Infomail Wissenschaft – Ausgabe 02, Dezember 2018
INHALT
Wald auf Rezept von Cornelia Kühhas/Naturfreunde Internationale
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Gesund durch Natur? Kann man das lernen? von Harald A. Friedl/FH JOANNEUM Bad Gleichenberg
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Outdoor against cancer! von Hannes Huber/Naturfreunde Österreich & Cornelia Kühhas/Naturfreunde Internationale
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Wein als Motor für neue Formen des naturnahen Gesundheitstourismus von Daniel Binder & Harald A. Friedl, FH JOANNEUM Bad Gleichenberg
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WALD AUF REZEPT
von Cornelia Kühhas / Naturfreunde Internationale
Gesundheit ist der Zustand eines umfassenden körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens – so die Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO. Und dieses umfassende Wohlbefinden kann durch den Aufenthalt in der Natur positiv beeinflusst werden, wie zahlreiche Studien belegen. Eine Literaturstudie der Naturfreunde Internationale und der Österreichischen Bundesforste fasst die Erkenntnisse verschiedenster Forschungseinrichtungen über die Auswirkungen von Naturerleben auf die körperliche, seelische und soziale Gesundheit des Menschen zusammen und stellt Praxisbeispiele für gesundes Naturerleben vor.
Die Natur in ihren vielfältigen Erscheinungsformen übt seit jeher einen starken Einfluss auf uns Menschen aus. Eine abwechslungsreiche Landschaft zu durchwandern, eine Blume zu betrachten, dem Rauschen eines Baches zu lauschen oder den Duft von feuchter Walderde zu riechen – das spricht alle unsere Sinne an und macht uns glücklich. Die Natur hat eine positive Wirkung auf uns Menschen, auf unser psychisches, physisches und soziales Wohlbefinden. Das ist auch wissenschaftlich belegt: So sind Personen, die Zugang zu Grünflächen haben, im Allgemeinen gesünder als Menschen ohne diese Möglichkeit, sie erkranken seltener und leben länger.
Wohlbefinden auf allen Ebenen
Schon ein Spaziergang im Wald reicht aus, um Stresshormone abzubauen und den Pulsschlag zu senken. Zudem regt eine naturnahe Umgebung auch zur Bewegung an – und Bewegung im Freien hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, Übergewicht, Diabetes und senkt das Risiko, an Krebs zu erkranken. Außerdem fördert eine naturnahe Umgebung die Regeneration bei körperlichen Erkrankungen. So benötigen rekonvaleszente PatienInnen nach einer Operation allein durch den Kontakt mit der Natur weniger Schmerzmittel und erholen sich schneller.
Regelmäßige Aufenthalte in der Natur tun auch der Psyche gut. Mitten in der Natur fühlen wir uns wohl, negative Gefühle wie Angst und Wut machen positiven Gefühlen Platz. Die Natur hilft uns auch abzuschalten, dem Alltagstrott zu entfliehen und zur Ruhe zu kommen. Naturerleben spielt daher auch eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung und Behandlung von Stress und Depressionen.
Nicht zuletzt hat die Natur als Begegnungsraum eine positive Wirkung auf unser soziales Wohlbefinden. Das gemeinsame Erleben von Natur, etwa beim Ausflug im Wald, verbindet und fördert den sozialen Austausch. In der Natur rücken soziale Hierarchien in den Hintergrund, wir sind offener und schließen leichter Kontakte. Besonders Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung profitieren vom gemeinsamen Naturerlebnissen. Der Aufenthalt fördert die intellektuelle und soziale kindliche Entwicklung sowie die Kreativität und Problemlösungskompetenz durch interaktives Spiel. Für ältere Menschen bildet Naturerleben eine wichtige Ressource für die psychische Gesundheit – es beugt mit dem Altern verbundenen Ängsten vor und stärkt Sozialkontakte.
Gesundheit braucht intakte Natur
Wir Menschen brauchen eine intakte Natur, um gesund zu bleiben bzw. zu werden – eine "gesunde" Natur, die nicht nur sauberes Wasser und reine Luft, sondern auch Raum für Erholung und Bewegung bietet. Es liegt also in unserer gemeinsamen Verantwortung, Naturräume zu schützen und zu erhalten – und entsprechend sorgsam und nachhaltig zu nutzen.
Wege zum Wohlfühlen
Die positive Wirkung der Natur auf unser Wohlbefinden steht auch im Mittelpunkt eines gemeinsamen Projektes der Naturfreunde und der Österreichischen Bundesforste: Unter dem Motto „Entspannen, erfahren, erleben!“ laden die „WohlfühlWege“ zum gemütlichen Wandern durch Österreichs Wälder ein. Die Pfade erschließen die Natur als Ort des Wohlbefindens und bieten leicht erreichbare Naherholung, auch für die regelmäßige Bewegung am Nachmittag nach der Arbeit oder am Wochenende. Es werden weder große Distanzen noch große Höhenunterschiede überwunden, so sind die Wege auch bestens geeignet für Familien mit Kleinkindern und Menschen mit eingeschränkter Mobilität.
Verschiedene Aktivitäten entlang der WohlfühlWege bieten die Gelegenheit, Naturschätze zu entdecken. Achtsamkeitsübungen entlang der Routen helfen dabei, im Augenblick zu sein, bewusst wahrzunehmen und sich den Natureindrücken zu öffnen. Die Natur soll aber nicht nur betrachtet, sondern auch erlebt werden. Für Kinder ist die Natur ein großer Spielplatz, der alle Sinne anspricht. Anleitungen zu Naturerfahrungsspielen helfen dabei, die Wanderung für Groß und Klein spannend und kurzweilig zu gestalten. Ausgewählte Übungen, Informationen und Spiele können direkt am Weg über die QR-Codes auf den Informationstafeln abgerufen werden.
Weitere Informationen:
Naturerleben und Gesundheit – Eine Studie zur Auswirkung von Natur auf das menschliche Wohlbefinden unter besonderer Berücksichtigung von Waldlebensräumen; Naturfreunde Internationale & Österreichische Bundesforste, 2015; Download
WohlfühlWege in ganz Österreich – mit detaillierten Beschreibungen der Routen und Aktivitäten sowie den Wetterdaten – sind hier abrufbar.
GESUND DURCH NATUR? KANN MAN DAS LERNEN?
von Harald A. Friedl, FH JOANNEUM Bad Gleichenberg
Gesundheit ist so eine Sache. Jeder braucht sie, und wenn sie „weg“ ist, rennt man schnell zum Arzt, der es wieder „richten“ soll, wie der Mechaniker die Beule am Auto. Eigenverantwortlich und vorsorglich mit der eigenen Gesundheit umgehen, ist hingegen kein „Renner“, denn das ist mühsam, langwierig, effizienzwidrig … Denn Gesundheitspflege ist wie eine Liebesbeziehung: Sie erfordert Zeit. Nur dass die Person der Zuwendung man selbst ist. Gesundheitspflege ist Selbstpflege. Das erfordert vor allem Ruhe – für die bewusste Bewältigung und Überwindung von Stress und dessen Folgen. Selbstpflege braucht somit vor allem Eigenverantwortung, denn Gesundheit hat wesentlich mit dem schmerzhaften Blick in den Spiegel zu tun. Der führt einem brutal vor Augen, was man „eigentlich braucht“. Meistens vor allem „nichts“! Weniger Arbeit, weniger Essen, weniger wollen, weniger Autofahren, weniger Eile, weniger Druck, weniger gelten …
Der Haken dabei: Wer sich dem ernsthaft stellt und seinen wesentlichen Bedürfnissen folgt, ist systemschädigend. Wer weniger will, konsumiert weniger, bringt weniger Geld in Umlauf, ruiniert Arbeitsplätze, unterläuft das „System“ – genau jenes System nämlich, das die explosive Verbreitung von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Degeneration des Stützapparats oder des Herz-Kreislauf-Systems sowie Erschöpfungsdepressionen wesentlich produziert. Das Prinzip von Rationalisierung, Beschleunigung, Wettbewerb, Wachstum und Gewinnmaximierung verursacht als menschliche Folgekosten (abgesehen von den globalen und lokalen Umwelt- und Sozialkosten) Dauerstress und zu wenig Bewegung. Denn schließlich müssen wir am Computer jede Menge Texte produzieren, um im System existent zu bleiben, zu überleben, wahrgenommen zu werden … Welch Kampf gegen Windmühlen …
Wer dem Stress entfliehen will, aber den meditativen Blick in den Spiegel (angesichts bedrohlicher Sorgenfalten) scheut, dem bleibt als Alternative ein Spaziergang in den Wald. Dort gibt es im Überfluss, wovon es unserer omnimobilen Multioptionsgesellschaft am meisten mangelt: nichts! Keine Konsumprodukte, kein Lärm, kein Handy-Empfang, kein Druck genervter Geschäftspartner … Dafür saubere Luft, zwitschernde Vögel, rauschende Bäume, krabbelnde Insekten, magische Kräuter – und Ruhe, die den eigenen Atem wieder hören, den eigenen Gedanken wieder denken lässt. „Wer in Eile ist, gehe langsam“, empfiehlt ein altes chinesisches Sprichwort. Ruhe und Entspannung sind Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Konzentration der inneren Kräfte auf ein prioritäres Ziel, anstatt sich weiterhin für alle und jeden zu verausgaben, sich „zu zerfransen“, im Hamsterrad zu verlieren …
Natur als inspirierendes Erlebnis
Natur spielt in vielerlei Hinsicht eine elementare Rolle als Ressource für die Stärkung der Gesundheit. Doch die Existenz eines Waldes allein mag dem in Achtsamkeit und Meditation trainierten Waldläufer genügen um abzuschalten. Der unterhaltungs- und erlebnisgeprägte Stadtmensch würde einen Wald zunächst eher als bedrohliche Welan-Wüste identifizieren denn als kurzfristige Befreiung aus dem Digitalisierungszirkus. Um Menschen zu ihrem noch unvertrauten „Glück zu zwingen“, bedarf es aus verhaltensökonomischer Sicht geschickt gestalteter „Nudges“ (Thaler und Sandstein), so genannte „Stupser“, die gesundheitsförderliche Verhaltensweisen weit effektiver „anstoßen“ als Ver- oder Gebote. Dazu zählen etwa narrativ aufgeladene Inszenierungen auf Basis der Erlebniswissenschaften von Gerhard Frank, wodurch für den Betroffenen eine „bedrohliche“ Konfrontation mit der „Wildnis“ in ein inspirierendes oder gar „heilendes“ Erlebnis umschlägt. Erfolg verspricht hier weniger unbedingt aufwändige und teure Infrastruktur, wohl aber gut durchdachte Konzepte und ausgefeilte Endprodukte. So muss die Wahrnehmungs- und Erwartungskultur der angesprochenen Zielgruppen ebenso berücksichtigt werden wie auch deren persönliche Naturerfahrungen, aber auch deren primäre Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Verpflegung. All diese Komponenten sind zu einem ausgewogenen Drehbuch für eine begeisternde Begegnung mit der „exotischen Welt“ der Natur zu verknüpfen.
Reine Routine für Menschen, die über Kompetenzen aus dem Feld der Gesundheitsförderung, des Erlebnis- und Servicedesigns und des nachhaltigen Tourismus verfügen. Vertiefte Kenntnisse im Segment des Gesundheitstourismus in naturnahen Gebieten sowie des mentalen Gesundheitstourismus wären natürlich besonders vorteilhaft, und darüber hinaus das unverzichtbare Basiswissen über Managementerfordernisse wie Buchhaltung … Um jedoch unter TouristikerInnen solche eierlegende Wollmilchsäue zu finden, müsste man wohl durch viele entlegene Wälder „hirschen“…
Umfassende Ausbildung zum/zur professionellen GesundheitstouristikerIn
Stimmt nicht, denn genau diese Kompetenzen werden im neuen Masterstudiengang „Gesundheitstourismus und Freizeitmanagement“ an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg gelehrt. Der Ausbildungsstandort hat eine lange Tradition als europäischer Pionier des Gesundheitstourismus. In diesem ehrwürdigen Kurort wurde 2001 der damals international einzigartige Studiengang „Gesundheitsmanagement im Tourismus“ mit seinem Fokus auf Gesundheitstourismus aus der Taufe gehoben und seither ständig weiterentwickelt. Denn die (touristische) Welt blieb nicht stehen. Längst haben auch andere Bildungsanbieter verstanden, dass die touristische Kultur als erlebnisorientierte Dienstleistung in immer mehr Branchen nachgefragt wird. Mittlerweile sind ManagerInnen von Krankenhäusern häufig TouristikerInnen, weil sie die alltäglichen Bedürfnisse ihrer „KundInnen“ besser verstehen als FachärztInnen. Und in Hotels und erst recht in den Thermen ziehen immer mehr GesundheitstrainerInnen und Wellnesscoaches ein. Denn immer mehr KundInnen wollen in ihrer Freizeit an ihrer Gesundheit „arbeiten“, um die Leistungsfähigkeit im Beruf oder die Genussfähigkeit im fortgeschrittenen Alter zu erhalten.
Und nun „entdeckt“ der Tourismus auf seiner Suche nach neuen, multifunktionellen Produkten die Natur als „neue“ Quelle der Gesundheit. So präsentierte der Österreichische Alpenverein vor zwei Jahren seine groß angelegte Studie über „Wandern und Gesundheit“, und die FH KREMS lud heuer zum „2. Internationaler Kongress Gesundheitspotenzial Wald“. „Neu“ ist das Thema keineswegs. Schon 2011 veranstaltete die Boku Wien eine viel beachtete Tagung über „Wald und Gesundheit“, und seit 2012 bildet die „International Association of Nature and Forest Therapy Guides and Programs“ weltweit zertifizierte TrainerInnen für die effektive Nutzung von Wald als Regenerationsquelle aus (https://www.natureandforesttherapy.org/about/anft). Neu oder „innovativ“ ist lediglich der Kontext, dass Wald als Rückzugsgebiet für gestresste Internetjäger dienen kann …
Wie das geht und was dabei zu beachten ist, wird an der FH JOANNEUM im Fach „Health and Nature Tourism“ gelehrt: Vom theoretischen Überbau mit Sustainability, Umweltschutz, Gesundheitstheorien, Erlebnispädagogik und Naturpsychologie spannt sich der Bogen bis zur konkreten Entwicklung und praktischen Erprobung eines solchen Prototyps. Die zusätzlichen Kompetenzen wie Buchhaltung, strategisches Management, Servicedesign oder Förderungsmanagement werden im Laufe der drei Semester bis zur Masterarbeit erworben. Am Ende steht … keine eierlegende Wollmilchsau, sondern ein/ professionelle/r GesundheitstouristikerIn mit profunden Kenntnissen im Bereich Naturtourismus und Erlebnismanagement. Jemand, der die Natur liebt und diese Liebe als heilsam weitervermitteln will – und kann.
Outdoor against cancer!
von Hannes Huber/Naturfreunde Österreich & Cornelia Kühhas / Naturfreunde Internationale
Bewegung und Sport in der Natur haben nachweislich positive Effekte auf die menschliche Gesundheit. Auch im Kampf gegen Krebs werden Outdoor-Aktivitäten erfolgreich eingesetzt. Denn die Bewegung in der Natur unterstützt die Genesung, fördert die Lebensqualität – und kann auch neue Perspektiven für die PatientInnen bieten.
Um dieses Wissen um die gesundheitsfördernde Wirkung von Bewegung und Sport in der Natur bei Krebserkrankungen zu verbreiten, wurde 2015 die die Organisation „Outdoor against Cancer” (OaC) gegründet. OaC hat sich zum Ziel gesetzt, ein flächendeckendes Angebot für Outdoortrainings in ganz Europa aufzubauen und diese auch als festen Bestandteil der Krebstherapie zu etablieren.
Therapiebegleitende Outdoor-Angebote
Die Naturfreunde Österreich unterstützen dieses Projekt und werden therapiebegleitende Outdoor-Aktivitäten anbieten. 2019 werden die ersten Kurse als Pilotprojekt starten, ab 2020 sollen breit gefächerte Outdoor-Aktivitäten für KrebspatientInnen fix im Kursangebot der Naturfreunde verankert sein. „Wer Erkrankungen präventiv vorsorgen möchte, der ist bei den Naturfreunden mit Sport in der Natur bereits seit vielen Jahren gut aufgehoben. Schon bald wollen wir auch im therapiebegleitenden Bereich passende Angebote bereitstellen. Wir denken hier ab dem Jahr 2019 an Sportarten wie Wandern, Klettern, Laufen, Turnen oder auch Kanu“, erklärt Philipp Liesnig, Landesvorsitzender der Naturfreunde Kärnten.
Petra Thaller, Initiatorin der gemeinnützigen Initiative „Outdoor against Cancer“: „Wir sprechen hier nicht von Leistungssport, manchmal ist ein Spaziergang die richtige Sport-Dosis, um seine Fitness im passenden Rahmen aufrecht zu erhalten. Das Ziel sollte sein, dass ein Krebspatient in der Behandlungsphase nie eine Chemotherapie aussetzen muss, weil er ausreichend fit ist, weil er kein Fieber bekommt, weil ihm nicht schlecht ist und weil unter anderem die Herz- und Blutwerte passen.“ Auch mental sei Sport in der Gruppe laut Thaller im Umfeld der Naturfreunde eine tolle Unterstützung: „Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich während der Chemotherapie manchmal einfach nicht mehr aus dem Bett rauswollte. Da haben mich dann meine Kinder aufgemuntert und geschnappt und sind mit mir an der frischen Luft spazieren gegangen. Diese schwere Phase mit anderen Menschen gemeinsam durchzustehen und regelmäßig mit anderen darüber zu sprechen – das hilft schon sehr.“
Wichtig ist, KrebspatientInnen ein passendes Bewegungsangebot in unmittelbarer Umgebung zum Wohnort zur Verfügung zu stellen, wie Günter Abraham, Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde, betont: „In ganz Österreich arbeiten gut ausgebildete Instruktoren und Übungsleiter der Naturfreunde Österreich. Ziel ist es, das nötige Spezialwissen in unsere klassischen Ausbildungen zu implementieren. Die Naturfreunde sind mit über 460 Ortsgruppen österreichweit vernetzt.”
Mehr Informationen:
Outdoor Against Cancer
Presseaussendung der Naturfreunde Österreich
Wein als Motor für neue Formen des naturnahen Gesundheitstourismus
von Daniel Binder & Harald A. Friedl, FH JOANNEUM Bad Gleichenberg
„Das soll am Wein belobet sein: Er trinkt am besten sich zu zwein.“ Dieses Zitat vom deutschen Lyriker Emanuel Geibel (1815–1884) beschreibt die besondere Beziehung des Menschen zum Wein. Diese „weinselige Verbindung“ zwischen Mensch und Natur wird uns zumeist erst bewusst, wenn – wie in den 1980er-Jahren – das Vertrauen in den „Doppler“ durch einen veritablen „Weinskandal“ erschüttert wird, oder Nachrichten von Ernteausfällen oder hervorragenden Jahrgängen die Schlagzeilen dominieren. Spätfröste, Hagel, Trockenheit oder zu viel an fruchtbarem Regen beeinflussen die Erntemengen und vor allem die Qualität des edlen Rebensaftes. Wenngleich schon viele technische Errungenschaften die Arbeit in Weingarten und Keller erleichtern, so obliegt es doch zumeist noch ehrlicher Handarbeit und dem Know-how des Winzers, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wenn dann noch eine Prämierung das Winzerjahr abschließt, wurde vieles richtig gemacht. Dann fördert „ausgezeichnete Natur“ zunächst das Wohlbefinden seines Schöpfers – und schon bald die seiner GenießerInnen.
In der Osthälfte Österreichs schuf Wein eine besonders enge Verbindung zwischen Landwirtschaft, natürlichem Jahreszyklus, regionaler Lebenskultur und Tourismus. Traditionelle Feste rund um den Wein stellen hier mancherorts den sozialen Höhepunkt einer Saison dar und sind zudem beliebte Ausflugsziele für Tagesgäste oder gar Anlass für Urlaubsreisen. Soziokulturell nachhaltig wirkt Wein auch als Namensgeber für etliche Regionen, die seit Generationen von der Kultur rund um dieses Naturprodukt geprägt wurden, wie das „Weinviertel“ oder die „Südsteirische Weinstraße“. Doch neuerdings erklimmt Weinkultur zunehmend auch eine ernsthafte Rolle als Ingredienz für innovative gesundheitstouristische Produkte.
Weintraube als Anti-Aging-Waffe
Anfang der 1990er-Jahre entdeckte der französische Wissenschaftler Serge Renaud das so genannte „Französische Paradox“, wonach Rotwein trinkende Franzosen und Französinnen viel seltener als US-AmerikanerInnen an Herz-Kreislauferkrankungen litten, trotz derselben fetthaltigen Ernährung. Zu verdanken sei dies den im Rotwein enthaltenen Inhaltsstoffen Polyphenol und oligomere Procyanidine (OPC), die Zellschäden vorbeugen. Doch auch das Öl der Weintraube wird mittlerweile aufgrund seiner hochwertigen Inhaltsstoffe, wie Linolsäure und der Vitamine E und K, in der Wellness-Industrie als Anti-Aging-Waffe großflächig als Peelings, Packungen und Massagen eingesetzt. Derartige „Vino-Therapien“ werden etwa von spezialisierten Wellness-Resorts im Themen- und Vulkanland angeboten und zielen auf die Kreislaufförderung, Immunsystemstärkung sowie auf die Glättung der Haut. Dort kann man sich – gut abgeschirmt von neugierigen Blicken – mitten im Weingarten von Profis mit Weinprodukten massieren lassen. Und als Jungbrunnen zum „Mitnehmen“ bietet das südsteirische Unternehmen Vignoble Cosmetics hochwertige Anti-Aging-Kosmetik mit wertvollen Inhaltsstoffen der gesamten Weinpflanze.
Gesundheitstourismus
Gesundheit wird längst als ganzheitliches Konzept verstanden und nicht nur als Abwesenheit von Krankheit. Gesundheitstourismus zielt darum auf die umfassende Stärkung von Körper, Geist und Seele, indem Elemente der Bewegung in der Natur mit Momenten besonderer Freunde – am besten gemeinsam mit lieben Menschen – sowie mit Zeiten des Genusses verknüpft werden. Dafür bietet die Weinregion der Südoststeiermark rund um die Riegersburg hervorragende Ressourcen, wie Wanderungen über den „Weinwanderweg der Sinne“ in St. Anna, die aktive Teilnahme an einer Weinernte im September oder eine stimmungsvolle Radgenusstour entlang der goldfarbenen Weinhänge im Herbst, garniert mit köstlichen Stopps in einer der zahlreichen „Buschenschanken“, dem steirischen Begriff für „Heurigen“, entlang der malerischen Route.
Wie diese zahlreichen Schätze der von Wein geprägten Natur des „Thermen- und Vulkanlandes Steiermark“ mit Elementen körperlicher Bewegung, insbesondere per Fahrrad, zu ganzheitlichen gesundheitstouristischen Produkten verdichtet und überregional vermarktet werden können, darum dreht sich ein aktuelles Forschungs- und Entwicklungsprojekt des „Instituts für Gesundheit und Tourismus“ an der FH JOANNEUM. Dabei liegt die Herausforderung weniger in der Verknüpfung von reichlich vorhandenen Ressourcen und Ideen, als vielmehr im Aufbau einer gemeinsamen Vision durch die vielen regionalen Anbieter und besonders durch deren gemeinsames Zusammenwirken mit dem Ziel, ihren Lebensraum zu einer führenden Raddestination Österreichs zu entwickeln. Um dies zu erreichen, muss man zuweilen über den eigenen Schatten springen und ganz einfach an eine solche Vision „glauben“. Für TouristikerInnen, die geprägt sind von Effizienzdenken, disziplinierter Arbeit und individuellem Unternehmertum, eine große Herausforderung. Doch eröffnet hier abermals das Naturprodukt Wein als multifunktionelles Wundermittel einen schlichten Lösungsansatz, denn das eine oder andere Glas Wein, mit potenziellen KooperationspartnerInnen getrunken, spülte bereits so manchen Weg in eine gemeinsame nachhaltige Zukunft frei.