Die Landschaft des Jahres Senegal/Gambia vier Jahre nach der Auftaktveranstaltung
Vier Jahre sind seit der Auftaktveranstaltung zur Landschaft des Jahres im Januar 2018 und zwei seit der letzten internationalen Reise vergangen. Im Januar 2020 war gerade mal von irgendeinem Virus in China zu hören, und kaum jemand hat wohl geahnt, dass uns dieses Virus auch noch im Januar 2022 weltweit in Atem halten würde. Im Januar 2021 veranstaltete die Naturfreunde Internationale (NFI) eine virtuelle Reise in die Landschaft des Jahres (https://tourismlog.respect.at/category/virtuelle-reise-2021/).
Und für Ende Januar/Anfang Februar 2022 fand sich eine kleine Gruppe trotz nach wie vor herrschenden Corona-Bedingungen zusammen, um nochmal in die Landschaft des Jahres zu reisen.
Hier der Bericht von Ingeborg Pint, die auch diese Reise, gemeinsam mit Mamadou Mbodji und Djibi Seydi, vorbereitet und begleitet hat.
Eine Afrikareise unter Corona-Bedingungen
Nach der virtuellen Reise 2021 wollte ich unbedingt nochmal nach Senegal und Gambia reisen, die Freundinnen und Freunde in den beiden Ländern treffen und mir ein Bild davon machen, ob und wie die Beiträge der Landschaft des Jahres vier Jahre nach der Auftaktveranstaltung gewirkt haben und noch wirken. Sieben Naturfreund*innen aus Frankreich und ein deutscher Naturfreund haben sich mir angeschlossen und alle coronabedingten Mühen auf sich genommen (unterschiedliche Ein- und Ausreisebedingungen je nach Fluglinie und Transitflughafen, zahlreiche Testungen, kurz vor Reiseantritt positive – und dann doch wieder negative – Testergebnisse, Maskentragen etc.).
Nach nicht ganz zwei Tagen des versuchten Social Distancing haben wir uns den lokalen Gegebenheiten angepasst, unsere Freundinnen und Freunde genau so herzlich begrüßt wie immer und auch, mit Ausnahmen in öffentlichen Gebäuden und Hotels, die Masken fallen lassen. Die Freude, einander wiederzusehen, war deutlich größer als die anfängliche Unsicherheit. Und als das senegalesische Fußballteam die „Coupe d’Afrique des Nations“ gewann, haben im allgemeinen Taumel auch fremde Menschen uns einfach umarmt und wir uns mit ihnen gefreut.
Auf dem Programm stand diesmal eine Woche Landschaft des Jahres und eine Woche Casamance, die südlichste Region Senegals. Mein Bericht bezieht sich vor allem auf die Besuche und Begegnungen in der Landschaft des Jahres. Unsere Begleiter waren in erster Linie Djibi Seydi und Mamadou Mbodji, im Naturfreundehaus wurden sie wie immer von weiteren Naturfreund*innen unterstützt. In Gambia hat uns Muhammed Kebbeh (genannt „Pasco“) begleitet.
Besondere Eindrücke
Die Women’s Initiative in Njaw, Gambia
Hier gibt es Erfreuliches zu berichten: mit einer internationalen Finanzierung auf der Grundlage von „Ecosystem based adaptation“ werden eine Hirsemühle, ein Raum, in dem Obst und Gemüse vor Regen und Feuchtigkeit geschützt werden, und ein Schulungsraum errichtet. Dies alles zur Unterstützung der engagierten Frauen, die uns auch diesmal wieder in ihren Shop geführt haben, der vor allem Produkte aus Recyclingmaterial anbietet. Die Fraueninitiative steht In engem Kontakt mit JUST ACT, der gambischen Naturfreunde-Organisation, und ist ein wichtiger Akteur des nachhaltigen Tourismus in der Region.
Das Kankurang-Festival in Janjanbureh
Nach einer bescheideneren Ausgabe im Januar 2021 mit wenig ausländischem Publikum war das Festival diesmal wieder sehr gut besucht und ein großer Erfolg. Es wurde 2018 aus Anlass des Auftakts der Landschaft des Jahres nach langer Unterbrechung wiederaufgenommen und wird ein Fixpunkt im Kulturkalender Gambias bleiben.
Unsere Bäume
Das größte Highlight der Reise waren für mich die Besuche bei den Familien, in deren Gärten im Jahr 2018 aus dem NFI-Klimafonds finanziertwodwod Baumpflanzungen stattfanden, zum Beispiel in Janjanbureh und Koumbidja Socé. An vielen Stellen konnten wir Mangobäume sehen, die bereits Früchte trugen und tragen. Auch Zitronenbäumchen setzen schon Früchte an.
Und in Yorobelekunda in Gambia sind die bei der internationalen Reise 2020 gepflanzten Bäume, je nach Bodenverhältnissen, auch bereits von 1 auf 2 m angewachsen. Hier besuchen die Verantwortlichen von JUST ACT zweimal monatlich die Familien und unterstützen sie bei der Pflege der Bäume.
Aber auch die erst im Juli 2021 gesetzten Bäume, die aus den Spenden der Teilnehmer*innen der virtuellen Reise finanziert wurden, entwickeln sich gut, wie wir z.B. in Njaw feststellen konnten.
Wenn auch da und dort ein paar Bäume nicht gediehen sind (etwa aufgrund eines schlecht geeigneten Bodens), sind die Baumpflanzaktionen der Naturfreundinnen und -freunde jedenfalls eine Erfolgsgeschichte. Dazu beigetragen haben in Gambia und Senegal die regelmäßigen Besuche vor Ort, durch kompetente Mitglieder von JUST ACT und ASAN. Viele Frauen haben uns stolz ihre Höfe gezeigt, die vielfältigen Vorrichtungen, die sie zum Schutz vor Viehverbiss errichtet haben. An einer Stelle hat die Familie sogar einen kleinen Teil des Hofes hinter dem Wohnbereich abgetrennt, damit der 2018 gepflanzte Zitronenbaum ungestört gedeihen kann.
Ressourcenschonende Kochstellen
Bei einer Familie konnten wir auch zwei der Kochstellen in Funktion erleben, für die bei der Reise 2020 im Rahmen eines Workshops sensibilisiert wurde. Frau Camara erklärt uns stolz den Dampfgarprozess und die Vorteile dieser Kochmethode, die Holz spart, keinen Rauch entwickelt und den Kochvorgang beschleunigt. Auch in anderen Höfen haben diese Kochstellen Eingang gefunden.
Schulen
In Koumbidja Socé haben wir wieder das „Collège d’enseignement moyen“ besucht, in dessen Hof 2018 die Auftaktveranstaltung der Landschaft des Jahres stattgefunden hat. Begeistert haben Schüler*innen und Lehrkräfte von dem Austauschprogramm mit einer gambischen Schule, den gegenseitigen Besuchen und dem gemeinsamen Aufenthalt im Naturfreundehaus in Dakar berichtet. Für die jungen Menschen, die an diesem Austauschprogramm teilgenommen haben, war das gemeinsame Lernen und Erleben eine große Bereicherung. Nach wie vor fehlen in der Schule eine gut ausgestattete Bibliothek, ein Computerraum und ein geeignetes Transportmittel für die Schüler*innen, die teilweise einen sehr weiten Schulweg haben.
Probleme
Coronafolgen
In manchen Bereichen sind deutlich die Folgen von Corona zu spüren. Ermutigt durch die Aktivitäten der Landschaft des Jahres und unsere wiederholten Besuche hat zum Beispiel der Eigentümer des von mir so geschätzten „Campement Le Bambouck“ in Koungheul in der Anlage Investitionen vorgenommen und einen Zubau errichtet, doch dann kam Corona und der Tourismus ist mit einem Schlag zusammengebrochen. Vom Staat hat er keinerlei Coronahilfen erhalten. Über Wasser gehalten – im wahrsten Sinne des Wortes – hat ihn die Wasserabfüllanlage auf seinem Gelände, die weiter betrieben werden konnte. So konnte er auch seine 29 Angestellten halten und musste niemandem kündigen. Da die Gebäude längere Zeit nicht genutzt wurden, sind jedoch im Hotelbereich Schäden und Verfallserscheinungen aufgetreten, die bis jetzt nicht repariert werden konnten. Man hofft nun auf eine Wiederbelebung des Tourismus.
Klimawandel
Am eigenen Leib verspürt haben wir die deutliche Temperaturzunahme in den von uns besuchten Gebieten – 38 bis 40° bei unseren (kurzen) Wanderungen waren eine echte Herausforderung. Kompliment an die Mitreisenden, die das ohne Murren ertragen haben.
Bei den „Gemüsefrauen von Kamb“ – einem Fixpunkt aller unserer Reisen – ist wieder, diesmal dank des UNDP (des UN-Entwicklungsprogramms) Neues entstanden (eine Schatten spendende Pergola, Verstärkung der Bewässerung) und das Gelände konnte erweitert werden, so dass noch mehr Frauen in die Gruppe aufgenommen werden konnten. Aber, so sagt Binta Wane, die Leiterin der Gruppe, es passieren Dinge, die sich die einfachen Frauen nicht erklären können, die aber deutlich sichtbar sind: Einige Pflanzen und Gemüsesorten konnten nicht gedeihen, weil es im ganzen Monat Juli nicht geregnet hat und der Boden zu stark austrocknete.
Das Naturfreundehaus in Mbao dagegen hatte in der verspätet stattfindenden Regenzeit im August, mit Extremregen, unter dem Anstieg des Grundwassers und dem Vordringen des Wassers vom Atlantik her mit schweren Schäden im Bereich der Bodenverfliesung zu leiden. Das betrifft alle ebenerdigen Räumlichkeiten, wo nicht nur die Bodenfliesen eingebrochen, sondern zur Regenzeit auch massiv Wasser eingetreten ist. Das gibt Anlass zu Sorge, da zur Instandsetzung höhere Investitionen erforderlich sind! Die Baumschule des Hauses floriert jedoch, die vielen Setzlinge werden derzeit in recycelten Mehrliter-Mineralwasserflaschen aufgezogen.
Und apropos Naturfreundehaus: Wir erinnern uns, dass auf dem Gelände des Hauses die Errichtungsgesellschaft der Regionalschnellbahn (TER-Train express régional) ihre Büros eingerichtet hat. Der Abschnitt Dakar-Diamniadio ist nun seit Dezember 2021 in Betrieb, und wir konnten unseren Heimweg von der Stadtbesichtigung in Dakar mit dem Zug antreten! Diamniadio ist die ca. 30 km von Dakar entfernte Neustadt, wohin Ministerien, Verwaltungseinrichtungen, Firmensitze etc. verlegt wurden. Die Bahnlinie wird bis zum Flughafen verlängert werden. Man sieht bereits jetzt, dass sie sehr gut angenommen wird, viele Bus- und Autofahrten erspart und durch die derzeit 13 Stationen die Vororte Dakars gut erschließt.
Abstecher in die Casamance
Hier beeindruckt die große Biodiversität – Wälder mit ganz unterschiedlichem Baumbestand, ausgedehnte (wenn auch zum Teil geschädigte) Mangrovenbestände – die „Verte Casamance“ (die „Grüne Casamance“) macht ihrem Namen alle Ehre. Die noch sehr traditionellen Lebensformen des Volkes der Diola werden im Diola-Museum in Cap Skirring in Form eines Waldspaziergangs anschaulich und unterhaltsam dargestellt.
Die Naturfreunde sind auch hier vor allem an Schulen organisiert: Die Schüler*innen des „Collège d’Enseignement moyen Kenya“ in Ziguinchor verarbeiten z.B. das Obst ihres Gartens zu Marmeladen weiter, die für den Verkauf bestimmt sind, und am landwirtschaftlichen Gymnasium in Bignona betreuen die Naturfreundinnen und -freunde eigene Gemüsebeete und stellen Sitzbänke aus recycelten Autoreifen her. Das katholische Internat St.Joseph de Djifanghor am Stadtrand von Ziguinchor (natürlich steht es für Angehörige aller Religionen offen) sieht sich als Begabteneinrichtung für Mädchen aus sozial schwachen Familien, denen Chancen für ein eigenständiges Leben eröffnet werden sollen. Es ist geplant, auch an dieser Schule eine Naturfreunde-Gruppe („cellule“) einzurichten.
Fazit
Vieles ist von der Landschaft des Jahres geblieben oder erinnert daran, wie die beiden Gedenksteine in Koumbidja Socé und Janjanbureh und vor allem die unzähligen Bäume in den Familiengärten. Senegalesische und gambische Naturfreunde werden ihre Kontakte aufrechterhalten, sich um die gepflanzten Bäume kümmern, sich für nachhaltigen Tourismus in der Region engagieren und versuchen, die Beziehungen zwischen den Jugendlichen aus beiden Ländern aufrechtzuerhalten. Auch Baum- und Mangrovenpflanzprojekte in anderen Teilen Senegals und Gambias sind auf die Erfahrungen in der Landschaft des Jahres zurückzuführen.
Ich habe schweren Herzens und mit Wehmut von dieser Landschaft des Jahres Abschied genommen, in der ich viel gelernt habe und viele engagierte, kompetente, aufgeschlossene und freundliche Menschen kennenlernen durfte und dabei von ebensolchen Reiseteilnehmer*innen begleitet wurde.
(Februar 2022)