knapp sind und dass dürrebedingt Probleme bei der Versorgung mit sauberem Trinkwasser auftreten. Dazu kommt, dass Ackerland während der Regenzeit überschwemmt und in Sumpfgebiete verwandelt wird.
Was wären deiner Meinung nach die wichtigsten Maßnahmen, die ergriffen werden sollten? Und welche Rolle können Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich spielen?
Die wichtigsten Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, sind die Sensibilisierung und Mobilisierung einer breiten Öffentlichkeit für Fragen des Klimaschutzes, um das Bewusstsein für umweltschädliche Handlungen zu schärfen und umweltbewusstes Verhalten zu fördern. Nichtregierungsorganisationen wirken als Katalysatoren, indem sie sich in gemeinsamen Aktionen engagieren, die darauf abzielen, jede*n Einzelne*n für den Klimaschutz zu sensibilisieren und zu einem umweltfreundlichen Verhalten zu motivieren.
(März 2021)
Margarita Mileva | Vorsitzende Priyateli na prirodata – Bulgaria (Naturfreunde Bulgarien)
Margarita Mileva ist eine der Gründer*innen der bulgarischen Naturfreunde (Priyateli na prirodata – Bulgaria) sowie derzeit ihre Vorsitzende. Seit Anfang 2021 sind die Naturfreunde Bulgarien Partnerorganisation (C-Mitglied) der NFI. Margarita ist Juristin und seit vielen Jahren gesellschaftspolitisch aktiv.
Die Naturfreunde Bulgarien sind eine der jüngsten und kleinsten Mitgliedsorganisationen der NFI. Was bedeutet es für dich, Teil der internationalen Naturfreundebewegung zu sein? Wie werden die traditionellen Werte der Naturfreunde von euren Mitgliedern wahrgenommen? Wie beteiligt ihr euch am internationalen Netzwerk und was sind eure Erwartungen?
Als Naturfreunde Bulgarien verstehen wir uns seit unserer Gründung als Teil der Naturfreunde Internationale. Unser Ziel war von Anfang an, als Naturfreunde Bulgarien ein verlässlicher Partner der Naturfreunde Internationale in Bulgarien zu sein. Der konkrete Anlass für unsere offizielle Eintragung als Verein war die Vorbereitung der europaweiten Demonstration „Ein Europa für alle“, die am 19. Mai 2019 in vielen europäischen Städten stattgefunden hat. Die Naturfreunde Bulgarien waren der bulgarische Ansprechspartner im gegründeten europaweiten Netzwerk. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung in Sofia haben wir mit vielen fortschrittlichen Bewegungen, Organisationen und Initiativen europaweit zusammengearbeitet. Wir wollen uns auch weiterhin engagieren und mit den Organisationen, die Mitglieder in der NFI sind, zusammenarbeiten.
Mit unseren Aktivitäten möchten wir zum Natur- und Umweltschutz und zur Entwicklung des Sports beitragen. Wir organisieren verschiedene Bildungsaktivitäten zur Förderung der Entwicklung des freien Denkens und der Solidarität im Geiste des Humanismus, der Demokratie und des Internationalismus. Wir treten für die Bekämpfung aller Tendenzen von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und aller Formen von Diskriminierung aus Gründen der Herkunft, der politischen Überzeugung, der Religionszugehörigkeit und der sexuellen Ausrichtung ein. Wir setzen uns für die Rechte von Minderheiten und sozial Benachteiligten ein. Wir glauben, dass es unmöglich ist, Veränderung und Erfolg innerhalb eines einzigen Landes zu erreichen, daher sind die internationale Solidarität, die Zusammenarbeit über die staatlichen Grenzen hinweg und die gegenseitige Hilfe für die Arbeit jeder fortschrittlichen Organisation unerlässlich. Als NFI-Mitglied hoffen wir, durch gemeinsame Aktionen, Initiativen und Positionen ein verlässlicher Partner in Bulgarien für andere NFI-Mitglieder zu sein.
Welche konkreten Aktivitäten hat ihr in den letzten Jahren durchgeführt? Was sind die Prioritäten eurer Organisation?
Seit Jahren haben Vertreter*innen der Naturfreunde Bulgariens die von den NaturFreunden Berlin organisierten internationalen Wanderungen im Stara-Planina-Gebirge mitvorbereitet und an den Wanderungen teilgenommen. Leider war es aufgrund der Pandemie in den letzten zwei Jahren nicht möglich, die geplanten Wanderungen durchzuführen. Für Mai dieses Jahres planen wir gemeinsam mit den NaturFreunden Berlin eine Kultur- und Bildungsreise nach Bulgarien unter dem Motto „Auf den Spuren der antifaschistischen Geschichte von der Hauptstadt bis zur Schwarzmeerküste“. Wir wollen auch im Juli 2022 die nächste internationale Wanderung der Berliner NaturFreunde im Stara-Planina-Gebirge unter dem Motto „Berge, Täler und Partisan*innen“ wieder mitvorbereiten.
Auch die Durchführung von politischen Bildungsveranstaltungen zu verschiedenen Themen wie z.B. Klimagerechtigkeit, Klimaschutz, Rassismus, Antisemitismus etc. gehören zu unseren Aktivitäten. Darüber hinaus arbeiten wir mit anderen Organisationen in Bulgarien im Rahmen von verschiedenen fortschrittlichen Initiativen zusammen sowie an der Vorbereitung und Durchführung diverser Veranstaltungen mit. So beteiligten wir uns beispielsweise vor Kurzem an der jährlich im Februar durchgeführten antifaschistischen Demonstration gegen den sogenannten Lukovmarsch. Gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir die Gegenproteste organisiert. General Hristo Lukov, dem dieser Marsch gewidmet wird, war ein bulgarischer Kriegsminister während des Zweiten Weltkrieges und Führer des antikommunistischen und ultranationalistischen Bundes der Bulgarischen Nationalen Legionen.
Du bist die wichtigste treibende Kraft eures Vereins. Was war deine persönliche Motivation, dich zu engagieren und die Naturfreunde Bulgarien zu gründen?
Ich bin in einer kleinen Stadt am Fuße des Stara-Planina-Gebirges geboren und aufgewachsen. Noch als Kind habe ich oft an Schulwanderungen teilgenommen, seit dieser Zeit ist auch meine Verbundenheit zur Natur stark ausgeprägt. Später wuchs auch mein Interesse an gesellschaftspolitischen Themen, wie Umweltschutz, Klimagerechtigkeit und Klimawandel. Andere Themen wie Gleichberechtigung, Antifaschismus und Antirassismus sind mir durch meine Familie nähergebracht worden. Gleichzeitig sind in Bulgarien Organisationen, die in den Bereichen Sport, Bergwandern, Klimawandel etc. aktiv sind, sehr häufig äußerst konservativ bis sogar nationalistisch ausgerichtet. Deshalb war es für mich wichtig, mich dafür zu engagieren und auch andere Mitstreiter*innen zu gewinnen. Im Vorfeld der europaweiten Demonstration „Ein Europa für alle“ (2019) wurden die Naturfreunde Bulgarien offiziell als Verein eingetragen und bestätigt.
Die Corona-Pandemie machte Zusammenkünfte und gemeinsame Erlebnisse in der Natur lange Zeit unmöglich. Wie hat sich die Pandemie auf eure Aktivitäten innerhalb des Verbandes, aber auch auf den Naturtourismus in eurem Land ausgewirkt?
Mit dem Beginn der Covid 19-Pandemie waren die Naturfreunde Bulgarien, ähnlich wie alle anderen Organisation innerhalb der NFI weltweit, vor große Herausforderungen gestellt. Aufgrund der Coronaauflagen war die Möglichkeit für Durchführung von Veranstaltungen, Wanderungen und anderen Aktivitäten sehr eingeschränkt. Soweit es möglich war, haben wir unsere Initiativen online über Zoom durchgeführt. Vieles mussten wir jedoch verschieben. Wir hoffen sehr, dass wir in diesem Jahr endlich wieder mehr Aktivitäten durchführen können.
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Tätigkeit und Aktivitäten der Naturfreunde Bulgarien sind nur ein Beispiel dafür, wie stark das gesellschaftspolitische Leben und die Wirtschaft in Bulgarien von Covid-19 beeinflusst wurden. Angesichts der Tatsache, dass Bulgarien das ärmste Land der EU ist und das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung nach 1989 zusammengebrochen sind, hat sich die Lage im Land durch die Pandemie zusätzlich verschärft. Dazu kommt auch die sehr niedrige Impfquote der Bevölkerung (29 %). Bulgarien steht europaweit an erster und weltweit an zweiter Stelle was die Anzahl der Todesfälle durch Corona betrifft …
Blicken wir in die Zukunft – wo siehts du die Naturfreunde Bulgarien in zehn Jahren? Was ist deine Vision, was reizt dich und welche Herausforderungen werden zu bewältigen sein?
Die Naturfreunde Bulgarien wollen sich in den nächsten Jahren konsolidieren und versuchen, in weiteren Regionen Bulgariens aktiv zu werden. Aufgrund der schwierigen politischen Situation im Land und des ständig wachsenden Einflusses konservativer und nationalistischer Formationen ist dies für uns eine größere Herausforderung. Ein großes Problem fortschrittlicher Organisationen in Bulgarien ist auch die massive Abwanderung von jungen und gut ausgebildeten Familien. In den letzten 30 Jahren sind von den etwa 8 Millionen Einwohner*innen Bulgariens mehr als 2 Millionen aufgrund fehlender beruflicher Perspektiven ausgewandert. Hier wollen wir als Naturfreunde Bulgarien ansetzen und versuchen, mit nach Berlin ausgewanderten Bulgar*innen aktiv ins Gespräch zu kommen, unsere Landsleute gemeinsam mit den NaturFreunden Berlin für die NaturFreunde zu begeistern und so in Berlin und Bulgarien aktive Mitglieder zu gewinnen.
In den letzten Monaten haben wir bulgarische Archive durchforstet, um herauszufinden, wann genau die Naturfreunde in Bulgarien bereits in den 1920er-Jahren bestanden haben. Hierzu wollen wir in den nächsten Jahren eine Publikation vorbereiten. Mit den NaturFreunden Berlin diskutieren wir aktiv, mittelfristige ein erstes Selbstversorgerhauses für die Naturfreunde Bulgarien anzubieten. Aktuell versuchen wir hierfür organisatorische und finanzielle Fragen zu klären und ein geeignetes Haus zu finden.
In unserer Tätigkeit werden wir weiter den Natur- und Umweltschutz und die Entwicklung des Sports fördern und verschiedene Bildungsaktivitäten zur Förderung der Entwicklung des freien Denkens und der Solidarität im Geiste des Humanismus, der Demokratie und des Internationalismus organisieren. Wir wollen auch neue Aktivitäten zur Bekämpfung aller Tendenzen von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und aller Formen von Diskriminierung durchführen. Wir hoffen, in den nächsten Jahren einen wirklichen Fortschritt erzielen zu können und unsere fortschrittliche, interkulturelle Bewegung weiter aufzubauen. Mittelfristig hoffen wir, dieses Ziel erreicht zu haben, um dann einen Antrag als B-Mitglied bei der NFI stellen zu können.
(Februar 2022)
Pramod Bhandari | Präsident Naturfreunde Nepal Pokhara Gruppe
Die Naturfreunde Nepal Pokhara Gruppe wurde auf der Jahreskonferenz 2021 als C-Mitglied (Partnerorganisation) der Naturfreunde Internationale willkommen geheißen. Wir haben mit Pramod Bhandari, dem Präsidenten der Organisation, gesprochen.
Wie seid ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen und was war eure Motivation, dem Netzwerk der Naturfreunde Internationale beizutreten? Was sind eure Erwartungen? Und wie möchtet ihr euch im Netzwerk engagieren?
Zunächst möchte ich mich bei allen Mitgliedern der Naturfreunde Internationale bedanken, die uns bei der Jahreskonferenz 2021 als C-Mitglied aufgenommen haben. Und ein frohes neues Jahr für alle!
Wir sind Sozialarbeiter. Bevor wir zur Naturfreunde Internationale kamen, waren wir in verschiedenen sozialen Organisationen und für unsere Gemeinde aktiv. Seit wir mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen sind, ist unsere Motivation und Inspiration gewachsen.
Im Jahr 2015 besuchten französische Touristen Nepal. Sie setzten sich mit dem Reiseleiter Nabaraj Adhikari in Verbindung. In jenem Jahr wurde Nepal von einem schweren Erdbeben heimgesucht. Als die Touristen nach Frankreich zurückkehrten, kontaktierte Stefan Natty die Gruppe der Naturfreunde Frankreich mit der Idee, einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln und sich der Lösung der Umweltprobleme anzunehmen. Die Idee war perfekt, denn wir brauchten Unterstützung – also bildeten wir ein Komitee und gründeten gemeinsam diese Gruppe. Wir schätzen die Naturfreunde-Bewegung und bekennen uns zu ihren Werten. Und jetzt ist die Gruppe Friends of Nature Nepal Pokhara C-Mitglied der NFI!
Nepal ist ein kleines Land mit einer wunderschönen Natur. Als wir uns der Naturfreunde Internationale angeschlossen haben, waren wir entschlossen, unser Natur- und Kulturerbe zu schützen und einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln. Wir engagieren uns dafür, unsere soziale und ökologische Verantwortung wahrzunehmen, und für eine gute Umweltbildung.
Wir müssen etwas tun, um die derzeitige Situation zu ändern. Nepal ist ein Entwicklungsland. Die meisten Menschen sind arm und ungebildet. Wir wollen mit der Naturfreunde Internationale zusammenarbeiten, um Unterstützung, Beratung und Hilfe zu erhalten, um die Lebensgrundlagen der Menschen in den ländlichen Gebieten zu sichern. Durch den Beitritt zur internationalen Organisation werden wir auf nationaler und globaler Ebene vertreten sein. Wir werden uns voll und ganz für unsere Werte einsetzen!
Welche konkreten Aktivitäten habt ihr in den letzten Jahren durchgeführt? Was sind die Prioritäten eurer Organisation?
Seit vielen Jahren führen wir zahlreiche Aktivitäten im Bereich des nachhaltigen Bergtourismus, der Solidarität und des Umweltschutzes durch. Wir haben Programme zur Sensibilisierung der Bevölkerung, zur Müllsammlung in den Tälern organisiert. Mit finanzieller Unterstützung der NaturFreunde Berlin und einiger Länder haben wir die Ambika Secondary School in Pokhara wiederaufgebaut, die durch das Erdbeben 2015 schwer beschädigt wurde. Im Jahr 2019 hat unsere Organisation dann die Rücklagen für die Kabilas Katsu Basic School für Kinder in Tiffin Food verwendet. Außerdem unterstützten wir die Shrijana Basic School bei ihrem Wiederaufbau im Jahr 2020. Im Jahr 2021 verteilten wir außerdem Lebensmittel an arme Familien, die von den Erdrutschen betroffen waren. Vor kurzem haben wir in Zusammenarbeit mit der Tourismusorganisation warme Kleidung in Chapang Basti Chitwan verteilt.
In unserer Organisation geht es um die Vernetzung innerhalb einer Gruppe. Unser Ziel ist es, die Denk- und Handlungsweisen der Menschen im Hinblick auf eine stärkere Beteiligung und Einbeziehung der Bevölkerung in die Entwicklungsaspekte zu verändern. Friends of Nature Nepal Pokhara ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige, unpolitische soziale Organisation, die im Bereich Umwelt und biologische Vielfalt tätig ist. Wir arbeiten partnerschaftlich mit nationalen und interationalen Nichtregierungsorganisationen und Gemeinden zusammen. Wir versuchen, ihre Probleme zu lösen, innovative Lösungen zu entwickeln und sie umzusetzen.
Internationalität und Solidarität sind zentrale Werte der Naturfreundebewegung, die uns auch von vielen anderen "Freizeitorganisationen" unterscheiden. Was bedeutet es für euren Verband, Teil einer internationalen Bewegung zu sein? Und wie werden die traditionellen Werte der Naturfreunde von euren Mitgliedern wahrgenommen?
Internationalität ist gleichzusetzen mit vielen Nationen und Solidarität ist der Grundsatz der Zusammenarbeit in der Naturfreunde-Bewegung. Das Logo der Naturfreunde, die sich reichenden Hände, drückt sehr gut diese Zusammenarbeit aus. Daher haben wir uns dieser Gruppe angeschlossen. Das Ziel unserer Arbeit ist die nachhaltige Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene.
Die Covid-19-Pandemie hat den internationalen Tourismus jäh zum Erliegen gebracht, und es gibt immer noch viele Einschränkungen, die grenzüberschreitende Reisen erschweren. Was bedeuten die Auswirkungen der Pandemie auf den Tourismus für euer Land?
Die Covid-19-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf den Tourismussektor in Nepal. Nepal ist ein Land, das reich an Naturschönheiten und verschiedenen alten Kulturen ist. Es ist bekannt für sein Himalaya-Gebirge, zu dem auch der höchste Berg der Welt gehört – der Mount Everest und der Geburtsort von Gautam Buddha. Nepal ist daher eine der beliebtesten Touristenattraktionen der Welt, was bedeutet, dass das Land auch wirtschaftlich stark vom Tourismus abhängig ist. Pokhara ist das bedeutendste Reiseziel Nepals.
Die Covid-19-Pandemie wirkt sich auf die soziokulturelle Struktur, die Psyche der Menschen und das gesamte Wirtschaftssystem aus, und die Tourismusbranche ist keine Ausnahme. Die Menschen, die direkt in Hotels, Restaurants, Trekking- und Bergsteigerbetrieben, Fluggesellschaften und anderen Bereichen des Tourismus in Nepal beschäftigt sind, sind von der Pandemie stark betroffen. Dies ist nicht die erste Krise, mit der die nepalesische Tourismusbranche konfrontiert ist: 2015 wurde der Sektor durch das katastrophale Erdbeben und den Zusammenbruch des Handels entlang der südlichen Grenze schwer getroffen, was zu einem starken Rückgang des Tourismus führte. Tourismusbezogene Unternehmen haben aufgrund der Pandemie keine Aussicht auf Touristen, was dazu führt, dass viele Unternehmen ihre monatliche Miete nicht mehr aufbringen können. Die Pandemie hat also große Auswirkungen auf den Tourismus in unserem Land.
Wie kann angesichts der Probleme, die vor der Pandemie aufgetreten sind (z.B. überfüllte Wanderwege, Vermüllung und fehlende Abfallentsorgung), ein nachhaltiger Bergtourismus in Zukunft umgesetzt werden? Welche sind die größten Herausforderungen, die ihr in eurer Region seht?
Die Grundsätze der Nachhaltigkeit fußen auf drei Werten - den ökologischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Aspekten der touristischen Entwicklung - und es muss ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Säulen gefunden werden, um die langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, denen sich die Welt gegenübersieht, tun wir alles in unserer Macht Stehende, um sicherzustellen, dass sich der globale Tourismussektor auf den richtigen Weg begibt. Wir verlangen von Reiseveranstaltern und Destinationsmanagement-Unternehmen, dass sie nachhaltige Praktiken anwenden, und von den Anbietern, dass sie sich der Nachhaltigkeit stärker bewusst sind.
Das nepalesische Tourismusministerium steht vor folgenden Herausforderungen: Soll Nepal zu einer Covid-19-freien Zone werden? Wie kann sichergestellt werden, dass es ein sicheres Reiseziel ist? Wie kann der Inlandstourismus gefördert werden? Das sind die Herausforderungen auf dem Weg zum Aufschwung. Eine weitere Herausforderung ist die Frage, wie wir unser Image denjenigen vermitteln können, die nach Hause zurückkehren.
Wir freuen uns auf euren Rat, eure Unterstützung und eure Inspiration! Wir danken euch!
(Jänner 2022)
Chikara Mparanyi Philippe | Koordinator "Action le Vert" (Demokratische Republik Kongo)
Chikara Mparanyi Philippe ist der Koordinator der Organisation Action le Vert aus der Demokratischen Republik Kongo, Partnerorganisation (C-Mitglied) der NFI seit Oktober 2021. In diesem Interview spricht er über sein Engagement, die Herausforderungen für die Organisation und seine Pläne und Visionen.
Action Le Vert wurde bei der Jahreskonferenz am 23. Oktober 2021 als C-Mitglied (Partnerorganisation) der Naturfreunde Internationale aufgenommen. Wie habt Ihr von den Naturfreunden erfahren?
Als jemand, der sich seit über 30 Jahren für den Naturschutz in unserer Region einsetzt, bin ich bei meiner Internetrecherche auf die Naturfreunde Internationale gestoßen und habe erfahren, dass es auf der Welt noch andere Menschen gibt, die die gleichen Ambitionen und Ziele für den Naturschutz haben wie ich.
Und was hat Euch dazu bewogen, die Mitgliedschaft bei der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu beantragen?
Im Französischen gibt es ein gutes Sprichwort: "Qui se ressemble s'assemble." (Gleich und Gleich gesellt sich gerne). Ich bin auf einer Plantage aufgewachsen, mein Vater war Pflanzer und dank seiner Arbeit als Landwirt haben alle seine Kinder eine Ausbildung erhalten. Von klein auf hab ich gelernt, wie man die jungen Setzlinge in der Gärtnerei gießt, und es war mir eine Freude, die jungen grünen Pflänzchen in vollem Wachstum zu sehen. Nach meiner Grundschulausbildung motivierte mich mein Vater, eine weiterführende landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren, und ich absolvierte ein Studium der Agronomie an der Universität.
Seit meiner Kindheit habe ich gerne die Natur beobachtet und hinterfragt. Jedes Mal, wenn ich die Landschaft rund um mein Dorf, die Natur meiner Kindheit mit der heutigen vergleiche, tut mir das im Herzen weh. Die Zerstörung der Wälder, des Ackerlandes und der gesamten Natur schreitet immer schneller voran. Man könnte darüber viele Geschichten schreiben, es gilt, unermüdlich dagegen anzukämpfen.
Das hat uns dazu veranlasst, Action Le Vert zu gründen, eine Organisation, die von jungen Agronomen ins Leben gerufen wurde, die die Landwirte sensibilisieren und in neuen Anbautechniken schulen wollen – nicht nur um die Produktion zu steigern, sondern auch um die Biodiversität ihres Landes zu erhalten. Seit 1998 ist die Organisation wie eine Nichtregierungsorganisation strukturiert, sie betreut die lokalen Landwirt*innen (Männer, Frauen und Jugendliche).
Um unsere Projekte umzusetzen, die Zerstörung der Wälder und der landwirtschaftlichen Flächen zu stoppen und die zerstörten Ökosysteme wieder in ihren natürlichen Zustand zu versetzen, brauchen wir Partnerschaften, die Zusammenarbeit mit anderen globalen Akteur*innen, die sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren und sich für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung einsetzen. Ich habe festgestellt, dass die Naturfreunde und wir die gleichen Ziele verfolgen. Das hat uns dazu bewogen, uns der Naturfreunde-Bewegung anzuschließen, um diesen Kampf gemeinsam zu führen.
Was sind die Stärken Eurer Arbeit?
Die Stärken unserer Arbeit liegen darin, dass wir eng mit der örtlichen Bevölkerung zusammenarbeiten, die betroffenen Menschen sind in alle Phasen der Projekte eingebunden, von der Konzeption über die Umsetzung bis zur Evaluierung.
Außerdem verfügen wir über ein engagiertes und ökologisch gut ausgebildetes Personal. Die Projekte, die wir bislang durchgeführt haben, haben eine nachhaltig positive Wirkung und tragen zur Entwicklung des Projektgebiets bei.
Welche Erfolge habt Ihr in den letzten Jahren erzielt bzw. was sind die größten Herausforderungen, denen Ihr Euch stellen müsst?
Wir haben bereits mehrere Projekte durchgeführt, insbesondere in den Bereichen Wiederaufforstung, Landschaftspflege und Erosionsschutz zur Wiederherstellung von Ökosystemen in mehreren Gemeinden.
Um die Vulnerabilität der Menschen in Süd-Kivu zu verringern, schlägt Action le Vert ein integriertes Modell der nachhaltigen Landwirtschaft vor, das die biologische Vielfalt einbezieht. Dies bedeutet, dass die Landwirtschaft auf Agroforstwirtschaft, Viehzucht und Fischzucht basiert, um die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern (und damit den Druck auf die Natur durch Abholzung und Wilderei sowie die nicht nachhaltige Nutzung von Schutzgebieten zu verringern). Der Bedarf an Holz kann durch die Bereitstellung von erneuerbarer Energie und die Erhöhung der Energieeffizienz (damit weniger Holz zum Feuermachen nötig ist, usw.) verringert werden. Dies wird die Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Ökosysteme erhöhen und zu den Zielen des Naturschutzes beitragen.
Eine große Herausforderung ist der Mangel an technischen Kapazitäten in der Agroforstwirtschaft sowie fehlende Finanzmittel für eine nachhaltige Landwirtschaft und für Schutzgebiete sowie die unzureichende Landbewirtschaftung.
Klimagerechtigkeit ist ein zentrales Thema in der internationalen Arbeit der Naturfreunde. Wir alle wissen, dass die Menschen im Globalen Süden, die wenig zu den globalen Treibhausgasemissionen beitragen, viel stärker vom Klimawandel betroffen sind als beispielsweise die Menschen in Europa. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf das Leben der Menschen in Deinem Land? Was wären Deiner Meinung nach die wichtigsten Maßnahmen, die ergriffen werden müssten? Und welche Rolle können Nichtregierungsorganisationen dabei spielen?
Der Klimawandel vergrößert die Verluste und die Schäden in der Landwirtschaft (Überschwemmungen, bewaldete Flächen gehen verloren), er führt zu einem Rückgang der Bodenproduktivität und der landwirtschaftlichen Erträge sowie dazu, dass Ökosysteme unter Druck geraten.
Dies führt dazu, dass die Ernährungssicherheit nicht mehr gegeben ist, worunter die Menschen stark leiden. Diese Verwundbarkeit wird durch einen Teufelskreis aus extremer Armut (Hunger, Unterernährung, Arbeitslosigkeit usw.), nicht nachhaltigen landwirtschaftlichen Praktiken (Abholzung und Waldschädigung, Brandrodung und Subsistenzwirtschaft), fehlendem Zugang zu Energie, unzureichender Verwaltung und Steuerung von Schutzgebieten sowie mangelndem Wissen über den Naturschutz verstärkt.
Durch die Umsetzung von Projekten zur Wiederherstellung land- und forstwirtschaftlich genutzter Landschaften werden die Wassersicherheit, die Infrastruktur und die Umwelt (Ökosysteme und ihre Dienstleistungen) verbessert – und somit wird die Anfälligkeit für den Klimawandel verringert. Beispiele dafür sind Projekte zur Verringerung der Vulnerabilität der ländlichen Bevölkerung im Osten des Landes, genauer gesagt in der Provinz Süd-Kivu – durch die Wiederaufforstung und die Umstellung auf eine klimafreundliche Landwirtschaft oder durch Ausbildungsprojekte für junge Menschen und Frauen in landwirtschaftlicher Unternehmensführung, um ihre sozioökonomische und berufliche Selbstständigkeit zu fördern.
Nichtregierungsorganisationen spielen – trotz ihrer sehr begrenzten finanziellen Mittel – eine sehr wichtige Rolle bei der Sensibilisierung und Mobilisierung von Gemeinschaften, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. Sie haben eine Vermittlerrolle zwischen der Regierung und der örtlichen Bevölkerung. Sie initiieren Projekte, mobilisieren finanzielle Mittel und führen diese Projekte zum Wohle der Bevölkerung durch. Sie setzen sich bei nationalen und internationalen Behörden dafür ein, dass die Ziele der nachhaltigen Entwicklung erreicht werden.
(November 2021)
Irvin Mujčić | Prijatelji Prirode – Oaza Mira (bosnische Naturfreunde)
Irvin Mujčić ist der Gründer und Leiter der bosnischen Naturfreunde - Prijatelji Prirode Oaza Mira (Oase des Friedens), die seit 2019 Partnerorganisation (C-Mitglied) der NFI sind. Im Interview spricht er über sein Engagement, die Herausforderungen für die neue Organisation und seine Pläne und Visionen.
Prijatelji Prirode – Oaza Mira ist eine unserer jüngsten Mitgliedsorganisationen. Was sind die Prioritäten eurer Organisation? Welche konkreten Aktivitäten habt ihr in den letzten Jahren durchgeführt?
Prijatelji Prirode – Oaza Mira (PPOM) befindet sich in Srebrenica, Ostbosnien, an der Grenze zu Serbien. Der Balkan ist in vielerlei Hinsicht eine besondere europäische Region: geopolitisch, ökologisch, historisch, u.s.w. Der Balkan ist auch eine sehr widersprüchliche Region, so gibt es in Bosnien beispielsweise den letzten europäischen Urwald und auch die Stadt mit der größten Umweltverschmutzung in Europa. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass dies auch die europäische Region ist, in der der erste bewaffnete Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg ausgetragen wurde, der zu einem dreijährigen Bürgerkrieg und zahlreichen Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit führte, wie dem Völkermord von Srebrenica. Ich selbst gehöre zu der Generation, die wir gewöhnlich als „Kinder des Krieges“ bezeichnen. Wir sind während des Krieges aufgewachsen, unsere Kindheit ist dadurch verloren gegangen. Nach dem Krieg haben wir ein völlig zerstörtes Land geerbt: nicht nur in Bezug auf die Infrastruktur, sondern auch in spiritueller und mentaler Hinsicht.
Die Priorität unserer NGO liegt daher im Wiederaufbau unseres Landes, angefangen bei der Infrastruktur bis hin zu den Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen. Die entscheidende Frage ist, wie dies erreicht werden kann. An dieser Stelle rückt das Konzept der Natur als Grundlage für die Versöhnung in den Mittelpunkt. Um dieses Konzept herum bauen wir die verschiedenen Aktivitäten unserer Organisation auf. Die Region selbst ist reich an natürlichen, menschlichen und historischen Ressourcen und Potenzialen, die noch nicht erschlossen sind.
Wir haben vor vier Jahren mit der Umsetzung nachhaltiger Tourismusaktivitäten begonnen, zunächst durch die Schaffung eines Netzwerks mit verschiedenen Familien und dann durch deren Beteiligung an der Entwicklung von Trekking- und Wanderwegen, die die verschiedenen Dörfer miteinander verbinden. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, die Menschen für die Schönheit unseres Landes zu sensibilisieren, aber auch dafür, wie man sie schützen kann. Deshalb haben wir begonnen, mit Kindern Umweltworkshops und Freiwilligenaktionen zur Säuberung von Grünflächen oder historischen Denkmälern zu organisieren.
Wir organisieren auch ein Programm für Schulen, bei dem die Schüler*innen die Gedenkstätte für den Völkermord von Srebrenica besuchen und über Völkermord und Menschenrechte in Verbindung mit Klimawandel und Umwelterziehung informiert werden. Vor zwei Jahren haben wir ein neues Projekt namens „Zeit der Bogomilen“ ins Leben gerufen. Wir bauen ein zerstörtes Dorf in Srebrenica wieder auf und greifen dabei auf alte traditionelle Techniken zurück und verwenden und so viele natürliche Materialien wie möglich. Bislang haben wir vier Holzhäuser gebaut und befinden uns in der ersten Phase des Baus einer Wassermühle. Dieses Dorf ist die Heimat der bosnischen Naturfreunde. Die Idee ist, die besten Umweltpraktiken zu sammeln, zu fördern und neue zu entwickeln, um ein möglichst nachhaltiges Dorf aufzubauen.
Wie bist du mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen und was war deine Motivation, dem internationalen Netzwerk der Naturfreunde beizutreten? Was sind deine Erwartungen? Und wie möchtest du dich in das Netzwerk einbringen?
Während des Krieges landete ich als Flüchtling in einer kleinen Stadt in den italienischen Alpen. In der Nähe gibt es eine Naturfreunde-Gruppe und ein Naturfreundehaus. Erst 2014 kehrte ich nach Bosnien zurück, und zwei Jahre später wurde ich von der italienischen Naturfreundegruppe mit der Idee kontaktiert, nachhaltigen Tourismus in Bosnien zu forcieren und hier auch eine Naturfreundegruppe zu gründen. Ihr Vorschlag war perfekt, weil er eine Struktur bot, um Ideen umzusetzen, die bereits vorhanden waren, und so begannen wir dieses Abenteuer gemeinsam. Ich persönlich liebe die Geschichte und den Mut der Naturfreunde-Bewegung. Diese starke Entscheidung, das Stadtleben zu verlassen und zurück zur Natur zu gehen und etwas Neues zu versuchen. So etwas brauchen wir in Srebrenica – eine radikale Entscheidung, um die aktuellen Verhältnisse zu verändern.
Ich schätze die Naturfreunde und bin daran interessiert, mehr über die Naturfreundehäuser und die lokalen Gruppen rund um den Globus zu erfahren. Wir sind noch eine kleine Gruppe im Aufbau, aber ich denke, wir können auch einen besonderen und interessanten Beitrag zur Naturfreundebewegung leisten.
Die Pandemie führte zu einem plötzlichen Stopp des internationalen Tourismus, und es gibt immer noch viele Einschränkungen, die das grenzüberschreitende Reisen erschweren. Wie wirkt sich das auf deine Organisation aus?
Im Jahr vor der Pandemie hatten wir mehr als 4.000 Besucher*innen, von denen 95 % von außerhalb Bosniens und Herzegowinas kamen. Das erste Jahr der Pandemie bedeutete ein Jahr ohne Gäste und Besucher*innen, was für eine NGO, die alle ihre Aktivitäten selbst über nachhaltigen Tourismus finanziert, eine Menge ist. Aber es gab uns viel Zeit, um unser Dorf aufzubauen.
Anlässlich der diesjährigen Global Naturefriends Days haben die niederländischen Naturfreunde – NIVON – eine Solidaritätsaktion initiiert, um Spenden für eure Initiative „Srebrenica – Stadt der Hoffnung“ zu sammeln. Auf diese Weise zeigen sie internationale Solidarität auf ganz praktische Art und Weise und füllen einen der wichtigsten Werte unserer Bewegung mit konkretem Handeln. Was bedeutet Solidarität für dich? Und wie kann bzw. sollte Solidarität innerhalb des NFI-Netzwerks – und außerhalb – gelebt werden?
Solidarität ist eines der schönsten menschlichen Konzepte und Handlungen. Sie bedeutet einfach, jemandem in einer Zeit der Not zu helfen. Seit mehr als 125 Jahren haben die Naturfreunde das Symbol der sich reichenden Hände in ihrem Logo – und das bringt die Solidarität innerhalb und außerhalb des Netzwerks zum Ausdruck: sich die Hände reichen.
(September 2021)
Omar Jammeh, Direktor von JUST ACT
Omar Jammeh, Direktor der gambischen Organisation JUST ACT (Janjanbureh United for Sustainable Tourism and Community Training) – seit 2019 Partnerorganisation der NFI – setzt sich leidenschaftlich dafür ein, junge Menschen und Frauen in seiner Heimat zu stärken und ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben. Mit welchen Initiativen und Projekten dies unterstützt wird, erzählt er im Interview.
JUST ACT ist seit 2019 Partnerorganisation (C-Mitglied) der Naturfreunde Internationale. Was war eure Motivation, euch in der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu engagieren?
Unsere Motivation, Partner im NFI-Netzwerk zu werden, entstand durch die "Landschaft des Jahres" in Gambia und Senegal und durch die Beteiligung an den Vorbereitungen und der Umsetzung von Naturwanderwegen in beiden Ländern. Der Ansatz und das Modell der NFI haben uns inspiriert, vor allem in den Bereichen Klimawandel und Klimagerechtigkeit sowie Jugend- und Frauenförderung.
JUST ACT steht für „Janjanbureh United for Sustainable Tourism and Community Training“. Der Fokus eurer Arbeit liegt also in der Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus und in der Ausbildung von jungen Menschen. Was genau sind eure Ziele und wie sieht eure Arbeit aus?
2015 wurde JUST ACT als unabhängige Organisation beim Nationalen Jugendrat von Gambia und bei der Generalstaatsanwaltschaft registriert und verfolgt dieselben Hauptziele wie JUST ACT Gambia.
Unsere vorrangigen Ziele sind, eine von der Gemeinschaft getragene Entwicklung zu ermöglichen, akkreditierte und nicht akkreditierte Schulungen durch lokale Organisationen zu unterstützen und dadurch Qualifikationen und Einkommensmöglichkeiten zu entwickeln, lokales Fachwissen bei der Entwicklung von Schulungen bestmöglich zu nutzen; weiters wollen wir einen verantwortungsvollen, nachhaltigen und armutsmindernden Tourismus in Janjanbureh und den umliegenden Gebieten zum Nutzen der Gemeinschaft ermöglichen, der gleichzeitig die lokale Kultur, die Traditionen und die natürliche Umwelt respektiert sowie die wirtschaftliche Wiederbelebung ländlicher Gebiete zu ermöglicht, um eine blühende Stadt für die heutige Generation von Student*innen zu schaffen und die Landflucht und die illegale Migration einzudämmen.
Unter den Jugendlichen der Insel ist die Landflucht mittlerweile rückläufig, da bereits tragfähige Projekte laufen, die Einkommen für mehr als ein Dutzend Menschen schaffen, darunter auch für Frauen und Rückkehrer*innen aus der Sahara und Europa.
Welches Potenzial hat der „Community Based Tourism“ (gemeindebasierter Tourismus) in der Janjanbureh-Region? Was bedeutet er für die Region?
Der gemeindebasierte Tourismus hat ein großes Potenzial und wirkt sich sowohl auf das Leben der Einheimischen als auch auf die Besucher*innen unserer Gemeinde aus. In Janjanbureh hat der gemeindebasierte Tourismus in der Vergangenheit viel für die Tourismusakteure und ihre Interessengruppen in der Region bedeutet.
Gemeindebasierter Tourismus basiert auf folgenden Elementen:
- Tun – das lokale Leben hautnah erleben, nicht nur Fotos machen
- Lernen – die Chance, etwas über das Leben und die Kultur vor Ort zu erfahren
- Fühlen – die Erfahrung stimuliert Begeisterung, Interesse, Staunen, Respekt usw.
- Teilen – gemeinsame Erlebnisse mit Reisebegleiter*innen und Mitgliedern der lokalen Gemeinschaften
- Nutzen – die Mitglieder der lokalen Gemeinschaft profitieren vom Angebot der Touren …
Ich glaube, dass Gemeindebasierter Tourismus ein einzigartiges Modell ist, das eine verantwortungsvolle und nachhaltige Tourismusentwicklung ermöglichen kann, ohne die Umwelt zu gefährden oder die lokale Kultur zu kommerzialisieren – und das den Nutzen durch eine aktive lokale Beteiligung maximiert.
An welchen Projekten arbeitet ihr aktuell? Inwieweit hat die Corona-Pandemie euch und eure Arbeit getroffen?
Derzeit führt JUST ACT zwei große Projekte durch, um den Klimawandel einzudämmen:
1. Geflügel- und Schlachthof (finanziert von ENABEL/RIEC):
Die COVID-19-Pandemie war ein großer Rückschlag für JUST ACT, aber im Laufe der Zeit konnten wir Strategien entwickeln, um einen Weg zu finden, damit zu leben und ein Tourismus- und Landwirtschaftsprojekt neu zu konzipieren, das dazu beitragen wird, Arbeitsplätze zu schaffen und auch den lokalen Markt mit gesunden und biologischen Lebensmitteln zu versorgen. Die Geflügelzucht wird durch die Auswirkungen der Pandemie auf Agrartourismus umgestellt und es wird ein integriertes landwirtschaftliches Konzept entwickelt, das die Wertschöpfungskette berücksichtigt. Mehr informationen auf der Seite von JUST ACT: https://www.justactgambia.org/post/a-second-great-building-project-for-independent-just-act
2. Wiederherstellung von Mangroven (finanziert von den NaturFreunden Deutschlands/der deutschen Regierung):
Das Mangrovenprojekt wurde aus der Tatsache heraus geboren, dass unsere Gemeinden von Erosion und Versalzung bedingt durch menschliche Eingriffe in die Mangrovenwälder betroffen sind. Die NaturFreunde Deutschlands finanzieren die Wiederherstellung von Mangroven auf einer Fläche von fünf Hektar in Ballangharr in der Central River Region. Gemeindemitglieder werden über das Netzwerk von Jugend- und Fraueneinrichtungen in der Bewirtschaftung der Mangroven und in der Aufzucht von Bäumen geschult. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt, und die Partner für die Renaturierung kommen aus verschiedenen Umweltgruppen.
(Weitere Informationen über das Projekt finden Sie auf der Seite der Naturfreunde Deutschlands:
https://www.naturfreunde.de/naturfreunde-pflanzen-mangroven-fuer-klima-und-artenvielfalt)
Die Grenzregion von Gambia und Senegal, in der ihr aktiv seid, wurde 2018 als „Naturfreunde Landschaft des Jahres“ ausgezeichnet – die erste auf dem afrikanischen Kontinent. Was ist seither bei euch passiert? Was haben die zwei Jahre als „Landschaft des Jahres“ in der Region, aber auch für JUST ACT selbst, bewirkt?
Die „Landschaft des Jahres“ hat in Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Frauen grenzüberschreitende Netzwerke für Gemeinden in Gambia und Senegal geschaffen, insbesondere in ländlichen Regionen. Vor allem aber hat die „Landschaft des Jahres“ dazu beigetragen, unsere natürlichen Lebensräume wiederherzustellen, indem Bäume gepflanzt, Schulungen zum Recycling oder zum Bau von Kochstellen angeboten wurden und zudem ein Wanderweg in Janjanbureh und Umgebung angelegt wurde, für den junge Menschen als Fremdenführer arbeiten.
Juli 2021
Mehr Informationen:
JUST ACT
https://www.justactgambia.org
Landschaft des Jahres Senegal/Gambia 2018–2020
https://www.nf-int.org/themen/landschaft-des-jahres/aktivitaeten/landschaft-des-jahres-senegalgambia-2018-2020
Interview mit Omar Jammeh im Rahmen der Tour d´Horizon im Jänner 2018
https://tourismlog.respect.at/2018/02/16/day-7-fairtravelling-landscape-of-the-year-senegal-the-gambia/
Virtuelle Reise nach Senegal & Gambia 2021 (Tag 4)
https://tourismlog.respect.at/2021/01/23/virtuelle-reise-nach-senegal-gambia-voyage-virtuel-au-senegal-en-gambie-virtual-journey-to-senegal-the-gambia/
Pari & Lisa | Präsidentinnen Internationale Naturfreundejugend (IYNF)
Seit August 2020 wird IYNF von zwei Präsidentinnen geleitet: Pari lebt in Italien und Lisa in Deutschland. In unserem Interview sprechen sie über ihre Motivation, sich bei den Naturfreunden zu engagieren, über ihre Erfahrungen mit der Doppelspitze und über ihre Ideen für die Zukunft.
Ihr habt im Sommer 2020, mitten in der Corona-Krise, die Leitung der IYNF übernommen. Was war eure Motivation, in dieser besonders schwierigen Zeit Verantwortung für die IYNF zu übernehmen? Und welche Herausforderungen hattet ihr bisher zu bewältigen?
Lisa: Im Jahr 2018 habe ich einen Europäischen Freiwilligendienst im IYNF-Sekretariat absolviert. Dabei lernte ich die Geschichte, die Werte, das Netzwerk und die Arbeitsabläufe der Organisation kennen und hatte die Chance, meine Kompetenzen innerhalb einer internationalen Jugend-NGO zu formen. Der nicht-formale Bildungsansatz bei den Aktivitäten lenkte den Fokus auf meine Leidenschaften: die Sorge um die Natur und die Menschen. Nach dem Freiwilligendienst blieb ich als Vize-Präsidentin bei IYNF, um die Arbeitsabläufe in der Organisation weiter zu festigen und zu strukturieren. Kombiniert mit meinen Interessen an persönlicher Entwicklung, einem gesunden Lebensstil, dem Leben im Rhythmus der Natur und dem interkulturellen Wissensaustausch entwickelte ich zusammen mit dem engagierten Team der Naturfreunde die Erasmus+ Youth Worker Mobility "Health & Wellbeing through Nature-based Methods'' (HWNM). Der Lehrgang findet im Mai 2022 statt.
Meine Motivation, als Präsidentin im IYNF-Präsidium zu bleiben, hatte nichts mit der Pandemie zu tun. Ich sah die Notwendigkeit, als Teil eines starken und vielfältigen Teams weiterzumachen, um weiterhin effektive Arbeitsstrukturen aufzubauen und einen motivierten Teamgeist zu entwickeln. Die Pandemie hat gezeigt, dass IYNF bereit ist, seine Expertise im Bereich der digitalen Bildung zu erweitern, was neben dem ganzen COVID-Management, das das Sekretariat zu leisten hatte, einen Mehrwert für die Organisation darstellte. Ich denke, dass die größte Herausforderung, die es zu bewältigen galt – und wir kommen gerade erst ein wenig aus dem "Schlupfloch" heraus – darin bestand, das IYNF-Präsidium und die Freiwilligen motiviert zu halten. Die Verbindung über die digitale Medien ist eine effektive Ergänzung zur Jugendarbeit, aber sie ersetzt nicht die Vorteile der persönlichen Interaktion. Eine weitere Herausforderung, die durch die Pandemie katalysiert wurde, war, in Zeiten der Unsicherheit und des Wandels fokussiert und präsent zu bleiben, und damit ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir als junge Menschen immer noch einen großen Einfluss darauf haben, die Welt, in der wir leben wollen, mitzugestalten.
Pari: Als ich zum ersten Mal nach Europa kam, hatte ich keinerlei Erfahrung mit Aktivismus. Als ich 2016 zum ersten Mal zum nationalen Gian-Gio-Treffen mit Italiener*innen eingeladen wurde, hatte ich keine Ahnung, was politischer Aktivismus und zivile Verantwortung sind. Meine Motivation, jetzt Präsident der IYNF zu sein, entspringt genau an diesem Punkt. Ich möchte dafür kämpfen, dass eine neutralere und aktivere Jugend die richtige Familie mit den Werten der Naturfreunde findet, um für unseren Planeten zu kämpfen.
Meine Erfahrungen mit diesem erstmaligen dualen Führungssystem sind bisher sehr positiv. Aus meiner Sicht ist es eine sehr funktionale Struktur, besonders wenn es um Entscheidungen über Aufgaben und Zeitmanagement geht. Wir hatten bisher einige sehr interessante informelle Online-Treffen während der Pandemie und das hat uns als Präsidentinnen sehr geholfen, mit unserer Verbindung in Verbindung zu bleiben.
Pandemie? Ja! Es war in der Tat sehr schwierig. Unser Präsidiumsteam hat noch keinen einzigen Tag zusammen verbracht. Wir haben versucht, unsere Online-Sitzungen einigermaßen interaktiv zu halten und unser Bestes zu geben, um alle Bedürfnisse und Wünsche der Mitglieder zu berücksichtigen, damit sie sich wohlfühlen und motiviert sind. Auch unser Sekretariat hatte einen massiven Aufwand mit Sperrungen und Quarantäne. Alles in allem, denke ich, haben wir das alle gut gemeistert und unsere Energie bis zum Ende der Saison beibehalten. Hoffentlich kommen wir zur Sommersonnenwende wieder persönlich zusammen und genießen ein wenig Zeit ohne Bildschirm.
Was mich motiviert hat, war die Präsenz der anderen Präsidiumsmitglieder. Es war wichtig zu sehen, dass alle ihr Bestes geben, um diese Phase gemeinsam zu meistern. Und das war ja auch der Fall!
Wie seid ihr mit den Naturfreunden in Kontakt gekommen? Und was sind eure Visionen für die Zukunft der Naturfreunde-Bewegung?
Pari: Im Jahr 2016 erzählte mir ein Freund an der Universität von einem Gian-Gio-Treffen. Um ehrlich zu sein, nach dem Treffen bin ich in die Natur eingetaucht, habe so viele junge Leute getroffen und fühlte mich zum ersten Mal in einen italienischen Kontext eingebunden (auch wenn mein Italienisch nicht so gut war) – das war ein Segen! Und zum ersten Mal habe ich nicht-formale Bildung erlebt. All das hat mich dazu gebracht, ein aktiverer Teil der Gruppe zu sein.
Lisa: Mein Weg zur Naturfreunde-Bewegung ist eine längere Geschichte, aber die erzähle ich lieber bei einem gemeinsamen Tässchen Tee ... Die kurze Geschichte ist, dass meine frühere Beziehung mich nach Prag gebracht hat und um dort meinen Lebensunterhalt zu verdienen, suchte ich nach einer sinnvollen Tätigkeit, die mit Aktivitäten in der Natur und dem Bewusstsein über den Klimawandel verbunden sein sollte.
Soweit ich weiß, ist die IYNF die erste Naturfreundeorganisation mit einer Doppelspitze. Wie funktioniert das in der Praxis?
Lisa: Auch die Naturfreundejugend Deutschlands (NFJD) wird in einer Doppelspitze geführt und das Konzept geht eigentlich auf einen Antrag der NFJD bei der IYNF-Vollversammlung 2018 zurück. Die Idee hinter der Doppelspitze ist, die Hierarchie in der Führung der Organisation abzuflachen. Sie hilft dabei, repräsentative Aufgaben auf mehrere Personen zu verteilen. Ein weiterer Grund für die Doppelspitze ist, mehr Vielfalt in repräsentative Funktionen zu bringen. Um die Vielfalt in der IYNF-Doppelspitze zu gewährleisten, ist die Bedingung für die Konstituierung, dass die Personen aus verschiedenen Mitgliedsorganisationen kommen und dass sich mindestens eine von ihnen nicht als männlich identifiziert.
In der Praxis hält die Doppelspitze eine engere Verbindung zur Geschäftsstelle für die strategische Planung im Präsidium.
Pari: Ich denke, es ist eine Chance. Ich muss sagen, Lisa auf der gleichen Machtpositionsebene zu haben, erlaubt es mir, eine Person neben mir zu haben, wenn es um Brainstorming geht oder darum, Dinge im Vorfeld zu besprechen. Ich genieße meine berufliche Rolle neben ihr genauso sehr wie ich es genieße, ihre Freundin zu sein. Aus logistischer Sicht war es bisher sehr hilfreich, dass man kurzfristige juristische Fragen nicht alleine entscheiden muss, weil es eine zweite Person gibt, die man um Hilfe bitten kann.
Dank Fridays for Future erheben immer mehr junge Menschen ihre Stimme und fordern verantwortungsvolles Handeln – sowohl von politischen Entscheidungsträger*innen als auch von der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Doch es passiert noch viel zu wenig, um den menschengemachten Klimawandel zu verlangsamen und unser Wirtschaftssystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Was ist nötig, um einen Wandel herbeizuführen? Und wie können NGOs wie die Naturfreunde dazu beitragen?
Pari: Ich bin froh, dass am Anfang dieser Frage die Fridays for Future-Bewegung erwähnt wird. In den letzten Jahren, in denen ich mich für Klimagerechtigkeit engagiere, habe ich immer mehr Erkenntnisse darüber gewonnen, dass Proteste ein Muss sind. Es hilft zwar, als Einzelner ökologisch und kohlenstoffemissionsfrei zu leben, aber es reicht nicht aus, wenn es um den schnellen Wandel geht, den wir brauchen. Nun, was können die Naturfreunde meiner Meinung nach tun? Erreichen wir die Jugend! Über non-formale und informelle Bildung können wir viel für Klimagerechtigkeit und Klimabildung erreichen. Unsere Organisation mit ihrer basisorientierten Struktur ist perfekt, um in kleinen Städten und Dörfern ebenso wie in Großstädten zu agieren. Der erste Schritt ist, die Jugend zu erreichen, indem man den jungen Menschen die notwendige Unterstützung und Kraft gibt, um selbst aktiv zu werden.
Lisa: Die Veränderung kommt aus unserer eigenen Denkweise. Wenn wir damit beginnen, Gewohnheiten zu kultivieren, die einen gesunden Lebensstil unterstützen, fangen wir an, nach den Rhythmen der Natur zu leben und können vielleicht lernen, was es wirklich braucht, um ein glücklicher Mensch zu sein. Es ist damit verbunden, ein wertebasiertes Grundgerüst für eine Welt aufzubauen, in der wir glücklich sind. Außerdem geht es um Selbstermächtigung, um Verantwortung und um die Entscheidung, einen Unterschied zu machen. Wenn wir uns dafür entscheiden, zunächst einmal Vorbilder für die Lebensweise zu werden, die wir auch von anderen erwarten, dann müssen wir in diese Rolle schlüpfen. Und damit wird es auch wahrscheinlich, dass sich eine Gemeinschaft bildet, dass sich Gleichgesinnte zusammenfinden und neue Mehrheiten Veränderungen bewirken.
Bei der Veränderung geht es nicht um Du und Ich oder Sie und Wir – bei der Veränderung geht es darum, das, was ist, zu integrieren und zu transformieren. Dieser Prozess hat die Kraft, verschiedene Systeme anzusprechen, sei es das wirtschaftliche, gesundheitliche, soziale oder digitale System. Sobald wir uns für Selbstverantwortung und damit Selbstliebe öffnen, werden wir sehen, dass all die kleinen Entscheidungen innerhalb der individuellen Veränderung miteinander verbunden sind. Wir müssen nur an das Leben glauben und ihm dienen.
Die Naturfreunde-Organisationen können diesen Paradigmenwechsel der bewussten Ko-Kreation unterstützen, indem sie zu ihrer Gemeinschaft mit Aktivitäten beitragen, die sich auf die tieferen Ebenen des individuellen Engagements konzentrieren. Ziel ist es, junge Menschen dabei zu unterstützen, sich wieder mit ihrem wahren Selbst zu verbinden, so dass sie sich ihrer Bestimmung bewusst werden, indem sie methodische Rahmen entwickeln, die uns wieder mit uns selbst und der Umwelt verbinden.
Juni 2021
Susi Raub-Vogler | Internationale Sekretärin der Naturfreunde Kalifornien
Susi Raub-Vogler ist seit 1999 Internationale Sekretärin der Naturfreunde Kalifornien und vertritt ihre Organisation im internationalen Naturfreunde-Netzwerk. Im Interview spricht sie über ihre Motivation, ihre Arbeit für die Naturfreunde und ihre Visionen für die Zukunft.
Du bist seit vielen Jahren bei den Naturfreunden in Kalifornien aktiv – wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was hat dich bewogen, dich in unserer Bewegung zu engagieren?
Ich verdanke mein Engagement bei den kalifornischen Naturfreunden meinen Eltern, die 1960 aus Deutschland nach San Francisco ausgewandert sind. Ihr Bedürfnis, Erholung vom Großstadt-Kulturschock zu finden, führte sie zum "Nature Friends Tourist Club" von San Francisco, der 1912 von Österreicher*innen und Deutschen gegründet wurde. Meine Eltern freuten sich, in einer wunderschönen Umgebung, die sie an den Schwarzwald erinnerte, so etwas wie eine Verbindung zum „alten Land“ zu finden.
Ich wurde quasi in den Club hineingeboren und bin schon mein Leben lang Mitglied. Mein Vater war 28 Jahre lang der Internationale Sekretär der Naturefriends California, bis ich 1999 seine Position übernahm. Es war für mich selbstverständlich, in seine Fußstapfen zu treten, da ich die wunderbaren Vorteile genoss, in der Naturfreunde-Organisation und unter seiner internationalen Erfahrung aufzuwachsen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gesunde menschliche Aktivitäten und die Gemeinschaft fördern müssen, um ein gesundes und lebenswertes Umfeld zu schaffen – und das fördern die Naturfreunde. Durch unsere Gemeinschaft können wir Menschen motivieren, mitzuhelfen, um das zu erhalten, was wir so sehr schätzen: eine intakte Umwelt und das Miteinander. Die Bereicherung, die ich durch die Naturfreunde erfahren habe, ist von unschätzbarem Wert!
Die Naturfreunde haben sehr unterschiedliche Schwerpunkte in den verschiedenen Ländern. Viele Gruppen veranstalten Freizeitaktivitäten für ihre Mitglieder und betreiben Naturfreundehäuser. Bei einigen Organisationen steht auch die politische Arbeit im Vordergrund – von Lobbyarbeit für eine starke Natur- und Umweltgesetzgebung bis hin zur Arbeit für Frieden und Menschenrechte. Was sind die Prioritäten deiner Organisation?
Die Prioritäten unserer Organisation sind der Naturschutz, indem wir den Zugang zur Natur und die Bewusstseinsbildung fördern, die Schaffung einer Gemeinschaft, die zum Wohlbefinden aller beiträgt, und die Fortführung und Weitergabe der kulturellen Traditionen der Gründungsväter gemäß unserem Leitbild. Im Laufe der Zeit ist unsere Organisation hinsichtlich der Menschen und Aktivitäten vielfältiger geworden. Jedes unserer Naturfreundehäuser hat seine eigene Atmosphäre und Kultur entwickelt, die unseren Verein noch facettenreicher und interessanter macht.
Meine Rolle umfasst hauptsächlich die Vernetzung innerhalb des Vereins und gelegentlich auch die Abstimmung mit Interessen von außerhalb. Ich habe auch Aktivitäten organisiert und durchgeführt. Zusätzlich hat meine Erfahrung mit den Naturfreunden meine Arbeit als Outdoor- und Umweltpädagogin unterstützt.
Aufgrund der Distanz nach Europa, wo wir normalerweise unsere internationalen Konferenzen und Begegnungen abhalten, ist es für dich und deine Kolleg*innen schwierig, regelmäßig teilzunehmen. Fühlst du dich dennoch als Teil einer internationalen Bewegung? Und was bedeutet „Internationalität" für dich?
Nun, die Zoom-Meetings haben sich als großer Vorteil erwiesen, da sich die verschiedenen Naturfreundeorganisationen aus unterschiedlichen Ländern virtuell treffen und ihre Initiativen austauschen können; mit dem zusätzlichen Bonus einer geringeren Umweltbelastung! Ich habe das Gefühl, dass wir in diesen Zeiten des erhöhten Klimabewusstseins mehr oder weniger Teil einer internationalen Bewegung sind. Global sind wir durch die Umwelt verbunden, durch die Atmosphäre, durch die Ozeane ... „Internationalität“ kann als der Antrieb der internationalen Klimabewegung wahrgenommen werden, die an der Spitze des aktuellen Geschehens steht. Wir sind alle betroffen und verbunden – alle Nationen spüren mehr oder weniger die Auswirkungen der Handlungen der anderen.
Auf der Ebene der Naturfreunde-Organisation sind wir eine unpolitische Fraktion der ursprünglichen Naturfreunde, aber als individuelle Mitglieder engagieren wir uns für die internationalen Bemühungen, die drohenden globalen Krisen zu reduzieren. Ich bin zuversichtlich, dass die Naturfreunde eine treibende, solidarische Kraft sind, die den gesellschaftlichen Diskurs für die Rettung unseres Planeten, die nicht schnell genug voranschreiten kann, unterstützt. Wir als Mitglieder der Naturfreunde sind die ideale Gruppe, um zum Erfolg der Klimabewegung beizutragen. Individuell können wir jederzeit klügere Entscheidungen treffen, ebenso wie als Kollektiv. Die Pandemie hat wertvolle Einblicke in die Gesellschaft und ihr grundlegendes Bedürfnis, sich umeinander zu kümmern, gegeben und führt hoffentlich auch zu einem besseren Umgang mit unserem Lebensraum.
Zu Beginn der Pandemie war Solidarität – einer der Kernwerte der Naturfreunde – ein zentrales Thema im gesellschaftlichen Diskurs in Europa, aber mit dem Fortschreiten der Krise ist sie mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Wie sieht die Situation in deinem Land aus? Und welche Rolle können NGOs wie die Naturfreunde bei der Umsetzung dieses Wertes spielen?
Die Solidarität in den USA war unter unserer vorherigen Regierung aufgrund des von ihr verursachten Chaos gefährdet. Ich denke, es ist ein inhärenter Nachteil, Solidarität in größeren Bevölkerungsgruppen zu erwerben. Ich glaube auch, dass der Verlust der Solidarität symptomatisch für das Misstrauen gegenüber einer neuen Herausforderung in der Gesellschaft, wie der Pandemie, ist. NGOs wie die Naturfreunde könnten dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Diskurs anzuregen. Wenn sich die Mitglieder beteiligen und zusammenarbeiten, schafft das eine potenzielle kritische Masse, die auch etwas bewirken kann. Ich hoffe, dass die Pandemie uns genug innehalten ließ, um zu erkennen, dass unser Lebensrhythmus weder nachhaltig noch gesund ist, und dass wir unsere gesellschaftlichen Ziele neu bewerten und die existenzielle Bedrohung erkennen müssen, die wir unnötigerweise über uns selbst und unseren Planeten gebracht haben. Obwohl unsere irdischen Probleme riesig und kompliziert sind, können wir Hoffnung und Sinn in Form von Fürsorge und Liebe finden.
(April 2021)
Clara Wengert | Vizepräsidentin der NFI
Clara Wengert ist Mitglied des Bundesvorstandes der NaturFreunde Deutschlands und seit dem XXIV. NFI Kongress auch Vizepräsidentin der NFI. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Motivation für die Naturfreundearbeit und von ihren Vorstellungen für die Zukunft.
Du engagierst dich schon seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Ebenen für die Naturfreunde. Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen? Und was hat dich dazu bewogen, dich gerade hier aktiv einzubringen?
Mein erster Kontakt mit den NaturFreunden war mit vier Jahren, als ich an regelmäßigen Treffen einer Kindergruppe in der Nachbarschaft teilgenommen habe. Über die Gruppe konnte ich als Kind und auch später als Jugendliche an verschiedenen Ferienfreizeiten im In- und Ausland teilnehmen und viele prägende Ferienerlebnisse sammeln. Über die Teilnahme an den Bundeskonferenzen der Naturfreundejugend bekam ich recht unerwartet die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen solcher Freizeiten auch für andere Kinder und Jugendliche mit zu steuern, indem ich die Leitung des Fachbeirats Reisen und Sport übernahm. Zwei Jahre später übernahm ich dann die Bundesleitung der Naturfreundejugend Deutschlands in einer Doppelspitze, bevor ich 2017 in den Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands gewählt wurde.
Was mich antreibt in meinem Ehrenamt sind die Ideen und Werte der NaturFreunde, das umfassende Verständnis der Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen und die Notwendigkeit, die Gesellschaft im Zuge der sozial-ökologischen Transformation mitzugestalten.
Bis 2016 warst du Bundesleiterin der NaturFreundejugend Deutschlands. Hauptamtlich bist du als Geschäftsführerin des Deutschen Bundesjugendringes ebenfalls für Jugendagenden zuständig. Wie sieht für dich erfolgreiche Jugendarbeit aus und wo siehst du aktuell – gerade auch angesichts der Corona-Krise – die größten Chancen und Herausforderungen?
Erfolgreiche Jugendarbeit bedeutet für mich einen aktiven Jugendverband, der selbstständig und selbstorganisiert die Themen der NaturFreunde-Bewegung mit Leben füllt. Ausschlaggebend dafür ist eine aktive Jugendarbeit vor Ort, die jungen Menschen über regelmäßige Gruppenarbeit, Ferienfreizeiten oder Kampagnenarbeit die Möglichkeit gibt, ihr Umfeld zu gestalten, ihre Interessen zu vertreten und gemeinsam Spaß zu haben.
Die Corona-Krise nimmt aktiver Jugendverbandsarbeit in Deutschland gerade die so wichtige Vielfalt der Formate. Über digitale Veranstaltungen können zwar kurzfristig Kontakte gehalten werden, aber eine „normale“ Jugendarbeit ist nicht möglich. Aktuell besteht daher die große Herausforderung, Gruppen am Leben zu halten und trotz aller Schwierigkeiten Angebote für junge Menschen zu machen.
Gleichzeitig zwingt uns die Pandemie mit ihren Einschränkungen, neue Prioritäten zu setzen. Sie bietet die Möglichkeit, der Moment zu sein, der uns zum Umdenken bringt und Politik und Gesellschaft dazu bewegt, endlich zwingend notwendige Weichenstellungen in Richtung einer umweltschonenderen Lebensweise vorzunehmen. Auch gesellschaftliche Probleme wie Armut, prekäre Arbeitsverhältnisse oder ungleiche Chancen werden durch die Krise verschärft und rücken dadurch verstärkt in den politischen Fokus. Vielleicht schaffen wir es ja, tatsächlich umzusteuern hin zu einer solidarischeren Gesellschaft.
Die NaturFreunde Deutschlands sind auf internationaler Ebene sehr aktiv, z.B. im Rahmen des Netzwerkes NaturFreunde Global. Wie wichtig ist für dich Internationalität im Zusammenhang mit der Naturfreunde-Bewegung?
Die Internationalität ist ein Grundbestandteil der Naturfreunde-Bewegung. Seit den Anfängen der NaturFreunde finden internationale Aktivitäten auf allen Ebenen der Bewegung statt. Viele Ortsgruppen haben direkte Kontakte zu Ortsgruppen in anderen europäischen Ländern, aber auch in afrikanischen Ländern oder nach Südamerika. Insbesondere die Aktivitäten mit unseren Partner*innen im Senegal, in Togo und in Gambia sind momentan eine wichtige Säule der Arbeit der NaturFreunde Deutschlands. Die angestrebte Zusammenarbeit auf Augenhöhe ermöglicht einen sehr aktiven internationalen Austausch für beide Seiten, bietet aber auch eine Sichtbarkeit der NaturFreunde innerhalb Deutschlands im Themenfeld.
Solidarität ist eines der Kernthemen der Naturfreunde. Wir versuchen mit etlichen konkreten Initiativen, wie der Landschaft des Jahres in Senegal und Gambia oder den diversen KlimaFonds-Projekten einen Beitrag zu internationaler Solidarität zu leisten und setzen uns auch auf politischer Ebene für ein solidarisches Miteinander ein. Zu Beginn der Pandemie war Solidarität auch ein zentrales Thema im gesellschaftlichen Diskurs, das jedoch mit Fortbestand der Krise immer mehr in den Hintergrund gerückt ist. Welche Rolle spielen deiner Meinung nach NGOs wie die Naturfreunde in der gegenwärtigen Situation? Und wie können wir gerade jetzt wirkungsvoll zu mehr Solidarität beitragen?
Es war tatsächlich auffällig, dass das Medieninteresse und der Fokus zu Beginn der Pandemie auf der weltweiten Entwicklung lag und viel internationale Solidarität spürbar war. Es war jederzeit deutlich, dass eine solche Pandemie nur gemeinsam überwunden werden kann. Leider ist dieser Fokus schnell komplett verloren gegangen. Geschlossene Grenzen und eingestellte Zug- und Flugverbindungen sogar in unsere Nachbarländer hätten wir uns noch kurz davor nicht vorstellen können.
Ich denke, dass NGOs momentan eine wichtige Funktion als gesellschaftliche Akteure haben. Sie machen aufmerksam auf die Situation und fordern politische Lösungen. Die NaturFreunde machen daher auch weiterhin Angebote für ihre Mitglieder – wenn auch verstärkt im digitalen Raum. Sie machen deutlich, dass Inzidenzzahlen nicht das einzige Thema sein dürfen und Solidarität sowohl im nationalen als auch internationalen Kontext weiterhin gelebt werden muss. Wenn sich Staaten immer stärker auf eine nationale Denkweise zurückziehen, müssen wir als NaturFreunde immer wieder den Finger in die Wunde legen. Auch wenn persönliche Begegnungen gerade nicht möglich sind, ist Solidarität innerhalb der eigenen NaturFreunde-Gruppe auf persönlicher Ebene möglich, z.B. über Telefonaktionen oder Unterstützung im Alltag.
Im internationalen Kontext steht für uns momentan an erster Stelle, bestehende Strukturen und Programme am Leben zu erhalten, politisch einzufordern, dass nationale Denkweisen nicht zum Ziel führen werden und dafür zu sorgen, dass wir nach der Pandemie wieder durchstarten können – und nicht viele Dinge eingespart wurden oder schlicht die Pandemie nicht überstanden haben.
(März 2021)
Wilfried Meulenbergs | Vizepräsident der NFI
Wilfried Meulenbergs wurde vom XXIV. NFI Kongress am 28. November 2020 zum Vizepräsidenten der NFI gewählt. Er ist bereits seit sehr vielen Jahren für die Naturfreunde aktiv – sowohl für den flämischen Verband ATB „De Natuurvrienden“ als auch auf internationaler Ebene. Im Gespräch erzählt der passionierte Bergsteiger von seinem Engagement und seinen Vorstellungen und Ideen für die Naturfreundearbeit.
Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was hat dich dazu bewogen, selbst für die Naturfreunde aktiv zu werden?
Es war auf einer riskanten Wanderung in den Lechtaler Alpen (Österreich), als ich meinen ersten Naturfreund traf. Er gab uns den Rat, eine Bergsteigerausbildung zu machen, um die nächste Wanderung etwas weniger abenteuerlich zu gestalten. So landete ich beim Schulungskurs und in der Meisterklasse Eisgehen, an der Hochgebirgschule Glockner-Kaprun von Fritz Moravac. Von da an traf ich regelmäßig mit großartigen NaturfreundInnen zusammen und erkundete die wunderbaren Berge dieser Welt.
Nachdem ich meine Bergführerausbildung in der Schweiz abgeschlossen hatte, schloss ich mich den belgischen Naturfreunden an und wurde ihr Ausbilder und schließlich ihr technischer Leiter. Da ich über das Bergsteigen bereits die Freude und den Vorteil von internationalen Freundschaften genießen konnte, war ich froh, als ATB Natuurvrienden mir die Möglichkeit gab, mich formell in der NFI zu engagieren, zunächst als Experte für Bergsteigen und später als Vorstandsmitglied.
Die Naturfreunde haben auf nationaler und regionaler Ebene sehr vielfältige Schwerpunkte. Viele Gruppen organisieren Aktivitäten für ihre Mitglieder und betreiben Naturfreundehäuser. Ein zentrales Thema ist auch die politische Arbeit für die Anliegen der Naturfreunde – von Natur- und Umweltschutz bis hin zum Einsatz für Frieden und Menschenrechte. Wo liegen deine persönlichen Prioritäten?
Meine zwei Hauptleidenschaften haben mich zu den Naturfreunden geführt: die Liebe zur Natur (besonders zu den Bergen) und die Freude an der Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturen. Bei den Naturfreunden habe ich eine zusätzliche Dimension entdeckt: die soziale. Unser „Berg frei!“ hat mich wirklich beeindruckt, und ich erkenne jetzt, dass diese einfachen Worte und die schüttelnden Hände in unserem Emblem eine tiefe und sehr wichtige Bedeutung haben. Außerdem habe ich gelernt, dass meine Leidenschaft für das Bergsteigen und Reisen nicht ohne Respekt vor der Natur und den Menschen gelebt werden kann, und dass Nachhaltigkeit das Schlüsselwort für unsere Zukunft ist. Bei den Trainings und Expeditionen, die ich in unserer Organisation mitorganisiere, geht es also keineswegs nur um „Bergsteigen“, sondern um Natur, Nachhaltigkeit, Respekt, Solidarität ...
Und da liegen meine Prioritäten in der Arbeit mit den Menschen im Rahmen unserer Aktivitäten: gemeinsam das gute, einfache Leben genießen, nahe an der Natur, sich gegenseitig auf dem Weg helfen, wobei Freundschaft und Solidarität so viel wichtiger sind als das Erreichen eines Gipfels oder irgendeines prestigeträchtigen Ziels! Darin sind wir NaturfreundInnen eine einzigartige „Marke“ innerhalb der Outdoor-Branche. Unsere Mission ist nicht, mehr Geld zu haben, mehr Mitglieder zu bekommen, sondern unsere starken Werte mit unseren TeilnehmerInnen und Mitgliedern zu teilen.
Internationalität und Solidarität sind zentrale Werte der Naturfreundebewegung, die uns auch von vielen anderen „Freizeitorganisationen“ unterscheiden. Was bedeutet es für deinen Verband ATB „De Natuurvrienden“, Teil der internationalen Naturfreundebewegung zu sein? Und wie werden die traditionellen Werte der Naturfreunde von euren Mitgliedern wahrgenommen?
Ich höre (und lese in Bewertungsbögen) immer wieder von TeilnehmerInnen, dass das, was sie bei unseren Aktivitäten und Trainings erleben, ganz anders ist als das, was sie in anderen Freizeitorganisationen erlebt haben. Bergsteigen neigt dazu, eine Menge Machismus, Wettbewerb und Möchtegern-Heldentum in sich zu tragen. Nichts von alledem findet sich in unseren Aktivitäten. Unsere TrainerInnen sind „Guides am Rande“ statt Seil ziehende Machos. Unsere Gruppen halten zusammen, helfen sich gegenseitig. Wir kochen gesund (und gemeinsam) auf unseren Camps, wir campen umweltschonend, wir beuten die Natur nicht aus, sondern respektieren sie, während wir uns in ihr aufhalten ... Immer wieder Menschen werden zu begeisterten Gästen in Naturfreundehäusern, auch nach nur einer Nacht in einem unserer schönen Häuser unseres internationalen Netzwerks. Und wenn sie hören, dass es NaturfreundInnen in Afrika und sogar auf der anderen Seite des Ozeans gibt, staunen sie und freuen sich, dass sie Teil dieser Bewegung werden können, die sich für eine bessere Welt einsetzt.
COVID-19 hat die Naturfreundearbeit in den letzten Monaten stark eingeschränkt. Viele Naturfreundehäuser mussten geschlossen, gemeinsame Reisen und andere Aktivitäten abgesagt werden. Ein Ende der Pandemie ist momentan leider noch nicht absehbar. Welche besonderen Herausforderungen und Chancen siehst du für die Naturfreunde in der derzeitigen Situation?
Auch wenn ich, meine Familie und Bekannten ebenfalls unter den eingeschränkten Möglichkeiten aufgrund der Corona Beschränkungen leiden, sehe ich es auch als (einen weiteren) Weckruf: Wir sind verletzlich, das kapitalistische Paradigma des Wachstums ist überhaupt nicht nachhaltig. Auch in dieser Krise sehen wir wieder den erbarmungslosen „Matthäus-Effekt“*: Die Schwächsten leiden am meisten, Handwerker verlieren ihre Jobs, die Gebildetsten können daheim arbeiten, der Westen kauft Impfstoffe um jeden Preis, aber ärmere Länder bleiben zurück, in den Flüchtlingslagern auf den Inseln leben die Menschen unter immer schlechteren Umständen ...
Wir NaturfreundInnen müssen wieder für mehr Solidarität und Nachhaltigkeit eintreten. Es braucht ein Denken über den Tellerrand hinaus, kein „business as usual“. Es braucht Nachdenken und Planung: Wie können wir unsere Aktivitäten mehr für die Schwachen von heute öffnen (in Belgien sind MigrantInnen und Flüchtlinge und besonders die so genannten „Sans-Papiers“ die Allerschwächsten)? Vor 100 Jahren setzten sich unsere Gründer dafür ein, die benachteiligten ArbeiterInnen „aus den schmutzigen Fabriken und Städten herauszuholen“, damit sie die Natur genießen konnten: Heute sind andere Gruppen benachteiligt. Warum öffnen wir für sie zum Beispiel nicht unsere Häuser in Anlehnung und Erinnerung an unser „Berg frei!“?
(Februar 2021)
*Matthäus, 25,29: Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
Ursula Vetter | Vizepräsidentin der NFI
Ursula Vetter ist seit dem XXIV. NFI Kongress am 28. November 2020 als
Vizepräsidentin im Vorstandsteam der NFI. Die gebürtige Deutsche ist seit vielen Jahren für die Naturfreunde Italien aktiv und erzählt im Gespräch von ihren Plänen und Ideen für die internationale Naturfreundearbeit.
Ursula, du engagierst dich schon seit vielen Jahren für die Naturfreunde Italien. Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen? Und wie kam es dazu, dass du dich nun auch zusätzlich auf internationaler Ebene für die Naturfreunde einsetzen möchtest?
Ich habe die Naturfreundebewegung gleich nach meiner Ankunft in Italien 1998 kennen gelernt. Ich kam damals aus Paris, wo ich über 10 Jahre lang an einer Waldorfschule unterrichtet habe und fühlte mich eher zur Kultur als zur Natur hingezogen. Als Lebenspartnerin von Luciano Busdraghi, für den das Naturfreundehaus Gran Pino und die Naturfreundebewegung Lebensmittelpunkt waren, begleiteten die Naturfreunde auch mich in meiner Integration in Italien. Nach der Geburt unserer Tochter 2005 begann ich erstmals die Bedeutung einer stabilen Gemeinschaft, eines Lebens im Freien in direktem Kontakt mit der Natur kennen und schätzen zu lernen.
Seit 2017 bin ich im Vorstand der italienischen Naturfreunde GIAN. Eines unserer Hauptziele ist es, die Bewegung aus ihrer „Häuser-Zentriertheit“ heraus auf eine nationale Ebene zu bringen, die über die geographischen und soziologischen Unterschiede hinaus zu einer Gemeinschaft wachsen kann. Von Anfang an hat mich begeistert, wie die italienischen Ortsgruppen mit Menschen aus Amerika, Afrika und dem Balkan in Partnerschaft stehen – genauso wie die Tatsache, dass die italienische Bewegung aufgrund der Initiative der französischen Naturfreunde entstanden ist.
Freundschaft, Partnerschaft, internationale Begegnung stehen im Mittelpunkt der internationalen Naturfreundebewegung. Hier fühle auch ich mich als Deutsche, die in Frankreich eine Heimat sieht und inzwischen seit über 20 Jahren in Italien lebt, zu Hause. Ein weiterer Schritt hin zur NFI war für mich die Begegnung mit der internationalen Naturfreundejugend 2018 im Naturfreundehaus Gran Pino in Cecina. Die dynamische, engagierte, herzliche, internationale Atmosphäre, die diese jungen, begeisterten Menschen mitgebracht haben, hat uns alle beeindruckt.
Die Naturfreunde haben auf nationaler und regionaler Ebene sehr vielfältige Schwerpunkte. Viele Gruppen entwickeln attraktive Freizeitangebote für ihre Mitglieder und/oder betreiben Naturfreundehäuser, andere konzentrieren sich auf politische Arbeit, wobei auch hier die Themen variieren – von Natur- und Umweltschutz bis hin zum Einsatz für Frieden und Menschenrechte. Wo liegen deine persönlichen Prioritäten?
In den letzten Jahren wurde mir immer bewusster, wie wichtig und aktuell das Naturfreundelogo mit den beiden verschiedenfarbigen Händen, die sich zu einem festen Händedruck begegnen, ist. Die anderen Menschen sind anders, aber in der Begegnung liegt die Lösung, im sich gegenseitig Respektieren, Anerkennen und Unterstützen. Respekt der Umwelt gegenüber, aber auch eine respektvolle Begegnung mit den Mitmenschen, das sind die Grundwerte der NFI, denen ich mich verbunden und verpflichtet fühle. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Bergwelt und um Europa, sondern um die ganze Welt – auch das Meer ist frei!
Meine persönlichen Prioritäten liegen eindeutig in der respektvollen Begegnung. Diese kann natürlich auf Reisen, in Seminaren und ähnlichem stattfinden, sie wird jedoch gerade in den Naturfreundehäusern, in denen sich auch Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Interessen begegnen, auf die Probe gestellt. Dieser Respekt im Kleinen, im Mikrokosmos Naturfreundehaus, findet seinen Spiegel im Großen, im Makrokosmos Globus. Wir leben in einer globalen Welt. Dass diese nicht von multinationalen Konzernen, sondern von Austausch, Kooperation und gegenseitiger Unterstützung geprägt ist, liegt auch an uns und besonders an einer Organisation, die sowohl auf lokaler und nationaler als auch internationaler Ebene arbeitet.
COVID-19 hat die Naturfreundearbeit im vergangenen Jahr stark eingeschränkt. Aktivitäten in der Natur waren oft nur noch allein oder im Familienkreis erlaubt, die Naturfreundehäuser mussten geschlossen, gemeinsame Reisen abgesagt werden, Treffen waren vielfach nur noch auf virtueller Ebene möglich. Die Zukunft ist ungewiss, klar ist jedoch, dass uns die Pandemie noch lange begleiten wird. Welche Rolle siehst du für NGOs wie die Naturfreunde in der derzeitigen Situation?
Gerade in der aktuellen Situation ist es wichtig, so oft wie möglich Momente zwischenmenschlicher Begegnung zu schaffen und alle Nischen zu nutzen, um diese zu ermöglichen. Aktivitäten im Freien sind in vielen Ländern erlaubt, wir haben gelernt, mit Maske, Abstand und Hygienemaßnahmen umzugehen. Wo auch immer wir eine Gelegenheit der zwischenmenschlichen Begegnung sehen, sollten wir sie ergreifen, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Wir haben gelernt, auf virtuelle Art miteinander zu kommunizieren und in vielen Fällen hat dies sogar zu einer Intensivierung des Kontaktes geführt. Wir dürfen uns jedoch nicht täuschen lassen: Diese Art der Kommunikation führt die Menschen in eine zunehmende Isolation.
Mit mehr als 350.000 Mitgliedern ist das internationale Naturfreunde-Netzwerk eine der größten NGOs weltweit. Was uns verbindet, sind unsere gemeinsamen Werte wie Solidarität und globale Gerechtigkeit, die wir mit internationalen Aktivitäten, wie der Landschaft des Jahres oder dem Naturfreunde-KlimaFonds, mit Leben füllen. Dennoch ist es für uns oft schwierig, die einzelnen Mitglieder zu erreichen und zur Teilnahme an internationalen Aktivitäten zu motivieren. Hast du Ideen, wie es gelingen könnte, die Mitglieder stärker einzubeziehen?
Ein Punkt ist bestimmt die direkte Information: Jedes Mitglied sollte auch auf lokaler Ebene über die Aktivitäten der NFI informiert sein. Gerade da hat uns die aktuelle sanitäre Krise ein Stück weitergebracht, die sozialen Medien werden stärker verfolgt und ein direkter Kontakt zu den einzelnen Mitgliedern ist einfacher. Da wir jedoch eine Bewegung sind, die auf Ortsgruppen basiert und es darum geht, diese zu sensibilisieren, sollten wir versuchen, die Ortsgruppen einzuladen, über ihr Haus, ihren Ort hinaus zu schauen und sich als Teil einer großen Bewegung zu empfinden. Ein erster Schritt könnten Partnerschaften zwischen Ortsgruppen verschiedener Länder sein; gegenseitige Besuche, gemeinsame Aktionen führen zu persönlichen Kontakten, schaffen ein Bewusstsein dafür, zur selben „Familie“ zu gehören und sich daher auch für die Belange dieser Familie zu interessieren.
(Jänner 2021)
Moussa Traoré | Präsident der Naturfreunde Mali
Vor wenigen Wochen wurde in der Dörfergemeinschaft Finkolo im Süden von Mali der Bau einer Lagerhalle für landwirtschaftliche Produkte feierlich abgeschlossen. Die neue Lagerhalle, die aus Spendengeldern des Naturfreunde KlimaFonds finanziert wurde, ermöglicht eine hygienische Lagerung der landwirtschaftlichen Produkte. Moussa Traoré, Präsident der Naturfreunde Mali, erzählt im Interview, wieso die Lagerhalle so dringend benötigt wurde, wie die Bevölkerung in Finkolo auf das Projekt reagiert hat und wie auch mit vergleichsweise kleinen Projekten viel erreicht werden kann.
Die Naturfreunde Mali sind seit vielen Jahren in Finkolo aktiv und unterstützen die regionale Landwirtschaft, die sich auf den Anbau von Gemüse spezialisiert hat. Wieso wurde nun eine Lagerhalle benötigt?
Moussa Traoré: Durch den Klimawandel nehmen die Dürreperioden zu. Es gibt keine regelmäßige Regenzeit mehr, manchmal kommt es zu einem kompletten Ernteausfall. In der neuen Lagerhalle können die landwirtschaftlichen Produkte auch über einen längeren Zeitraum gelagert werden – so können die Menschen Dürreperioden besser überdauern und ihre landwirtschaftlichen Produkte besser und mit weniger Verlusten vermarkten.
Das Projekt in Finkolo konnte dank zahlreicher Spenden von europäischen Naturfreundinnen und Naturfreunden sehr rasch umgesetzt werden. Was bedeutet das Projekt für die Menschen in Finkolo? Wie waren die Reaktionen aus der Bevölkerung?
Ich nehme dieses Interview zum Anlass, um den Spendern und Spenderinnen, den europäischen Naturfreundinnen und Naturfreunden zu danken. Es war zu Beginn nicht abzusehen, ob, angesichts der Sicherheitslage in Mali der Bau dieser Lagerhalle finanziert werden würde. Danke für euer Vertrauen!
Und nun zu eurer Frage: Für die Menschen in Finkolo bedeutet das Projekt Hilfe, Unterstützung und einen Beitrag auf dem Weg zu nachhaltiger Entwicklung. Die Verwirklichung dieses Projekts hat bei der Bevölkerung Freude, Zufriedenheit und große Einsatzbereitschaft geweckt. Die Menschen sind sich sicher, dass die landwirtschaftlichen Produkte nun besser gegen die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung geschützt werden. Sie werden noch motivierter im Gemüseanbau, ihrer Haupteinnahmequelle, arbeiten. Ich kann euch versprechen, dass sich die Auswirkungen dieser verschiedenen Projekte positiv auf die landwirtschaftliche Produktivität dieser engagierten Frauen auswirken werden!
Ich danke allen Naturfreundinnen und Naturfreunden für ihre Spenden zu Gunsten einer Bevölkerung, die sie so notwendig braucht. Diese Spenden sind eine starke Hilfe für die Empfänger, motivieren sie und geben ihnen viel Hoffnung.
In Europa wissen die meisten Menschen nicht viel über das Leben in Mali. Wie gestaltet sich die Arbeit für eine Organisation wie die Naturfreunde in deinem Land? Was sind eure Prioritäten?
Unsere Organisation 2ADIB-MALI/AMIS DE LA NATURE ist ein Verein, dessen Arbeit durch die Statuten und Geschäftsordnungen geregelt ist. Der Vorstand, der von der Generalversammlung als dem obersten Organ des Vereins bestimmt wird, legt die Prioritäten der Arbeit bei mehreren Sitzungen pro Jahr fest.
Wir arbeiten auf humanitärem Gebiet, im Natur- und Umweltschutz, überall dort, wo in Mali die Sicherheit garantiert ist. Unsere Arbeitsschwerpunkte betreffen:
• Natur- und Umweltschutz
• Engagement für nachhaltige Entwicklung
• Armutsbekämpfung
• Einsatz für Grundschuldbesuch für alle
• Veranstaltung von Arbeitseinsätzen für Freiwillige aus aller Welt zur Förderung des Ökotourismus.
Du bist schon sehr lange als Präsident der Naturfreunde Mali aktiv. Was motiviert dich besonders für deine Tätigkeit?
Drei Anliegen motivieren mich für meine Tätigkeit als Hauptakteur der Naturfreunde Mali:
1. gegen Armut anzukämpfen
2. den Klimawandel als Bedrohung unserer Gesellschaft zu bekämpfen
3. durch Unterstützung denjenigen, die es brauchen, wieder Freude zu geben
Ganz allgemein möchte ich dort, wo es notwendig ist, mich in den Dienst der Gesellschaft stellen! Mein Großvater pflegte des nachts am Feuer zu sagen: „Mein Kleiner: achte immer gut auf dich, leiste deinen Betrag, wo immer er notwendig ist, genieße dieses schöne Leben, denn es ist kurz, und versuche, keinen sinnlosen Tod zu sterben."
(Mai 2020)
Mehr Informationen zum Projekt
Kostas Foteinakis | Präsident der Naturfreunde Griechenland
Kostas Foteinakis hat die Naturfreunde Griechenland mitbegründet und ist seit 2012 ihr Präsident. Im Interview gibt er Einblicke in die Arbeit der Naturfreunde Griechenland und wie diese mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Land umgehen.
Wie lange bist du schon Mitglied bei den Naturfreunden, und welche Rolle spielen sie für dich?
Ich bin eines der Gründungsmitglieder der Naturfreunde Griechenland, also seit 2007. Ein Jahr später, 2008, wurden die Naturfreunde Griechenland Vollmitglied der NFI. Zu dieser Zeit war ich Vorsitzender eines örtlichen Umweltclubs, und wir wollten Kontakt mit einer europäischen oder internationalen Umweltorganisation aufnehmen und mit ihr zusammenarbeiten, weil wir davon überzeugt sind, dass die großen Umwelt- und Sozialfragen wie der Klimawandel, die Menschenrechte, das Recht auf Arbeit und Bildung, Demokratie, nachhaltige und gerechte Entwicklung, der Erhalt des Weltkulturerbes und der Artenvielfalt nicht nur auf lokaler oder nationaler Ebene, sondern parallel auf europäischer und internationaler Ebene angegangen werden müssen. Im Jahr 2007 haben wir nach Umweltorganisationen gesucht, die sich sowohl sozial als auch politisch engagieren, und wir sind auf die NFI gestoßen. 2007 wurde die Gründung der Naturfreunde Griechenland initiiert. Ich war als Gründungsmitglied dabei und seit 2008 bin ich Vorstandsmitglied und seit 2012 Vorsitzender.
Die Gründe, warum ich mich bei den Naturfreunden engagiere, sind dieselben wie schon 2007, und weitere sind dazu gekommen: das Migrationsthema, das Erstarken der extremen Rechten u.ä.m.
Griechenland ist eine der kleineren Mitgliedsorganisationen, aber sehr aktiv, insbesondere in den Sozialen Medien. Wie wichtig ist das internationale Netzwerk für eure Arbeit und wie können wir uns auch online stärker vernetzen?
Die Zusammenarbeit mit der NFI und die Möglichkeit der Nutzung der Positionen, Vorschläge usw. der Organisation sind für uns besonders hilfreich. Viele der NFI-Ankündigungen, Resolutionen und Pressemitteilungen werden in unsere Sprache übersetzt. Zwei aktuelle Beispiele sind: a) die PA „Menschenrechte - auch im Tourismus!“ und b) die Resolution der letzten NFI-Konferenz "Klimawandel ist die reale Bedrohung, nicht Migration!“.
Wir haben auch das jüngste Manifest der Green 10 zu den Europawahlen und die Berliner Erklärung "Transforming Tourism" übersetzt. Wir glauben, dass die Menschen in Griechenland ohne die Zusammenarbeit zwischen NFI und Naturfreunde Griechenland nichts davon erfahren hätten. Wichtige „Tools“ für unsere Aktivitäten und für die Meinungsbildung spielen meiner Meinung nach diese Texte der NFI: a) Das Manifest für ein neues Europa, das auch heute noch aktuell ist, und b) „The Climate Chapter“; diese beiden Dokumente sind auf Griechisch übersetzt worden.
Gleichzeitig arbeiten die Naturfreunde Griechenland mit anderen Organisationen und europäischen Netzwerken zusammen. Eines davon ist das Seattle to Brussels Network / S2B zu Fragen der Handelsabkommen der Europäischen Union mit anderen Ländern oder zur Zusammenarbeit von Ländern, wie beispielsweise das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA.
Griechenland hat schwierige Jahre hinter sich, die wirtschaftliche Situation ist angespannt, es gab massive Finanzkürzungen. Was sind die Konsequenzen für eine Organisation wie die Naturfreunde? Wie habt ihr diese Hindernisse überwunden?
Es ist eine Tatsache, dass die wirtschaftlichen Einschnitte und harten Maßnahmen teilweise auch unsere Organisation getroffen haben. Was in jeder Gruppe und Organisation eine Rolle gespielt hat und immer noch spielt - und nicht nur für die Naturfreunde Griechenland - ist die Unsicherheit über die Zukunft sowie andere Dinge, die die Gesellschaft betreffen, wie die Arbeitslosigkeit (sie ist gottseidank von 27% auf 19% gesunken), Schulden bei Banken, die Flüchtlingskrise, die Sicherheit von Renten usw.
Doch auch in Zeiten einer schweren politischen und sozialen Krise ist das Interesse der griechischen BürgerInnen an der Umwelt eines der höchsten in der EU. Dennoch gibt es eine Differenz zwischen dem Interesse und dem Handeln.
Die Naturfreunde Griechenland haben unter diesen politischen und sozialen Umständen zunächst die Beiträge für Mitglieder, die arbeitslos oder geringfügig beschäftigt waren, um 80% gesenkt. Gleichzeitig haben wir Solidaritätsaktionen gestartet, nicht nur für unsere Mitglieder, sondern auch für andere Bedürftige. Das ungünstige Klima hat die Naturfreunde Griechenland beeinflusst, aber nicht gestoppt - wir, die Führungsgruppe, sind uns unserer Verantwortung bewusst, was sich auch in unserem Handeln widerspiegelt.
Die Naturfreunde Griechenland konzentrieren sich insbesondere auf die politische Arbeit. In welchen Bereiche seid ihr am aktivsten und warum sind sie für dich als Naturfreund wichtig?
Die NF Griechenland haben für das Programm 2018–2022 unter dem Titel "Die Zukunft gehört denen, die sie heute vorbereiten" gestimmt. Dies ist ein bekannter Satz des afroamerikanischen Aktivisten für politische Rechte, Malcolm X. (die Zusammenfassung ist auf Englisch verfügbar http://joom.ag/LF4Y).
Wir engagieren uns in diesen Bereichen:
- Wir nehmen an einer öffentlichen Konsultation zu Gesetzentwürfen im Umweltbereich teil und auch zu anderen Themen wie Tourismus, nachhaltige Entwicklung usw. Unsere Freiwilligen erarbeiten Vorschläge. Die jüngste Intervention betrifft die Energieplanung und den Klimawandel. Diese Aktion ist für die Gesellschaft nicht besonders sichtbar und den NF-Mitgliedern in Europa und der ganzen Welt scheinbar unbekannt. Diese Interventionen haben nicht nur rechtlicher und technischer Art, sondern haben auch einen sozialen Anspruch.
- Die NF Griechenland sind die stärkste Kraft in der STOP-TTIP-CETA-TiSA-Bewegung und auch der Social-Media-Administrator für diese Bewegung (Blogs, Facebook etc.).
- Wir sind als Mitglieder der Zivilgesellschaft in den Sonderausschüssen des Parlaments für Umwelt und Handel vertreten.
- Wir unterstützen den Kampf gegen den Goldbergbau auf den Chalkidiki und den Abbau von Kohlenwaserstoffen in ganz Griechenland.
- Während der „World Days“ zeigen wir unsere Positionen durch Aktivitäten, die wir organisieren - wir betrachten sie nicht als Allheilmittel, sondern nutzen diese Gelegenheit, um unsere Positionen zu artikulieren. Normalerweise organisieren wir Besuche von Parks und Naturräumen.
- Wir setzen auf die 17 SDGs, obwohl viele Menschen in unserem Land sie für eine "Wunschliste" halten. Wir fördern und fordern sie ein.
- Unsere große Schwäche ist a) die geringe Anzahl der Mitglieder und damit der Mangel an finanziellen Mitteln, b) der Mangel an jungen Mitgliedern, etc.
- Unsere großen Stärken sind unsere Mitglieder, Freiwillige und Partner.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die NF Griechenland - neben anderen Aktionen - zwei Programme durchführen: a) das Programm „Weniger Abfall - Besseres Leben“ (denn das größte und komplexeste Problem in unserem Land ist die Reduzierung und umweltfreundliche Behandlung von Abfällen) und b) das Programm "Go to West - We Discover West Athens", das Führungen in einem heruntergekommen Stadtteil mit bedeutenden historischen Pfaden, einen Workshop über nachhaltige Entwicklung und einen Stadtführer umfasst. Diese Themen werden wir auch in einem Newsletter behandeln, der sich speziell an NF-Mitglieder auf der ganzen Welt richtet.
Abschließend möchte ich die NFI informieren, dass es uns gelungen ist, den Status wiederherzustellen, den wir zwischen 2010 und 2012 verloren haben, und dass wir methodisch und ohne Druck weiterhin für den Naturschutz, den Erhalt der biologischen Vielfalt und des kulturellen Erbes kämpfen werden, indem wir in Netzwerken von BürgerInnen und Institutionen in Griechenland, Europa und der ganzen Welt aktiv sind.
(Januar 2019)
Simon Neal | Vorsitzender Friends of Nature UK (Naturfreunde Großbritannien)
Hallo zusammen und Grüße aus Scottish Borders! Ich habe Geowissenschaften studiert und die letzten 20 Jahre im Bereich Tourismus und Nachhaltigkeit gearbeitet. Ich wandere und reise gerne, liebe die Natur und interessiere mich dafür, wie wir leben können, ohne unserem Planeten zu schaden. Ich engagiere mich seit etwa 15 Jahren bei den Naturfreunden, zunächst als Umweltreferent und seit neun Jahren als Vorsitzender.
Simon, du hast eine führende Rolle bei der Entwicklung der Naturfreunde UK gespielt – was war denn deine Motivation?
Ein starker Glaube daran, dass die Naturfreunde eine einzigartige Organisation sind, was das Engagement von Freiwilligen, das Netzwerk der Häuser und das Engagement für die Umwelt betrifft. Ohne pathetisch sein zu wollen, glaube ich, dass unsere Bewegung eine Art Strategie oder Rahmen für den Alltag bietet. Wir alle können versuchen, die Welt durch unser tägliches Handeln und unsere täglichen Entscheidungen zu einem besseren Ort zu machen, sei es als Einzelne/r oder als Gruppe.
Die Naturfreunde Großbritannien ist eine kleine, aber sehr aktive Organisation; ihr habt 4 Kerngruppen, 8 Hütten, Mitglieder in allen Landesteilen – und das alles wird nur mit Freiwilligen auf die Beine gestellt. Wie schafft ihr es, den Zusammenhalt in eurer Organisation zu stärken?
Es ist eine Herausforderung! Im europäischen Vergleich sind wir eine kleine Gruppe, wir haben aber das Glück, einen begeisterten Kern von Mitgliedern zu haben. Unser Haus in Kirk Yetholm etwa wird von einer engagierten Gruppe von Freiwilligen betrieben, in Norwich gibt es schon seit Langem eine Gruppe von etwa 80 Mitgliedern, die sich regelmäßig zu Spaziergängen und Veranstaltungen trifft. Wir versuchen, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit aufrechtzuerhalten, neue Mitglieder über das Internet und Social Media zu gewinnen und zu binden.
Was sind eure Ziele und Aktivitäten? Und was bedeutet es für euch, Teil der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein?
Unsere übergeordneten Ziele sind es, die Menschen zu befähigen und zu inspirieren, die Natur zu erkunden, die Natur zu schätzen und ein Gefühl der „Verantwortung“ für ihr Leben und für unseren Planeten zu entwickeln. Dies erreichen wir, wenn auch nur in unserem beschränkten Wirkungskreis, indem wir Orte schaffen, wo man sich aufhalten und treffen kann (nämlich unsere Häuser) und indem wir Ideen mit anderen Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen und Kulturen austauschen. Nachhaltigkeit ist das neue Schlagwort ... wir leben sie schon seit Jahren! Als Mitglied der Naturfreunde Internationale haben wir die Möglichkeit, Menschen aus anderen Kulturen zu treffen und andere Standpunkte und Sichtweisen kennen zu lernen. Letztendlich haben wir so viel gemeinsam ...
Was werden denn die größten Herausforderungen in den nächsten 10 Jahren sein – für die Naturfreunde UK und für die internationale Naturfreunde-Bewegung?
Die Naturfreunde und das, wofür wir stehen, bekannt zu machen und zu verbreiten, ist vielleicht unsere größte Herausforderung – nicht nur, um Mitglieder zu binden, sondern auch, um aktiv Kontakt aufzunehmen und anderen zu vermitteln, was wir tun. Ich bin fest davon überzeugt, dass Mundpropaganda die beste Form der Werbung ist. Wenn wir selbst von den Werten der Naturfreunde begeistert sind, zeigen, was wir zu bieten haben und andere ermutigen, sich uns anzuschließen, werden wir erfolgreich sein. Die NFI muss die internationale Plattform bieten, um die einzelnen Organisationen zu präsentieren, die Naturfreunde einem neuen Publikum bekannt zu machen und den notwendigen „Klebstoff“ zu liefern, um alles zusammenzuhalten.
Im Namen von Friends of Nature UK wünsche ich allen naturfreundliche Weihnachten und ein gesundes, glückliches und friedliches Jahr 2019!
(Dezember 2018)
Hynek Pečinka | Präsident von Přátelé přírody z. s. (Naturfreunde Tschechien)
Hynek Pečinka, Präsident von Přátelé přírody z. s. (Naturfreunde Tschechien), spricht im Interview über seine Teilnahme am „Naturefriends Sports for All“-Projekt und die vielen neuen Ideen, die mit den Mitgliedern geteilt werden sollen. Er freut sich auf die nächsten internationalen Begegnungen mit anderen Naturfreunde-Gruppen.
Du bist schon seit vielen Jahren für die Naturfreunde Tschechien aktiv. Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was hat dich bewogen, dich all die Jahre zu engagieren? Was waren bisher deine beeindruckendsten Momente bei Přátelé přírody z. s.?
Meine Karriere in „grünen Bewegungen“ begann ich bereits 1990 als Pfadfinder und schloss mich später jungen Umweltschützern an. 1995 wurde ich Mitglied der Organisation Duha, die damals die Jugendorganisation der Naturfreunde Tschechien war. Ich habe in der Ortsgruppe in Olmütz in der Jugendarbeit begonnen und bin schließlich Vizepräsident der gesamten Landesorganisation geworden. Im Jahr 2010 hatte ich das Gefühl, dass ich eine Pause oder einen Wechsel von der Jugendarbeit brauche, und deshalb gründete ich zusammen mit mehreren Personen eine lokale Gruppe in Olmütz, die „erwachsenen Naturfreunde“, und begann, Outdoor- und Kulturaktivitäten für Erwachsene zu organisieren. Heute hat die lokale Gruppe 70 Mitglieder und führt mehr als 60 Veranstaltungen pro Jahr durch. Seit 2010 bin ich auch im Vorstand der tschechischen Naturfreunde aktiv und versuche unsere Mitglieder zu motivieren, die Dinge voranzutreiben, zu kooperieren und auf lokaler und nationaler Ebene sichtbarer zu werden.
Ich kann mich an mehrere Dinge erinnern, die zeigen, dass meine Bemühungen Früchte tragen. Im Jahr 2012 begannen wir, einmal im Jahr ein 4-tägiges nationales Treffen zu organisieren – und diesen Oktober trafen sich die Menschen zum siebten Mal; es freut mich, ihre Freunde aus anderen lokalen Gruppen und auch einige neue Gesichter zu sehen. Auch der bundesweite „Tag der Naturfreunde“ findet bereits seit mehreren Jahren statt und macht uns in den Gemeinden sichtbar, in denen unsere lokalen Gruppen arbeiten. Aber was mich am meisten beeindruckt hat, war die Busfahrt zur Auftaktveranstaltung der Landschaft des Jahres Oberrhein, bei der wir die Grenzregion der drei in der Kampagne eingebundenen Länder – Deutschland, Schweiz und Frankreich – kennen lernen durften. Mehr als 50 tschechische NaturfreundInnen haben daran teilgenommen und verbrachten über eine Woche zusammen, viele der Freundschaften halten bis heute – und ihr wisst, dass die persönliche Einstellung jede Struktur und auch unsere Bewegung stärker macht.
Was mich bewegt, meine Zeit in diese Dinge zu investieren? Es ist einfach mein Lebensstil, ich mag Menschen und ich mag es, sinnvolle Dinge für sie und mit ihnen zu tun. Und ich denke auch, dass jede/r etwas Gutes für die anderen zurücklassen und das zurückgeben sollte, was er/sie einmal erhalten hat.
Přátelé přírody z. s. ist einer der kleinen Mitgliedsverbände der NFI. Was bedeutet es für euch, Teil der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein? Wie bringt ihr euch ins internationale Netzwerk der NFI ein – und wie profitiert ihr davon?
Ein Teil einer internationalen Struktur zu sein, bedeutet viele Möglichkeiten für jede/n, der/die die Welt um sich herum von einer anderen „Flughöhe“ aus sehen möchte. Die Tatsache, dass die tschechischen Naturfreunde Teil einer größeren Familie von Gleichgesinnten sind, öffnet uns ein Tor zur Zusammenarbeit: Reisen, Begegnungen mit interessanten Menschen, Mitwirkung an Entscheidungen, die auch uns betreffen, und Austausch von Erfahrungen und Wissen. Einfach gesagt bedeutet es, international zusammenzuarbeiten und voneinander in Bezug auf die jeweiligen Besonderheiten zu lernen.
Unser Motto lautet: „Wir sind von Natur, Geschichte und Kultur begeistert. Wir mögen es, die Welt um uns herum zu gestalten.“ Und die Zugehörigkeit zur Naturfreunde-Bewegung hilft uns, neue Impulse zu erhalten und auch unser Know-how in diesen Handlungsfeldern zu teilen.
Ihr nehmt dieses Jahr am Erasmus+ Projekt „Naturefriends Sports for all“ teil. Die Verbände sollen damit Tools in die Hand bekommen, mit denen sie Natursportangebote für Menschen mit Behinderungen entwickeln können. Im Frühjahr und im Herbst gab es Workshops zu den Themen barrierefrei Wandern und Klettern. Was nehmt ihr mit zurück zu Přátelé přírody z. s.? Welche Angebote möchtet ihr entwickeln?
Die meisten unserer lokalen Gruppen sind im Outdoor-Sport wie Wandern oder Skifahren aktiv, einige von ihnen haben bereits erlebt, dass eine Person mit Behinderungen an einer Outdoor-Veranstaltung teilnimmt, aber für einige von ihnen ist es ein neues Thema. Deshalb haben wir die Idee des Projekts „Sports For All“ begrüßt, unsere TeilnehmerInnen zu den Workshops geschickt und das Projekt in unseren lokalen Gruppen beworben. Wir möchten die gewonnenen Erkenntnisse in einem einwöchigen Workshop im kommenden Jahr weitergeben, damit unsere OrganisatorInnen offener für gemeinsame Aktivitäten für Menschen mit und ohne Behinderungen sein können und selbstbewusster und besser auf alle Eventualitäten vorbereitet sind, die bei der Organisation solcher Veranstaltungen auftreten können. Soweit ich weiß, gibt es in Tschechien nicht so viele NaturfreundInnen, die klettern. Deshalb werden wir uns in unserem Workshop auf das Wandern konzentrieren.
Im Oktober fand die Jahreskonferenz der Naturfreunde Internationale in Wien statt, bei der viele Ideen für zukünftige Aktivitäten diskutiert wurden, wie zum Beispiel der „Global Naturefriends Day 2020“ oder die Fortsetzung des Erasmus+ Projekt diskutiert wurden. Welche Aktionen wären für euch besonders attraktiv?
Ich persönlich begrüße alle Aktionen, die die Naturfreunde Internationale nicht zu einer Plattform von Chefs der nationalen Verbände machen, sondern Möglichkeiten direkt für die Mitglieder bieten. So ist beispielsweise die Information, dass man an einem Workshop mit NaturfreundInnen aus anderen Ländern teilnehmen kann - und nicht als Delegierter an einer Konferenz - für die einzelnen Mitglieder wahrnehmbar – und damit kann man auch besser argumentieren, wenn man gefragt wird, wofür die NFI gut ist. Ich würde daher Projekte bevorzugen, die sich auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch oder gemeinsame Kampagnen mit konkreter Wirkung konzentrieren, wie den weltweiten Naturfreunde-Tag. Dies ist wertvoller als Tonnen von Positionspapieren und Erklärungen.
(November 2018)
Sékou Kader NANAMOU | Präsident der Naturfreunde Guinea (ALUSFADE-GUINEE)
Sékou Kader NANAMOU ist der Präsident der Naturfreunde Guinea, die im Oktober mit der Umsetzung des aktuellen Projekts des Naturfreunde-Klimafonds begonnen haben. Im Interview spricht er über dieses Projekt und über die Arbeit der Naturfreunde in Guinea.
Die Naturfreunde Guinea haben gerade mit der Umsetzung des aktuellen Projektes des Naturfreunde-Klimafonds im Biosphärenreservat der Nimba Berge begonnen. Was soll mit diesem Projekt erreicht werden?
Das Projekt soll in der Bevölkerung Guineas, aber insbesondere bei den Menschen, die in den Nimba Bergen leben, Bewusstsein für den Klimaschutz schaffen. Wir informieren und zeigen den Menschen, wie verbesserte Kochstellen funktionieren – so werden sie sehen, dass sie damit einen Beitrag gegen die Rodung der Wälder und gegen die globale Erwärmung leisten können.
Weiters soll das Projekt lokale Behörden, und letztlich auch die Regierung, dazu ermutigen, Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels zu ergreifen bzw. zu verstärken. Und es ist durchaus möglich, dass Partnerschaften geschlossen werden, um Synergien von Aktionen und Maßnahmen in anderen Teilen des Landes zu erzielen.
Was unterscheiden denn die neuen Kochstellen von den traditionellen?
Die Unterschiede sind enorm! Im Gegensatz zu den herkömmlichen Kochstellen verbrauchen die verbesserten weniger Holz, sie werden schneller heiß, sie halten die Wärme länger, sie helfen Zeit zu sparen, weil sich die Kochzeit verkürzt, sie sind wirtschaftlicher, sie tragen zum Umweltschutz bei (weniger Abholzung, weniger negative Auswirkungen auf das Klima), sie schützen die Gesundheit der Menschen, weil sie weniger Rauch emittieren.
Du bist seit 2. August 2006 Präsident der Naturfreunde Guinea. Was hat dich dazu bewogen, dich für diese Funktion zu bewerben?
Ganz einfach: Als Guineer bin ich mir bewusst, dass die socio-ökonomische Entwicklung nicht nur Sache der Regierung ist. Daher haben wir ALUSFADE-GUINEE gegründet, eine Nicht-Regierungsorganisation. Da ich eine Universitätsausbildung und Know-how im Management habe, habe ich mich als Präsident dieser NGO beworben, um zur nachhaltigen Entwicklung Guineas – und warum nicht auch des afrikanischen Kontinents – beizutragen.
ONG ALUSFADE-GUINEE ist für den Klimaschutz sehr aktiv. Was sind darüber hinaus eure Schwerpunkte? Und was bedeutet es für euch, Teil der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein?
Neben dem Umweltschutz, wo wir zahlreiche Projekte zum Klimaschutz durchführen, sind wir in vielen anderen Themenbereichen aktiv, das betrifft etwa die Landwirtschaft, die Viehzucht, die Alphabetisierung, die Gesundheit (insbesondere die sexuell übertragbaren Krankheiten und HIV/Aids betreffend), die Politik und die Menschenrechte.
Teil der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein, bedeutet für mich einen Gewinn im Hinblick auf den Austausch von Erfahrungen, die finanziellen Möglichkeiten, die Effizienz, die Führung, letztendlich für den Erfolg unseres Kampfes für eine gesunde Umwelt für die Menschen.
(Oktober 2018)
Hannu Puhalainen | Präsident der Naturfreunde Finnland
Hannu Puhalainen, 66 Jahre alt und wohnhaft in Rovaniemi, ist der Präsident der Naturfreunde Finnland und auch Vorsitzender der Naturfreunde-Gruppe Rovaniemi. Hannus Heimat ist das Finnische Lappland und daher sind die Natur und das Wandern elementare Bestandteile seines Lebens. Im Interview spricht Hannu über seine persönliche Motivation für sein Engagement in der Naturfreunde-Bewegung und über seine Pläne für die Zukunft.
Tyovaen retkeilyliitto, die Naturfreunde Finnland, wurde 1971 als nationale Sportvereinigung gegründet. Was sind heute eure Ziele und Hauptaktivitäten?
Unser Ziel ist es, unsere Organisation zu stärken, indem wir verschiedenste Aktivitäten organisieren und so das Interesse der Menschen für das Wandern und die Naturschätze wecken – damit sie selbst aktiv werden. Wir möchten auch die Zahl unserer Ortsgruppen erhöhen, sodass wir überall in Finnland präsent sind.
Wir koordinieren und unterstützen die Aktivitäten unserer Ortsgruppen. Wir unterhalten eigene Hütten, die wir hauptsächlich an unsere Mitglieder vermieten. Wir geben ein Magazin heraus, das ein wichtiges Bindeglied zwischen unseren Mitgliedern ist und die Zusammenarbeit unter den Verbänden fördert.
Was ist deine persönliche Motivation, dich für die Naturfreunde zu engagieren?
Meine Hauptmotivationen sind, Menschen zu treffen, die dieselben Werte teilen, in der Natur zu sein und sie zu genießen, zu fischen, Beeren zu pflücken, mit Kaffee und Würsten am Lagerfeuer zu sitzen ... Ich mag es auch, anderen Menschen die Natur näher zu bringen.
Tyovaen retkeilyliitto ist eine kleine, aber sehr aktive Organisation, mit rund 1.700 Mitgliedern. Was bedeutet es für dich, Mitglied der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein?
Als Mitglied der Naturfreunde Internationale sind wir über Ereignisse und aktuelle Trends in Europa informiert. Aktuell bringen uns die Naturfreunde die Natur und Umwelt Afrikas näher. Wir hoffen, dass gerade durch die Internationalität jüngere Menschen angesprochen werden, bei unseren Aktivitäten mitzumachen. Bislang konnten wir diese Chancen in unseren Aktivitäten nicht voll ausschöpfen.
Was sind die größten Herausforderungen in den nächsten 10 Jahren – für die Naturfreunde Finnland und die internationale Naturfreunde-Bewegung?
Für uns in Finnland ist die größte Herausforderung, junge und aktive Menschen für unsere Organisation zu begeistern, und unsere Mitgliederzahl zumindest zu halten.
Ich denke, dass die internationale Naturfreunde-Bewegung die Balance finden muss zwischen der lokalen und globalen Dimension. Die geteilten, gemeinsamen Aktivitäten sollten für ein breites Publikum interessant sein, gleichzeitig sollen auch die Landesorganisationen die Vorteile einer globalen Zusammenarbeit sehen. Dazu könnten die Kommunikation und Interaktion in gemeinsamen Projekten beitragen.
Tyovaen retkeilyliitto
(September 2018; die deutsche Version dieses Textes basiert auf der englischen Übersetzung des finnischen Interviews von Hannele Pöllä, Koordinatorin für internationale Beziehungen bei den Naturfreunden Finnland)
Maritta Strasser | Bundesgeschäftsführerin der NaturFreunde Deutschlands
Seit 1. Juli 2018 ist Maritta Strasser die neue Bundesgeschäftsführerin der NaturFreunde Deutschlands. Sie folgt Hans-Gerd Marian, der sich nach seiner langjährigen Tätigkeit für die NaturFreunde Deutschlands in den Ruhestand zurückzieht. Im Interview erzählt Maritta von ihren Vorstellungen und Plänen.
Mit über 70.000 Mitgliedern sind die NaturFreunde Deutschlands der zweitgrößte Mitgliedsverband der Naturfreunde Internationale. Wo siehst du Eure Stärken und Eure Prioritäten für die zukünftige Arbeit?
Bei den NaturFreunden Deutschlands gibt es so viel Aktivität: Sportausbildungen, Reisen, eigene Häuser, Naturschutzprojekte, Kulturangebote … Die NaturFreunde leisten enorm viel, und das allermeiste davon ehrenamtlich. Davor habe ich großen Respekt. Aber das spricht sich zu wenig herum. Wir sollten selbstbewusster werden. Wir haben viel zu bieten! Wir sollten die vielen Menschen, die bei uns Sport treiben oder zu Gast sind, noch viel konsequenter einladen, auch bei uns Mitglied zu werden.
Wo siehst du persönlich die größten Herausforderungen?
Ich möchte die NaturFreunde auf einen Mitglieder-Wachstumskurs bringen, damit wir auf Dauer eine Zukunft haben. Deshalb will ich mehr für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit tun. Ich möchte auch für einen Kulturwandel innerhalb des Verbandes werben. Ich möchte, dass wir offener werden, einladender – und ganz besonders junge Menschen ansprechen. Die Zusammenarbeit mit der Naturfreundejugend ist mir deshalb sehr wichtig.
Die NaturFreunde Deutschlands bezeichnen sich als „politischer Freizeitverband“. Was genau ist darunter zu verstehen? Und welchen Stellenwert hat für Euch die politische Arbeit – auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene?
Wir sind quasi das Lagerfeuer, an dem sich die Menschen versammeln, die der Überzeugung sind, dass in diesem Land etwas ganz grundsätzlich falsch läuft: Die Natur wird immer rücksichtsloser ausgebeutet, um Reichtümer anzuhäufen, von denen immer weniger Menschen profitieren. Als Einzelne sind wir machtlos, nur gemeinsam können wir etwas ändern. Weil nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch Erholung braucht, kämpfen wir nicht nur gemeinsam, sondern genießen auch gemeinsam Sport und Freizeit.
Es braucht uns mehr denn je. Die Parteien haben für die Herausforderungen unserer Zeit immer weniger Antworten. Ihre Kraft schwindet. Somit ist es an der Zivilgesellschaft, gesellschaftliche Alternativen zu formulieren – zur Politik der Abschottung, zur Umverteilung von unten nach oben und zur rücksichtslosen Ausbeutung unseres Planeten.
Ein wichtiges Ziel der internationalen Naturfreunde-Arbeit ist es, die Werte unserer Bewegung wie zum Beispiel internationale Solidarität erlebbar zu machen und einen aktiven Beitrag zu leisten, etwa mit dem Naturfreunde KlimaFonds oder auch mit der Landschaft des Jahres im Grenzgebiet von Senegal und Gambia. Wie wichtig ist aus deiner Sicht internationales Engagement für eine Bewegung wie die Naturfreunde?
Ich finde das globale Engagement sehr wichtig, aus zwei Gründen: Erstens machen Klimawandel und erschöpfte globale Ressourcen nicht an Grenzen halt – es sind globale Probleme, die sich nur in einer gewaltigen globalen Kraftanstrengung lösen lassen.
Zweitens ist Solidarität unser zentraler Wert und Solidarität kann keine Grenzen kennen, wenn sie ernst genommen wird. Denn die Ausgrenzung, die Begrenzung von Unterstützung nur auf bestimmte Menschengruppen ist zutiefst unsolidarisch. Weil wir alle Menschen sind, wollen wir an Rechten gleich und frei sein. Unsere Vielfalt ist unser Reichtum.
(Juli 2018)
Ciprian Costa | Präsident Naturfreunde Rumänien
Ciprian Costa ist Präsident der rumänischen Naturfreunde und hat vor Kurzem an einem
internationalen Naturfreunde -Workshop zu barrierefreien Sportangeboten in Wien teilgenommen. Im Gespräch erzählt er von seinen bisherigen Höhepunkten in der Naturfreundearbeit und von seinen Visionen für die nächsten Jahre.
Du bist schon seit vielen Jahren für die Naturfreunde Rumänien aktiv. Wie bist du zu den Naturfreunden gekommen und was hat dich bewogen, dich all die Jahre zu engagieren? Was waren bisher deine beeindruckendsten Momente bei Prietenii Naturii Romania?
Vor 25 Jahren, während meines Studiums in Timisoara, war ich Mitglied bei einem Gebirgsverein, einem Partner der NFI. Mir gefiel das Motto "Natur & Kultur" und das Angebot an Aktivtäten, aber ich schätzte es auch, ein Mitglied der "großen Naturfreunde-Familie" zu sein. Daher war einer der wichtigsten Momente für mich, als Rumänien ein A-Mitglied der NFI wurde.
Weitere wichtige Schritte und Projekte waren: die Auszeichnung für Cabana Codin beim Klima-Wettbewerb, die Landschaft des Jahres Donau-Delta, zwei neue Mitgliedsorganisationen bei den Naturfreunden Rumänien, die Beteiligung des Banat-Gebietes im Projekt "Hiking Europe" – und 2017 haben wir auch ein neues Managementsystem für unsere Mitglieder eingeführt.
Prietenii Naturii Romania ist einer der kleinen Mitgliedsverbände der NFI. Was bedeutet es für euch, Teil der internationalen Naturfreunde-Bewegung zu sein? Wie bringt ihr euch ins internationale Netzwerk der NFI ein – und wie profitiert ihr davon?
Wir sind eine kleine Organisation im Westen des Landes und haben ein Naturfreundehaus. Unsere Mitglieder sind in Kontakt mit Naturfreunde-Organisationen in ganz Europa. Wir nehmen an Workshops und Seminaren teil und stehen im stetigen Erfahrungsaustausch mit anderen Mitgliedern. Wenn unsere Mitglieder im Ausland unterwegs sind, nächtigen sie vorzugsweise in Naturfreunde-Häusern.
Ihr nehmt dieses Jahr am Erasmus+ Projekt „Naturefriends Sports for all“ teil. Die Verbände sollen damit Tools in die Hand bekommen, mit denen sie Natursportangebote für Menschen mit Behinderungen entwickeln können. Der erste Workshop, an dem du auch teilgenommen hast, fand vor kurzem in Wien statt. Warum ist dir das Projekt wichtig?Mir hat das Projekt von Anfang an gefallen, und der erste Workshop in Wien war wirklich toll. In Rumänien sind Angebote für Menschen mit Behinderungen noch neu, es gibt noch kaum entsprechende Infrastruktur. Dieser Workshop war für uns der erste Schritt, um mehr über die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen zu lernen und wie wir diese auch berücksichtigen können.
2028 – wo siehst du die Naturfreunde Rumänien in zehn Jahren? Was ist deine Vision, worauf freust du dich und welche Herausforderungen gibt es zu bewältigen?
In 10 Jahren? Nun, unser Ziel ist es, mindestens zehn Ortsgruppen mit jeweils mindestens hundert Mitgliedern zu haben sowie zehn Naturfreunde Häuser und ein größeres Angebot an Aktivitäten.
Berg frei!
(Mai 2018)
Mamadou Diallo | Generalsekretär der Naturfreunde Senegal (ASAN)
Mamadou Diallo, Generalsekretär der Naturfreunde Senegal (ASAN), hat in seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Landschaft des Jahres Senegal/Gambia seine große Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass ASAN nun für die nächsten beiden Jahre im Mittelpunkt der internationalen Naturfreunde-Aktivitäten stehen wird.
Im Gespräch mit der NFI erzählt er von der Bedeutung der Initiative für die Region und für seinen Verband und von seinen Visionen für die Zukunft.
In deiner Eröffnungsrede hast du deine Begeisterung über die neue Landschaft des Jahres Senegal/Gambia kundgetan. Neben sehr vielen TeilnehmerInnen aus der Region und den Nachbarländern sind auch über 40 NaturfreundInnen aus Europa angereist, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen und im Anschluss die Region kennen zu lernen. Was bedeutet diese große Aufmerksamkeit für die Naturfreunde Senegal?
Für uns, die Naturfreunde Senegal, ist es eine große Ehre und ein Zeichen der Freundschaft und der Wertschätzung, die uns die NFI entgegenbringt. Die Organisation der "Landschaft des Jahres" 2018/2019 den Naturfreunden Senegal, einer afrikanischen Naturfreunde-Organisation, anzuvertrauen, ist in der Tat eine Premiere in der Geschichte der Naturfreunde-Bewegung. Ihr gebt uns erneut die Gelegenheit, unseren Dank an die Verantwortlichen der NFI sowie an die zahlreichen TeilnehmerInnen, die aus Europa und Afrika angereist sind, auszusprechen – sie haben die offizielle Eröffnung der Landschaft des Jahres durch ihre Anwesenheit bereichert.
Was sind für dich die Besonderheiten der Region, die du den BesucherInnen gerne vermitteln möchtest?
Wie ihr wisst, gibt es im Senegal viele Dinge zu entdecken, es ist ein Land mit großer Biodiversität, mit vielen verschiedenen Ökosystemen, mit vielen außergewöhnlichen Touristenattraktionen und einer lebendigen Kultur. Außerdem sind die SenegalesInnen, auch gerade wegen ihrer ethischen und sprachlichen Vielfalt, ein wunderbares Volk, sehr gastfreundlich und sehr offen. Im Rahmen unserer Aktivitäten haben wir mehrere sehr interessante Ökotouren für TouristInnen zusammengestellt, die wir unseren Gästen ans Herz legen.
Abgesehen von den unterschiedlichen geographischen Zonen, die unser Land umfasst, wäre es für TourstInnen interessant, die Insel Gorée zu besuchen, ein Zeugnis jahrhundertelanger Sklaverei und des Sklavenhandels, oder den See Lac Rose, die verschiedenen Museen in der Hauptstadt, die Kunstmärkte und das Denkmal der Wiedergeburt Afrikas. Diejenigen, die in der Nähe von Dakar bleiben möchten, können das Reservat Bandia besuchen, und dort Giraffen, die Riesen-Elenantilope, verschiedenste andere Antilopenarten, Affen, Büffel usw. zu beobachten; sie können auch den Badeort Saly besuchen, auf dem Weg dorthin kommen sie bei Poponguine vorbei und an den Wäldern mit Affenbrotbäumen (Baobab), den Bäumen, die alles heilen.
Auf der Nordtour können die BesucherInnen Saint Louis entdecken, die alte Hauptstadt Senegals und Weltkulturerbe, mit seinen historischen Monumenten (Hotel Mermoz, Brücke Faidherbe, Gouverneurspalast), dem Fischerdorf Goxxu Mbathie, die Langue de Barbarie, die farbenfrohe und
lebhafte Rückkehr der Fischer, die traditionellen Dörfer der Mauren und Peulhs, und nicht zu vergessen das Reservat Gueumbeul und den Vogelpark von Dioudj, dem weltweit dritten nationalen Vogelschutzgebiet mit seinen Tausenden Vögeln und Pelikanen.
Jene, die sich für Religion interessieren, können Tivaouane, die Hauptstand von Tidjanisme, besuchen sowie Touba, die Hauptstadt von Mouridisme und Kaolack, die Hauptstadt von Niassènes, … Alle, die sich für die großartige Natur und Kultur interessieren, sollten die Regionen Tambacounda und La Casamance nicht verpassen.
Für die Tour d´Horizon in diesem Jahr haben wir den NaturfreundInnen vorgeschlagen, die Grenzregion zwischen Senegal und Gambia zu besuchen. Hier kann man "Senegambia" entdecken, mit seinem besonderen Ökosystem – eine geographische Region mit großer biologischer Vielfalt, vielfältiger Kultur und unterschiedlichsten Menschen.
Ziel der Landschaft des Jahres ist es immer auch, konkrete Aktivitäten zu initiieren, die zu einem besseren Leben für die Bevölkerung beitragen. Was ist deiner Meinung nach notwendig, damit dies gut gelingt?
Die Durchführung des Programms wird zur Erhaltung unserer Natur, zum Kampf gegen den Klimawandel, zur Erhöhung der Biodiversität, aber vor allem zur Stärkung des Ökotourismus beitragen. Tatsächlich ist die Aufforstung mit Bäumen, die mehrfach genutzt werden können, in den Concessions (Familiengärten) geplant: Bäume mit viel Laub, die Schatten spenden, Obstbäume, um Mangelernährung zu bekämpfen und das Einkommen der Familien aufbessern, Bäume, die Brennholz liefern und so der Abholzung Einhalt gebieten, Bäume, die medizinisch von traditionellen Heilern genutzt werden – kurz gesagt, eine Aufforstung, um CO2 zu binden und damit gegen die Klimaerwärmung und den Klimawandel zu kämpfen.
Ebenso ist es eine Gelegenheit für die Bevölkerung, wieder ihr lokales kulturelle Erbe zu besuchen. Wenn Sie in Kontakt mit der vielfältigen Bevölkerung Senegals kommen, werden Sie den Reichtum und die Vielfalt ihrer Kultur bewundern. Nach der afrikanischen Tradition und der senegalesischen "Teranga" (Gastfreundschaft) werden Sie Ihre GastgeberInnen dazu bringen, Mbalakh, Yela, Ndawrabine, Sawrouba usw. zu tanzen, im Rhythmus von Tamtam, Kora, Balafon, Riti etc. Mit dem Kankourang Festival in Gambia werden die Schutzgeister aus dem heiligen Wald kommen, nicht nur, um zu tanzen und die Naturfreunde willkommen zu heißen, sondern sie werden auch auf ihre Weise zum Erfolg der "Landschaft des Jahres" beitragen.
Nach der sehr erfolgreichen ersten Reise durch die Landschaft des Jahres werden bereits einige weitere Reisen geplant. Welche Bedeutung hat der Tourismus für die Region und was ist notwendig, damit die Bevölkerung auch wirklich vom Tourismus profitiert?
Der Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor, von dem die lokale Bevölkerung profitiert. Er kann dazu beitragen, dass die jungen Menschen in der Region bleiben und dass die illegale Emigration, mit so verheerenden Folgen wie langen Irrfahrten, dem Verlust von Menschenleben in der Wüste und im Meer sowie moderner Sklaverei in Libyen und in anderen Ländern, eingedämmt wird. Dennoch sollte die Bevölkerung unterstützt werden, damit sie wirklich vom Tourismus profitieren kann. Zu diesem Zweck wäre es gut, dass Touristenunterkünfte in den Dörfern geschaffen würden, dass lokale Künstler den Besuchern ihr Kunsthandwerk als Souvenirs anbieten könnten, dass Frauen in der Landwirtschaft, in der Verarbeitung von lokalem Obst, Gemüse und Getreide sowie in der Gastronomie geschult und angestellt würden.
Die Naturfreunde Senegal blicken wie auch andere afrikanische Naturfreundeverbände auf eine sehr positive Verbandsentwicklung in den letzten Jahren zurück. Was ist für dich das Erfolgsrezept für eine gute Zukunft für die Naturfreunde? Und welche Bedeutung hat für dich dabei die Internationalität unserer Bewegung?
Es gibt kein Rezept, das Wunder bewirken kann. Nur die Arbeit zählt. Wir müssen erkennen, dass wir – wie ich meine – von drei Hauptfaktoren profitieren: 1. das Vorbild eines wunderbaren Mannes, dem verstorbenen Presidenten Alioune DIAGNE MBOR, der mit seiner Weisheit, Voraussicht und Bekanntheit die Gruppe geeint und uns viele Türen geöffnet hat. 2. in ihren Bereichen kompetente Mitglieder, die dynamisch und engagiert sind und auf freiwilliger Basis arbeiten. 3. seriöse, großzügige Partner, die genauso engagiert sind wie wir, wie die Naturfreunde Internationale, die bereit waren, uns zu begleiten und mit uns die Herausforderung anzunehmen. Ich persönlich bedauere es nicht, mir in der Vergangenheit die Freiheit genommen zu haben, die Naturfreunde Frankreichs und die NFI um eine Partnerschaft mit ASAN zu bitten.
Die Internationalität der Naturfreunde-Bewegung ist sehr wichtig, da sie Ausdruck einer gemeinsamen Vision ist, mit gemeinsamen Werten, Botschaften und konkreten Initiativen für den Umweltschutz, gegen den Klimawandel, gegen die Armut, zur Förderung des Ökotourismus und der internationalen Solidarität unter den Völkern. Eure Anwesenheit hier, gerade in diesen Zeiten der Spannungen auf der ganzen Welt, wird sicherlich zum gegenseitigen Verständnis und zur Annäherung der Völker und zum Frieden auf der Welt beitragen.
Association Sénégalaise des Amis de la Nature (Facebook)
(Februar 2018)
Manfred Pils | Präsident der Naturfreunde Internationale
Der Österreicher Manfred Pils wurde am 21. Oktober 2017 vom Kongress der Naturfreunde Internationale in Lage Vuursche in den Niederlanden als Präsident des internationalen Dachverbandes wiedergewählt. Die MitarbeiterInnen der NFI gratulieren herzlich zur Wiederwahl!
Im Gespräch erzählt Manfred Pils von seinen Visionen für die Zukunft der Naturfreundebewegung, von aktuellen Herausforderungen und seinen persönlichen Zielen.
In Bonn ist vor Kurzem die 23. Klimakonferenz zu Ende gegangen. Auch der Kongress der Naturfreunde Internationale stand unter dem Motto "Klimagerechtigkeit leben! Solidarisch in eine gute Zukunft!". Der Schutz des Klimas und die Klimagerechtigkeit sind also zentrale Themen der internationalen Naturfreunde-Bewegung. Was sind für dich in diesem Zusammenhang die größten Herausforderungen, wie kann ein umfassender Klimaschutz gelingen? Wie sieht eine klimagerechte Welt aus? Und was kann und wird die Naturfreunde Internationale dazu beitragen?
Der Klimaschutz muss bei den Hauptursachen ansetzen. Hier geht es vor allem um die radikale Reduktion der CO2-Emissionen in den westlichen Industriestaaten sowie in den Schwellenländern – dies betrifft im Wesentlichen die Bereiche Energiegewinnung, Verkehr, Industrie und Heizen. Die Technologien sind vorhanden, wir müssen sie nur einsetzen und das wird auch die Wirtschaft befördern. Parallel dazu müssen wir jenen, die vom Klimawandel jetzt schon massiv betroffen sind, ohne ihn mitverursacht zu haben – nämlich den Menschen in den Ländern des globalen Südens –, helfen, die negativen Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Das bedeutet, dass beispielsweise Aufforstungsprojekte, notwendige bauliche Maßnahmen zur Stabilisierung von Küstenzonen, Projekte zur Wasserversorgung und zur Bewässerung, aber auch notwendige Umsiedlungen finanziert werden müssen.
Dazu brauchen wir gelebte Solidarität auf internationaler Ebene – und das ist genau das, wofür die NFI eintritt und wofür sie Verständnis schaffen will. Und natürlich müssen wir Naturfreunde auch selbst aktiv zur Klimagerechtigkeit beitragen, wie wir es bereits mit verschiedenen Projekten tun – z.B. mit Baumpflanzungen in Senegal und Gambia, die über den Naturfreunde Klimafonds finanziert werden.
Die Naturfreunde stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Zentrale Themen für viele nationale Verbände sind etwa die Erhaltung der Hütten und Häuser und die Anpassung der Angebote für Mitglieder an neue gesellschaftliche Entwicklungen. Zugleich kämpfen viele Verbände mit einem Rückgang der Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und nationalen Förderungen. Was sind deine Visionen für eine erfolgreiche Zukunft der Naturfreunde Bewegung?
Die NFI ist weit davon entfernt, ihren Mitgliedsverbänden gute Ratschläge zu geben. Aber die gemeinsame Klammer der Naturfreunde ist der nachhaltige Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen, das gemeinsame Erlebnis in der Natur und die Internationalität. Wir verbinden Freizeiterlebnisse mit progressivem Engagement für eine nachhaltige Gesellschaft. Das ist für mich das Besondere an unserer Bewegung, das wir verstärkt in den Vordergrund stellen sollten. Wenn wir mit einem modernen, zeitgemäßen Profil Menschen für unsere Bewegung gewinnen, dann können wir unsere Bewegung erneuern und zukunftsfähig machen.
Wie kann die Naturfreunde Internationale deiner Meinung nach dazu beitragen, dass diese Visionen verwirklicht werden? Und welche persönlichen Ziele hast du dir als Präsident der Naturfreunde Internationale für die kommenden drei Jahre gesteckt?
Die Naturfreunde Internationale ist das internationale Aushängeschild der Naturfreunde-Bewegung – eine ganz wichtige Funktion zur Verbreiterung der Bewegung. Unsere Stärke ist die Vielfalt der Naturfreunde, die Kreativität und das Engagement vieler ehrenamtlicher Funktionäre und Funktionärinnen. Hier wollen wir zu mehr Austausch und Bereicherung beitragen, aber auch zeigen, dass Internationalität ein wichtiger Wert in einer globalen Gesellschaft ist – sowohl für das einzelne Mitglied, als auch für das politische Engagement der Naturfreunde, wie z.B. unser Einsatz für die Klimagerechtigkeit.
Gerade jetzt, in einer Zeit, wo die internationale Politik verstärkt von nationalstaatlichen Interessen getrieben wird und die Grundwerte unserer Gesellschaft mehr und mehr in Frage gestellt werden, braucht die NFI die volle Unterstützung ihrer Mitgliedsverbände – damit wir mit einer starken Stimme sprechen, die gehört wird. Das steht im Zentrum meiner Arbeit für die nächsten drei Jahre.
(November 2017)
Mag. Günter Abraham | Geschäftsführer der Naturfreunde Österreich
Seit Anfang Juli 2017 ist Günter Abraham neuer Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Österreich. Er folgt Reinhard Dayer, der den Verband 44 Jahre lang sehr erfolgreich geführt hat. Im Gespräch mit Andrea Lichtenecker erzählt Günter von seinen Beweggründen für sein Engagement für die Naturfreunde und von seinen Zukunftsplänen.
Du blickst auf eine vielfältige Karriere zurück. Was hat dich dazu bewogen, dich für die Stelle des Geschäftsführers der Naturfreunde Österreich zu bewerben?
Ich habe in Unzmarkt in der Steiermark eine wunderschöne Kindheit verbracht. Meine Eltern leben beide naturverbunden und haben ihre Begeisterung an uns Kinder weitergegeben. Die Naturfreunde begeistern mich als Bewegung, die sich dem Erhalt der Umwelt ebenso verschrieben hat wie der sportlichen Betätigung in der Natur. In meinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten habe ich mich als Büroleiter von Umweltlandesrat Manfred Wegscheider und als Leiter des Fitreferates der ASKÖ Steiermark immer mit Sport und Umweltfragen befasst. Beide Themenschwerpunkte interessieren mich außerordentlich. Als die Bundesgeschäftsführung der Naturfreunde Österreich ausgeschrieben wurde wusste ich, dass ich meiner Leidenschaft folgen muss, und habe mich beworben!
Die Naturfreunde Österreich sind der mitgliederstärkste Verband innerhalb der internationalen Naturfreundefamilie. In Zeiten, in denen viele andere Naturfreundeverbände mit rückgängigen Mitgliederzahlen kämpfen, ist es in Österreich gelungen, den Mitgliederstand auf einem stabilen Niveau zu halten. Dennoch stehen auch die Naturfreunde Österreich vor großen Herausforderungen – was sind für dich die Prioritäten für die nächsten Jahre?
Ich habe mir zu Beginn meiner Tätigkeit einige Ziele gesetzt: Ich möchte die Naturfreunde für alle Generationen attraktiver machen, vor allem für die junge. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, Kinder bereits in ihren frühen Jahren für die Natur und den Naturschutz zu sensibilisieren. Ich habe oft genug miterlebt, wie viel Spaß Kinder dabei haben, die Natur als Lebensraum zu entdecken und zu erkunden. Ich werde mich für ein kompetenzorientiertes Lernen einsetzen – für ein Lernen draußen, in der Natur und mit ihr.
Neben Kooperationen mit Schulen wird einer meiner Arbeitsschwerpunkte in der Erhaltung der alpinen Infrastruktur liegen. Die Naturfreunde betreuen in Österreich ca. 15.000 Kilometer Wanderwege und rund 140 Hütten. Der Aufwand, dieses enorme Netzwerk instand zu halten, ist fast unvorstellbar.
Neue Kletter- und Boulderhallen, Innovationen im technologischen Bereich, Bildungs-angebote im Umwelt- und Naturschutz, aber auch ein modernes Hüttenmanagement sollen dazu beitragen, die Mitgliedschaft bei den Naturfreunden attraktiv zu machen. Wir werden diese Ziele durch Teamgeist und Zusammenarbeit erreichen!
Die Naturfreunde werden von vielen als reiner Freizeit- und Wanderverein wahrgenommen. Die Positionierung zu politischen Themen hat in den einzelnen Landesverbänden einen unterschiedlich hohen Stellenwert und auch die Themen variieren von Gesellschaftspolitik über Freihandel bis hin zu Wegefreiheit. Was sind deine Vorstellungen für die politische Arbeit der Naturfreunde?
Wir werden uns weiterhin dafür stark machen, dass der freie Zugang zur Natur mit dem freien Wegerecht im Wald und in Alpinregionen für alle Bevölkerungsschichten möglich ist, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen. Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen Erholungssuchenden und Grundeigentümern. Wir wollen mit unseren Broschüren und Beiträgen in den Medien auch weiterhin die gesetzlichen Grundlagen kommunizieren und dort, wo es aus unserer Sicht notwendig ist, Forderungen stellen. So stehen wir für eine Öffnung der Forststraßen für alle Mountainbiker in Österreich – ein rechtlicher Standard, der in vielen benachbarten Ländern bereits erreicht ist!
Die Naturfreunde werden ihrer Rolle als Interessensvertretung für Mensch und Natur auch in der Zukunft gerecht werden. Freier Zugang zur Natur, darunter auch der freie Zugang zu Österreichs Seen, darf nicht eingeschränkt, sondern muss erweitert werden! Unser Gruß „Berg Frei!“ ist Ausdruck dafür, alle Versuche, die das freie Wegerecht beschneiden, mit aller Kraft zu bekämpfen.
In deiner Antrittsrede hast du ein sehr schönes afrikanisches Sprichwort verwendet: „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit kommen willst, dann gehe mit anderen gemeinsam.“ Das gemeinsame Miteinander ist nicht nur zentrales Element der Naturfreundeaktivitäten, sondern prägt auch die Zusammenarbeit der internationalen Naturfreundebewegung. Welchen Stellenwert hat für dich Internationalität in Bezug auf die Naturfreunde?
Ich bin ein glühender Europäer. Die internationale Zusammenarbeit in einem vereinigten Europa halte ich für eine besonders wichtige Aufgabe. So wie wir in Familien, Ortsgruppen, und auch in Gemeinden zusammenarbeiten, so würde ich mir die Naturfreunde zukünftig auch im internationalen Kontext wünschen. Dass wir unseren Weg eben alle gemeinsam gehen.
(Juli 2017)
Urs Wüthrich-Pelloli | Präsident der Naturfreunde Schweiz
Seit 13. Mai 2017 steht Urs Wüthrich-Pelloli an der Spitze der Schweizer Naturfreunde. Der Bildungspolitiker und ehemalige Regierungsrat startet sein Amt mit großen Plänen. Im Gespräch erzählt Urs von seinen Beweggründen für sein Engagement für die Naturfreunde und von seinen Vorstellungen für die Zukunft des Verbandes.
Du blickst auf eine langjährige politische Karriere zurück. Was hat dich dazu bewegt, dich nun für die Naturfreunde zu engagieren?
Ich leiste als Privatperson schon lange einen Beitrag zu einer intakten Mitwelt und bin seit den 1980er-Jahren Mitglied bei den Naturfreunden. Zu diesem Verein habe ich einen dreifachen Bezug. Einen geschichtlichen, weil die Naturfreunde aus der Arbeiterbewegung entstanden sind, wo ich auch herkomme. Einen sportlichen, weil ich mich für den Sport engagiere und gerne wandere. Und ich habe einen Wertebezug, weil ich meine, dass Freunde der Natur für diese auch Verantwortung übernehmen müssen.
Die Naturfreunde werden von vielen immer noch als reiner Freizeit- und Wanderverein wahrgenommen. Die politische Arbeit hat in den einzelnen Landesverbänden einen unterschiedlich hohen Stellenwert. Ebenso werden auf nationaler Ebene ganz unterschiedliche Themen angesprochen – von Atomkraft über Freihandel bis hin zu Wegefreiheit. Was sind deine Vorstellungen für die politische Arbeit der Naturfreunde?
Für mich ist es unverzichtbar, dass sich die Naturfreundebewegung bei politischen Fragen zu Natur und Landschaft wieder einmischt. Damit meine ich ausdrücklich nicht, dass die Naturfreunde zu einer politischen Partei werden oder sich nicht von einer solchen instrumentalisieren lassen. Aber die Naturfreunde müssen klar wieder ein politisches Profil erhalten und sich als Verbündete von Organisationen positionieren, die sich für nachhaltige Entwicklung und „Freunde der Natur“ engagieren.
Die Naturfreundebewegung steckt momentan in einer schwierigen Phase. Viele nationale Verbände kämpfen seit etlichen Jahren mit rückgängigen Mitgliederzahlen und dem Verlust von staatlichen Zuschüssen – etwa für die Erhaltung ihrer Häuser. Wie möchtest du hier auf nationaler Ebenen gegenwirken?
Die Entwicklung unserer Mitgliederzahlen und die Altersstruktur verschiedener Ortsgruppen machen deutlich, dass große Defizite in der Nachwuchssicherung aufgeholt werden müssen. Verschiedene Sektionen leben erfolgreich vor, dass Erneuerung in Kontinuität möglich ist. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Erfolg ansteckend ist.
Ein für mich sehr wichtiges Thema ist die erfolgreiche und zukunftstaugliche Bewirtschaftung unserer Naturfreundehäuser. Hier müssen wir das unverzichtbare ehrenamtliche Engagement mit den Ansprüchen erhöhter Professionalität in Einklang zu bringen.
Und wie erwähnt, hat für mich persönlich die inhaltliche Profilierung und die politische Positionierung der Schweizer Naturfreunde große Priorität. Ich betrachte die Entpolitisierung unserer Bewegung als verhängnisvolle Entwicklung, eine Entwicklung, die Verlust von Identität, Profil und Alleinstellungsmerkmal bedeutet und die dazu führt, dass unsere Leitideen und Werte Worthülsen und wirkungslose Absichtserklärungen bleiben.
Du hattest in den vergangenen Jahren zahlreiche internationale Ämter inne, etwa die Schweizer Delegationsleitung und das Präsidium der Deutsch-Französisch-Schweizerischen Oberrheinkonferenz sowie die Vertretung der Schweiz im Kongress des Europarates und in der Versammlung der Regionen Europas. Welchen Stellenwert hat für dich Internationalität – gerade auch in Bezug auf die Naturfreunde-Bewegung?
Ich habe die grenzübergreifenden Begegnungen immer wieder als Bereicherung und unverzichtbare Voraussetzung für das gegenseitige Verständnis erlebt. Nur der Austausch unterschiedlicher Meinungen und Erfahrungen und die Auseinandersetzung mit Betrachtungsweisen aus einem andern Blickwinkel sorgen für gesellschaftliche Entwicklung und Stabilität. Gerade in einer immer stärker globalisierten Welt müssen sich Bewegungen wie die Naturfreunde über Landesgrenzen hinweg zu starken Netzwerken verbünden, wenn ihre Stimme bei den internationalen Entscheidungsträgern gehört werden soll. Konsequenterweise begrüße ich die Arbeit der NFI und freue mich darauf, dieses Engagement mit meinen Erfahrungen zu unterstützen.
(Mai 2017)