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Afterwork im Reisebüro: Lieferketten im Tourismus – verantwortungsvoll zu qualitätsvollen Reiseangeboten
respect_NFI | Naturfreunde Internationale, das Österreichische Umweltzeichen und der Fachverband der Reisebüros luden am 29.9.2022 zum hybriden Afterwork ins Büro von Enjoy Reisen.
Nachhaltiger, wirtschaftlich erfolgreicher Tourismus basiert auf einem schonenden, verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen sowie einem fairen, respektvollen Umgang mit allen Akteur:innen. Immer mehr Reisebüros und Veranstalter wollen diese Verantwortung wahrnehmen und dafür Sorge tragen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen möglichst sozial und ökologisch nachhaltig sind. Doch die Lieferketten im Tourismus sind komplex und vielteilig – denn viele Betriebe und Menschen arbeiten dafür, dass Tourist*innen angenehme Urlaubstage verbringen können. Zudem wird auf EU-Ebene an einem Lieferkettengesetz gearbeitet, das Unternehmen zur Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten verpflichten soll. Was bedeutet das nun in der touristischen Praxis?
Wir sprachen mit unseren Gästen JARA SCHREIBER (Roundtable Human Rights in Tourism, www.humanrights-in-tourism.net), GREGOR WECHNER (TravelGreg, www.travelgreg.at), JAMILEH BAUMANN (Hauser Exkursionen, www.hauser-exkursionen.de) und ANNA MAGO (Fair Trade Österreich, Netzwerk Soziale Verantwortung, www.nesove.at) im Reisebüro unseres Gastgebers RICHARD SENFT (Enjoy Reisen) von „Wir sind Reisen“ (https://wirsindreisen.at) darüber, was das Lieferkettengesetz eigentlich ist, welche Vorteile es im touristischen Kontext mit sich bringen würde bzw. vor welche Herausforderungen es die Branche stellen könnte, warum freiwillige Verpflichtung nicht ausreicht und wie nachhaltig orientierte Unternehmen mit dem Thema „Achtung der Menschenrechte“ in der Praxis umgehen. Moderiert hat KERSTIN DOHNAL.
Anna Mago vom Netzwerk Soziale Verantwortung eröffnet ihr Statement mit der Frage, welche Menschenrechte jede und jeder von uns persönlich Tag für Tag selbst nutzt bzw. durch seine/ihre Arbeit fördert. Auf touristische Lieferketten umgelegt stellt sich die Frage, welche Produkte bereits menschenrechtskonform sind und wie wir täglich mit unserer Arbeit dazu beitragen können, dass Menschen im Tourismus menschenwürdige Arbeit haben und durch ihn profitieren.
Anna Mago betont auch, dass die Verantwortung für den Kauf nachhaltiger, menschenrechtskonformer Produkte und Dienstleistungen nicht auf die Konsument*innen abgewälzt werden darf.
Zu Verletzungen von Menschenrechten kommt es immer dann, wenn wenige große Player einen gesamten Sektor kontrollieren. Mit touristischen Produkten, die auf vertrauensvolle Partnerschaften und gegenseitige Wertschätzung aufgebaut sind, wird es nicht dazu kommen. Das bestätigt auch Jamileh Baumann von Hauser Exkursionen, die seit über 40 Jahren mit langjährigen Geschäftspartner*innen ihre nachhaltige Produkte entwickeln: „Wir bilden unsere Reiseleiter*innen selbst aus, kennen und unterstützen die Familien, die dahinterstehen.“ Auch in der Krise seien diese Produkte und Partnerschaften stabiler und die neuerliche Aktivierung der Netzwerke danach stressfreier für alle Beteiligten.
Gregor Wechner alias Travelgreg erlebt die Krise als Push für die Nachhaltigkeit. „Ich selbst bin durch die Corona-Pandemie zum Bahn-Only-Anbieter geworden.“ Er bietet ausschließlich erdgebundene Reisen an und verlässt sich bei der Wahl seiner Geschäftspartner*innen auf Zertifizierungen und staatlich anerkannte Listungen in puncto Nachhaltigkeit der Betriebe. Vor allem deshalb, weil eine persönliche Prüfung vor Ort nicht in jedem Fall möglich ist, besonders für kleine Unternehmen.
Ein praktisches Tool für den Selbstcheck einer touristischen Lieferkette für alle Anbieter hat der „Roundtable Human Rights in Tourism“ entwickelt. Jara Schreiber vom Roundtable beschreibt es als niederschwellige Möglichkeit, sich rasch und gezielt mit der Lieferkette auseinanderzusetzen. Für Betriebe ist es ebenfalls eine Möglichkeit, sich auch zwischendurch ein virtuelles Lob einzuholen, wenn das Produkt gut abschneidet. https://www.humanrights-in-tourism.net/analyse-risks
Jara Schreiber betont, dass die Achtung der Menschenrechte – und damit fair behandelte, motivierte Mitarbeiter*innen – die Qualität des touristischen Produkts garantiert.
Mit Blick auf das Lieferkettengesetz in Deutschland meint sie: „Wir haben in Deutschland gesehen, dass Freiwilligkeit allein nicht funktioniert – denn jene Unternehmen, die die Menschenrechte nicht so im Blick haben, haben einen Wettbewerbsvorteil. Daher ist eine Regulierung wichtig, weil sie gleiche Rahmenbedingungen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schafft.“
Das Lieferkettengesetz sehen alle als eine gute Möglichkeit, Missständen vorzubeugen bzw. Verantwortliche in eben diese Verantwortung zu holen sowie all jene zu stärken, die bereits wertvolle Arbeit im Sinne der Menschenrechte leisten und diese dadurch stärken.
Angst vor Regulierung ist daher laut den Expert:innen völlig unbegründet. „Ein Lieferkettengesetz bedeutet ja auch Rechtssicherheit für die Unternehmen“, betont Anna Mago. Natürlich soll das Gesetz keine zusätzlichen bürokratischen Hürden für Unternehmen bedeuten, es soll klar, transparent und nachvollziehbar sein – und im besten Fall auch touristische Unternehmen stützen und stärken. Wie es das tun kann, wissen jene aus der Praxis am besten. Deswegen ist jetzt, wo gerade die ersten Entwürfe des EU-Gesetzes zwischen NGOs und Politik diskutiert werden, genau der richtige Zeitpunkt, sich einzubringen.
Das Gesetz wird kommen, denn Freiwilligkeit allein funktioniert leider nicht, auch wenn Best-Practice-Beispiele – wie Hauser Exkursionen, die Nachhaltigkeit und Menschenrechte mittlerweile tief in ihrer Struktur und Philosophie verankert haben, oder „Travelgreg“ Gregor Wechner, der sich selbst im Wort steht („Ich muss es machen, weil ich es gesagt habe!“) – zeigen, wie wertschätzender, beziehungsbasierter Tourismus im besten Fall funktionieren kann. Die Bedürfnisse der Menschen müssen den Massen des Tourismus standhalten, und dafür braucht es ein Gesetz, das all jenen Einhalt gebietet, die Menschenrechte für Verhandlungssache halten.
Dieses Afterwork wurde aufgezeichnet, den Videomitschnitt finden Sie auf unserem Youtube-Kanal: https://www.youtube.com/watch?v=d9Wh2dF_YN8
Weiterführende Informationen und praktische Tools:
Tool „Analyse Risks Value Chain“ des Roundtable Human Rights in Tourism
https://www.humanrights-in-tourism.net/analyse-risks
Choices for Human Rights – How Tourism Businesses Can Influence & Sensitise Their Travellers (Webinar des Roundtable Human Rights – zum Nachschauen)
https://www.humanrights-in-tourism.net/Webinar-Traveller-sensitisation
"The Business Case of Respecting Human Rights in Tourism"
Beitrag von Doug Lansky beim Symposium des Roundtable Human Rights in Tourism 2021
https://www.humanrights-in-tourism.net/online-symposium-2021
Human Rights and Climate Change: The Benefits of Linking Both Agendas in Tourism
Symposium des Roundtable Human Rights am 6.10.2022 – ein Videomitschnitt wird auf der Website des Roundtables zur Verfügung stehen
https://www.humanrights-in-tourism.net/online-symposium-2022
Wegweiser durch den Labeldschungel im Tourismus
Broschüre von Naturfreunde Internationale, Tourism Watch, fairunterwegs und ECOTRANS e.V.
https://www.nf-int.org/publikationen/infomaterial/wegweiser-durch-den-labeldschungel
Menschenrechte auf Reisen: Die Rolle der Reiseleiter*innen
Broschüre von respect_NFI
https://www.nf-int.org/sites/default/files/infomaterial/downloads/2019-12/IM_BLICK_Menschenrechte_Reisen_DE.pdf
Corporate Social Responsibility
Broschüre vom Netzwerk Soziale Verantwortung
https://www.nesove.at/wp-content/uploads/2018/04/CSR-Brochure2012_screen_final.pdf
Green Counter des DRV
https://www.drv.de/themen/nachhaltigkeit/green-counter.html
Workshopreihe „Nachhaltigkeit am Counter“ der Conscious Tourism Group
https://conscious-tourism.group/events/