Menschenrechte im Tourismus – Online-Gespräch
Menschenrechte im Tourismus
Online-Gespräch im Rahmen des Treffpunkt-i der NaturFreunde Deutschlands am 22. Februar 2024
Nachlese
Was haben Menschenrechte mit Tourismus zu tun?
Input von Cornelia Kühhas (respect_NFI | Naturfreunde Internationale)
Der Tourismus ist eine stark wachsende Branche, bis zum Ausbruch von Corona wurden jedes Jahr Zuwächse verzeichnet. 2019 – also kurz vor der Pandemie – hat die Welttourismusorganisation einen neuen Rekordwert vermeldet, nämlich 1,4 Mrd. internationale Ankünfte. Nach einem totalen Einbruch während der Corona-Pandemie steigen die Zahlen jetzt wieder, die Kurve zeigt weiterhin steil nach oben, der Trend vor Corona setzt sich fort, 2023 wurde mit ca. 1 Mrd. Internationaler Ankünfte schon fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.
Cornelia Kühhas hat aufgezeigt, welchen Einfluss Tourismus auf die Lebensverhältnisse von Menschen hat – nicht nur auf diejenigen, die im Tourismus arbeiten, sondern insbesondere auch auf die Menschen, die in den Destinationen leben:
Menschenrechte werden im Tourismus vielfach verletzt, insbesondere durch ausbeuterische Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und fehlende soziale Absicherung – etwa in der Kreuzfahrtindustrie und Hotellerie. Diskriminierung aufgrund von Religion, Geschlecht oder Behinderung ist weit verbreitet – so haben Frauen selten Managementpositionen inne und Menschen mit Behinderungen können nicht alle touristischen Angebote nutzen. Zudem werden Menschen oft von ihrem Land vertrieben, um Platz für Hotels und Luxusressorts zu machen, was ihre Lebensgrundlagen zerstört. Kinderarbeit und Kinderprostitution sind ebenfalls gravierende Probleme im Tourismus. Die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung werden durch den Bau großer Hotelanlagen, die Wasser- und Bodenressourcen beanspruchen, bedroht. Massentourismus führt zu erhöhten Lebenshaltungskosten, Lärm und einer sinkenden Lebensqualität für Einheimische. Schließlich trägt der Tourismus zur Klimakrise bei, deren Auswirkungen vor allem die Menschen im Globalen Süden treffen, obwohl diese am wenigsten zur Krise beitragen.
Entwicklung des Tourismus, der Tourismuskritik und die Positionen& Forderungen der NaturFreunde Deutschlands
Input von Uwe Hiksch (Bundesvorstand NaturFreunde Deutschlands)
Die Tourismuswirtschaft kann aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: Einerseits ist sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland, der 2019 rund 124 Milliarden Euro erwirtschaftete und 2,8 Millionen Menschen beschäftigte. Andererseits wird kritisiert, dass Tourismus ein Luxus ist, den sich nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung leisten kann, wobei 65 Prozent der Ausgaben von Tourist*innen aus reichen Ländern stammen.
Seit den 1950er-Jahren hat der Tourismus erheblich zugenommen, mit über 1,3 Milliarden Reisenden im Jahr 2022. Kritik am Massentourismus und seiner kapitalistischen Verhältnisse wurde bereits in den 1950er-Jahren von Hans Magnus Enzensberger geäußert.
Die Freizeitverbände der Arbeiter*innenbewegung haben sich bereits im 19. Jahrhundert für eine Demokratisierung des Tourismus eingesetzt. Für die NaturFreunde, die Teil der damaligen Arbeiter*innenbewegung waren, stellten sich für den Tourismus drei Fragen:
- Wie muss Tourismus organisiert werden, damit die besuchten Regionen dadurch keinen sozialen oder ökologischen Schaden nehmen?
- Wie muss Tourismus durchgeführt werden, damit die dort Beschäftigten und die in den Zieldestinationen für den Tourismus Arbeitenden, ein auskömmliches Einkommen und keine sozialen Benachteiligungen haben?
- Welche Anforderungen stellen die NaturFreunde an den eigenen Verband, der als „Touristenverein Die Naturfreunde“ gegründet wurde, für die eigenen touristischen Angebote?
Die Chance, nach der Pandemie eine nachhaltige Wende im Tourismus einzuleiten, wurde verpasst. „Bei öffentlichen Entscheidungsträger*innen hat sich ein Politikansatz durchgesetzt, der vor allem das Ziel hat, das touristische Wachstum vor der Pandemie möglichst schnell wieder zu erreichen und die Tourismuszahlen als Wirtschaftsfaktor deutlich voranzubringen. Vorschläge der umwelt-, klima-und tourismuspolitischen NGO’s für eine Transformation der Tourismuswirtschaft hin zu einer nachhaltigen und ökologischen Industrie sind bisher nicht aufgegriffen worden.“ (NaturFreunde Deutschlands, Öffentliche Anhörung zum Thema „Nachhaltiger Tourismus“am 18. Mai 2022 im Deutschen Bundestag, Stellungnahme der NaturFreunde Deutschlands, 17.05.2022)
Die NaturFreunde Deutschlands fordern ein grundsätzliches Umsteuern hin zu einem nachhaltigen Tourismus: In Zukunft müssen die Auswirkungen des Tourismus auf die Menschenrechtslage in den touristischen Zielregionen in den Mittelpunkt einer an Nachhaltigkeit orientierten Tourismuspolitik gestellt werden. Hierbei muss die Einhaltung der Menschenrechte durch die Tourismuswirtschaft der zentrale Ansatz für eine neue Tourismuspolitik sein.
Die konkreten Forderungen der NaturFreunde Deutschlands für einen nachhaltigen Tourismus:
- Die Einhaltung der und die Auswirkungen auf die Menschenrechte müssen vor allem bei Investitionen durch die Unternehmen aufgezeigt werden.
- Durch die Entwicklung touristischer Infrastruktur dürfen das Recht auf Gesundheit, Recht auf Nahrung, Recht auf sauberes Wasser und das Recht auf Erhaltung angestammter Landrechte nicht infrage gestellt werden.
- Der internationale ordnungspolitische Rahmen muss so weiterentwickelt werden, dass die Einhaltung der Menschenrechte in internationalen Abkommen verbindlich und einklagbar festgeschrieben wird.
- Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in den Zieldestinationen durch Handlungen von Tourismusunternehmen aus Deutschland müssen das recht haben, vor deutschen Gerichten ihre Ansprüche einklagen zu können.
- Touristische Angebote in den Zieldestinationen müssen so weiterentwickelt werden, dass sie dazu beitragen, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern und regionale Wertschöpfungsketten ermöglichen.
(NaturFreunde Deutschlands, Öffentliche Anhörung zum Thema „Nachhaltiger Tourismus“am 18. Mai 2022 im Deutschen Bundestag, Stellungnahme der NaturFreunde Deutschlands, 17.05.2022)