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Kein Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas in der EU-Taxonomie!

Die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die kürzlich veröffentlichte Europäische Taxonomie widerspricht dem Ziel der Taxonomie, private Investoren vor Greenwashing zu schützen, und dem „Do No Significant Harm“-Prinzip der Taxonomie. Durch die Umleitung großer Investitionsmittel in nicht nachhaltige Formen der Energieerzeugung birgt die Taxonomie die Gefahr, dass die gesamte EU-Klimaagenda und der europäische Green Deal entgleisen.

Die EU-Taxonomie-Verordnung

Ziel der Taxonomie-Verordnung ist es festzulegen, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig klassifiziert werden kann, um so zum European Green Deal beizutragen. Sie soll Sicherheit für Investoren schaffen und nach eigenen Angaben der EU „private Investoren vor Greenwashing schützen, Unternehmen helfen, klimafreundlicher zu werden, die Marktfragmentierung abschwächen und dazu beitragen, Investitionen dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden.“ (EU taxonomy for sustainable activities | European Commission https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/sustainable-finance/eu-taxonomy-sustainable-activities_en)

Ende Dezember 2021 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Taxonomie-Liste vorgelegt, die auch Atomkraft und fossile Gasanlagen als nachhaltige Investitionen umfasst. Dies wird Investoren nicht vor Greenwashing schützen, sondern eben dieses massiv fördern.

Atomkraft und fossiles Gas sind nicht nachhaltig!

Die EU-Kommission argumentiert, dass Atomkraftwerke keine CO2-Emissionen verursachen. Das ist nur teilweise richtig: Die Verbrennung von Kernbrennstoffen führt zu keinen CO2-Emissionen, berücksichtigt man jedoch den gesamten Prozess, so entstehen CO2-Emissionen während der Bau- und Rückbauphase der Kraftwerke sowie beim Abbau und Transport der Brennelemente und bei der Entsorgung des Atommülls. Darüber hinaus ist die ungelöste Frage der Endlagerung des Atommülls ein weiteres starkes Argument gegen die Einstufung der Kernenergie als nachhaltig und steht nicht im Einklang mit dem „Do No Significant Harm“-Prinzip der EU-Taxonomie.
Fossile Gaskraftwerke stoßen direkt CO2 aus. Wenn verflüssigtes Erdgas (LNG) als Brennstoff verwendet wird, führt der Transport des Gases über große Entfernungen zu zusätzlichen CO2-Emissionen. Außerdem entstehen beim Pipelinetransport von Erdgas erhebliche Methanemissionen, die aus den Konverterstationen verdampfen.

Brauchen wir Kernkraft und fossiles Gas als Übergangstechnologien?

Lobbyisten argumentieren, dass Kernenergie und Energie aus fossilem Gas als Übergangstechnologien benötigt werden, bis das System der erneuerbaren Energien vollständig entwickelt sein wird. Sie betonen das Versorgungssicherheitsrisiko, wenn die Energieversorgung nur auf erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik beruht, die alle stark von den Wetterbedingungen abhängig sind.

Die gesamte Energiewirtschaft arbeitet jedoch derzeit daran, diese Risiken zu mindern, indem sie neue Energiespeichersysteme installiert und die Nachfrage steuert, um Spitzen im Energieverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig müssen wir auch mehr Energiesparprogramme umsetzen, was eines der Ziele des CO2-Emissionshandelssystems ist.

Geothermische Anlagen und die Nutzung von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird, werden dazu beitragen, die schwankende Energieerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen. Dazu kommen auch immer mehr Biogasanlagen, die ebenfalls wetterunabhängig betrieben werden können. Dadurch wird auch gleichzeitig die Menge an fossilem Gas, das zum Heizen oder für den Transport verwendet wird, verringert. Das bedeutet, dass in Zukunft auch regionale Gasnetze für Wasserstoff und grünes Gas benötigt werden könnten.

Völlig falsches Signal an Investoren

Angesichts des enormen Finanzbedarfs für die Umsetzung der nachhaltigen Klimapolitik und insbesondere des europäischen Green Deals besteht ein starker Wettbewerb um Finanzinvestitionen. Betrachtet man die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Electricity, LCOE), also jene Kosten, welche für die Energieumwandlung von einer anderen Energieform in elektrischen Strom notwendig sind, so ist die Kernenergie die mit Abstand teuerste Art, in Energie zu investieren. So hat das Konsortium des derzeit im Bau befindlichen britischen Kernkraftwerks Hinkley Point 2013 einen garantierten Festpreis von 111 Euro pro MWh ausgehandelt, der während der Bauzeit und über die anschließende 35-jährige Tarifperiode an die Inflation angepasst wird. Derzeit liegt der Festpreis bereits bei 134 Euro pro MWh. Die Kosten werden also von Jahr zu Jahr steigen. Gleichzeitig liegen die Kosten für eine große Photovoltaikanlage derzeit zwischen 31 und 57 Euro pro MWh und sinken von Jahr zu Jahr. Schon heute kostet eine MWh aus Solarenergie weniger als ein Viertel der in Hinkley Point produzierten MWh, und dieser Unterschied wird sich bis zur Inbetriebnahme von Hinkley Point weiter vergrößern – diese ist für 2027 vorgesehen, könnte aber nach den Erfahrungen mit der Bauzeit anderer Kernkraftwerke auch später erfolgen. Unter dem Gesichtspunkt einer effizienten Klimapolitik ist es nicht sinnvoll, Investoren in nukleare und fossile Energien umzulenken, indem man vorgibt, dass diese Investitionen als „grün“ angesehen werden könnten.

Ein großer Schaden für die Klimapolitik und für den Green Deal

Die neue EU-Taxonomie untergräbt das Ziel des Europäischen Green Deals, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Potenzielle neue Kernkraftwerke könnten erst nach 2040 fertig sein und sowohl nukleare als auch fossile Anlagen werden noch 40 bis 50 Jahre lang in Betrieb sein. Gleichzeitig könnten die finanziellen Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienzmaßnahmen, Gebäudesanierung und Wärmepumpen reduziert werden.

Die Naturfreunde Internationale fordert die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen und die Expertengruppe der Mitgliedstaaten für nachhaltige Finanzen zum Verzicht auf die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas als nachhaltige Investitionen in den ergänzenden delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie auf!

Manfred Pils | Präsident der Naturfreunde Internationale (NFI)

im Namen des NFI-Vorstandes (Jänner 2022)

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